1903 ARCHITEKTONISCHE MONATSHEFTE Heft 4 schmuck vor uns (Stormarn, Vierlande [Fig. 1]), ein ander- mal eine Abart desselben mit einem Paar gekreuzter, weiss und grün bemalter, etwas beschnitzter Stäbe als Reiter auf jedem Giebelende, dazu kleinem grün oder grünweiss gestreiften Giebeldreieck mit Uhlenflucht«, darunter Stroh- dach bis auf das erste oder zweite Stockwerk, oder mit fast vollständig verschaltem, grün oder rot gestrichenem Giebel. Schon hier (Kremper- marsch, Dithmarschen [Fig.2]) finden ‚wir - Neigung zur T-Form, mehr noch im drit- ten niedersächsischen Typus (holländisch beeinflusst ?), dem ganz backsteinernen Wilstermarschhause, das oben dieselben »Reiter« trägt. Im Schleswigschen finden wir auch wohl gar keinen Giebelschmuck oder nur einige ein- gesteckte Stangen. Das ist z. B. bei dem Ostenfelder Hause der Fall (Ostenfeld ist ein niedersächsisches Dorf in friesischem Land, Schleswig, bei Husum), das man in Husum, als Museum aufgestellt hat. Dieses Haus ist besonders wichtig dadurch, dass es im Innern noch die ursprüngliche Einteilung des niedersächsischen Hauses zeigt — von dem altgermanischen Hause noch gar nicht so weit entfernt. Es hat nämlich noch keine Stuben (die vor- handenen sind später angesetzt), sondern rechts und links von dem auf dem Flettboden aufgemauerten Herde nur je ein Siddel«, einen nach dem Flett zu offenen kleinen viereckigen Raum mit Fenster, ausgefüllt durch einen Tisch und Bänke um ihn herum; zwei Seiten werden durch Bettverschläge ge- bildet. Auch im neuen Altonaer Museum hat man eine solche Diele wieder aufgestellt. An der holsteinischen Westküste treffen wir auf drei ver- schiedene friesische Bauernhaustypen. Gemeinsam ist ihnen, dass das Dach nicht wie bei der sächsischen Bauweise auf der Umfassungsmauer des Hauses, sondern auf fest in den Erdboden gesetzten senkrechten, fest ineinander verbundenen Balken ruht. Es ist das ein Merkmal dafür, dass wir’s mit einer Bevölkerung zu thun ‚haben, die mit dem »blanken Hans«, der wilden. Nordsee, von Urzeiten her zu kämpfen gehabt hat und so ihrem auf einem künstlichen Hügel, einer Wurth oder Werft, erbauten Heim grössere Widerstandsfähigkeit gegen die anprallenden Fluten zu geben verstand, als die sächsische Bauweise sie gewährt hätte. Noch heute können wir eingesprengte sächsische Kolonistendörfer nach dem Fehlen dieses Merkmals von ihren friesischen Nachbarn deutlich unter- scheiden. Das gewöhnlich sogenannte friesische Haus des Festlandes (Fig. 3), wie der nordfriesischen Inseln ist quer- geteilt, ganz Ziegelbau, und äusserlich kenntlich an einem hohen, spitzen Dacherker über der in der Langseite befindlichen Haus- thür, sowie an der häufigen Anwendung von Entlastungsbögen über Thür und Fenstern und von schmiedeisernen Ankern. Der zweite friesische Typus ist der ebenfalls ganz aus Ziegeln erbaute Hauberg (Fig. 4) der Landschaft Eiderstedt (von Friesen und Holländern bewohnt), dessen schönstes Beispiel der Rote Hauberg im Kirchspiel Uelvesbüll ist. Er ist im Gegensatz zu allen andern eine Art Zentralbau; Wohnung, Stallung und Dreschdiele gruppieren sich um den Hauberg, tief senkt sich das gewaltige hohe Dach nach allen vier Seiten hinab. Der dritte, seltenere Typus in der Wiedingharde bei Tondern hat [T1I-Form; der Querteil enthält die Stallungen, der eine