17903 ARCHITEKTONISCHE MONATSHEFTE Heft 2 Villa des Herrn Majorelle in Nancy. — Zu Tafel 9. kommt, unnütze Wege zu ersparen und die ganze Anlage von einem Punkte aus leicht erreichbar und übersichtlich zu ge- stalten, so dass z. B. die in der Küche beschäftigte Magd von dort aus den Eingang überwachen. und ohne jedesmaligen grösseren Zeitverlust die Eingangsthür zu Öffnen vermag, nachdem sie schon vorher gesehen, wer Einlass begehrt. Selbst bei der kleinsten Anlage ist ferner die Treppe nach den oberen Räumen, wenn auch oft nicht ohne Schwierigkeit, so zu legen, dass sie genügend beleuchtet und nicht für jeden Fremden unbemerkt zugänglich ist. Auch eine zweckmässige, der gesellschaftlichen Stellung und der Lebensweise und den Neigungen der Bewohner ent- sprechende Anordnung der Wohnräume kann nur durch reifliche Erwägung gefunden werden. Noch steht dabei vielfach die Ueberlieferung irgend eines Schemas hindernd im Wege, das hier einen unnützen Salon, dort ein zu grosses Speise- zimmer vorschreibt und dabei Wohn-, Schlaf- und Arbeits- räume unvorteilhaft trennt oder verkleinert. Noch viel stiefmütterlicher werden in der Regel die Wirt- schaftsräume behandelt. Es mag dies nicht zum wenigsten seinen Grund darin haben, dass im modernen Haushalt die Hausfrau sich möglichst wenig praktisch mit der Wirtschaft beschäftigt, also auch wenig Wert auf die zweckmässigste Ausgestaltung dieser Räume legt, in denen sie sich ja doch nur vorübergehend blicken lässt. Andrerseits ist das Ver- ständnis für wirklich brauchbare Wirtschaftsräume, gute Keller u. s. W. nicht nur in den grösseren Städten infolge des gegen früher wesentlich veränderten Wirtschaftsbetriebes stark zurück- gegangen. Und doch ist eine der noch am wenigsten betonten und doch einflussreichsten Forderungen für die Hebung der allgemeinen Gesundheitsverhältnisse die Besserung und Ver- grösserung der Vorrats- und Wirtschaftsräume aller Art gerade in den unzähligen kleinen Wohnungen, freilich nicht in dem Sinne der oft übertriebenen und zwecklos kostspieligen Luxusausstattung vorneh- mer Haushaltungen. Nebenstehender Grund- riss einer Villa in Treuen- brietzen, nach den Angaben des Bauherrn ausgearbeitet, zeigt eine solche Anord- nung in einer vollkomme- nen Form, die sich in jahre- langem Gebrauch nach jeder Richtung hin bewährt Grundriss zu einem Landhaus in Treuenbrietzen, Architekt: Th. Müller in Magdeburg, Architekt: Henry Sauvage in Paris. 6 | hat. Der Haupteingang ist durch eine vorgelegte überwachsene Veranda mit Frei- treppe geschützt und führt in ein Vor- zimmer, welches zugleich als Aufenthaltsort der kleinen Familie bei milder, aber reg- nerischer Witterung dient. Zu beiden Seiten liegen Empfangs- und Esszimmer, die für Gäste zunächst in Betracht kommenden Räume. Eine Thür schliesst das Vorzimmer von dem kleinen sehr geschickt entwickel- ten Treppenhause ab. Wohn-, Schlaf- und Wirtschaftsräume bilden so eine ge- schlossene Gruppe. Das Gebäude ist völlig unterkellert und hat ein Drempeldach über den Wohn- und Wirtschaftsräumen und ein steiles ausgebautes Dach über den Gesell- schaftsräumen. Der gewöhnliche Eingang zum Grundstück von der Stadt her führt über den Wirtschaftshof und ist von den Küchenfenstern aus zu übersehen. Die Küche und Speisekammer haben die zu- lässige Mindesthöhe, so dass über den- selben ohne Erhöhung des Gebäudes ein Vorrats- und Schrankzimmer und eine Mädchenkammer eingeschoben werden konnten, von denen das erste vom Treppen- podest, die letztere vom Trockenboden aus zugänglich ist. Drei prächtige Fremdenzimmer sind in dem ausgebauten Dach, wieder völlig für sich abgeschlossen, untergebracht. Auch dies ist ein besondrer Vorzug dieser Anlage, denn für die individuelle Durchbildung der kleineren Wohnung für ein häusliches Familien- leben bietet die bestmögliche Anordnung der Fremdenzimmer oft erhebliche Schwierigkeiten, da weder der Gast noch die Familie während der Besuchsdauer in ihren Gewohnheiten und Bequemlichkeiten beschränkt werden sollen. Für den grösseren Haushalt, insbesondere bei umfang- reicheren gesellschaftlichen Verpflichtungen ist es ferner uner- lässlich, dass die Dienstboten ihre Arbeiten verrichten und zu den einzelnen Räumen gelangen können, ohne die Herrschaft zu stören: also ergibt sich die Notwendigkeit besonderer Nebentreppen und Zugänge u. s. w. Ein noch ganz allgemein gemachter Fehler ist die über- mässige Bemessung der Höhe der Stockwerke aus missver- standenen hygienischen Rücksichten. Man bedenke nur die Schwierigkeiten und die Nachteile für die Gesundheit, welche die mangelhafte Heizbarkeit zu hoher Räume mit sich bringt, ganz abgesehen von ihrer Unwohnlichkeit, wenn Höhe und Breite ausser Verhältnis stehen, Hierin wie vielfach sonst noch [ | 3) Entwurf für eine Villa. — Zu Tafel 15 u. 16. — Architekt: Oskar Felgel in Wien,