äussere Langbau ist Wohnung, der Rest Scheunen (nach Haupt). Das Angler Haus (Fig. 5 [Fachwerk]) ist äusserlich leicht kenntlich an dem originellen Dachschmuck, einer grossen Zahl von Dachreitern, gekreuzten Stäben, die den Dachfirst festigen; es ist in mancherlei dem friesischen ähnlich, hat aber auch viel Verwandtschaft mit der dänischen Art in Nordschleswig, die niederen Räume um einen viereckigen Hof zu gruppieren (nach Haupt). Zu den grossen Gruppen gesellen sich kleinere, ent- standen durch Anpassung an besondere Verhältnisse, durch örtlich beliebte Sonderausbildung einzelner Gebäudeteile, durch besonderen Schmuck u. dgl, Bei den Fischerhäusern, die noch wenig erforscht sind, ist die Grundform der Bauernhäuser stark geändert, da ein Hauptteil jener, Scheune und Stallung, bei ihnen nur ganz untergeordnete Bedeutung hat. Das Altonaer Museum, in dem eine schöne Sammlung der verschiedenen schleswig-holsteini- schen Bauernhaustypen im Entstehen begriffen ist, enthält u, a. ein interessantes Modell eines Blankeneser Fischerhauses und zwar eines Doppelhauses, in dem die grosse Diele des niedersächsischen Hauses stark verkürzt und den Berufsarbeiten, wie Netzestricken und -trocknen, dienstbar gemacht ist. Einen interessanten Hauseingang, ebenfalls die Abänderung eines Bauernhausmotivs, zeigt ein altes Fischerhaus in Ellerbek gegenüber Kiel (Fig. 6). Aehnliche Abänderungen zeigt das friesische Hallighaus, in dem der Ackerbau keine Rolle spielt, sondern nur Viehzucht und ein wenig Fischerei. In den Marschen kehrt das niedersächsische Haus ganz die grosse. Einfahrtsthür von der Strasse ab und den hinter dem Hause belegenen Ländereien zu; am klarsten sieht man das in den zu Hamburg gehörenden Vierlanden, Das Vierländer Haus ist auch das beste ostelbische Bei- spiel für die stellenweise beliebte Verzierung des Hauses durch verschiedene Ziegelmuster; eine besondere vierländische Haus- schmucktechnik scheint ein Sgraffito mit weissem, ausgekratztem, meist geometrischem Muster auf feurig rotem Grunde, zu. sein. Schöne Ziegelmuster finden sich ferner in Ostholstein, Lauen- burg, im Kreis Steinburg u. a., besonders schön zeigt solches auch, aber in ganz andrer Art, ein Seitengiebel des Ostenfelder Hauses in Husum. Einen besondern, schönen Schmuck schleswigscher Häuser bilden an romanische Vorbilder mah- nende Doppel- oder einfache Bögen über Thür und Fenster, manchmal vorspringend, weissgestrichene Blenden überdachend, hervorragend schön am Küsterhause in Koldenbüttel. Schnitzerei als Schmuck der Balken und der Knaggen unter den vor- springenden oberen Stockwerken finden wir in Süd- und Ost- holstein (z. B, Vierlanden und Propstei). Viel verbreitet ist das Heckschauer, ein freier Raum vor der grossen Thür zwischen zwei Vorbauten, über die das mächtige Strohdach tief herabgeht. Jener oben erwähnte Eller- beker Fischerhauseingang ist die Umbildung eines selchen, Statt der niedersächsischen Pferdeköpfe kommen auch Giebelstäbe vor, manchmal mit aufgesetzter Vase oder sehr hoher, reichgeschmückter Wetterfahne; gelegentlich hat man andrerseits die Reiter auf dem Dache des westholsteinischen Hauses als Pferdeköpfe ausgestaltet (nach Mitteilungen von Baurat C. Mühlke). Die Thüren, insbesondere die quergeteilten sog, »Blangen- dören« sind manchmal einfach aber ansprechend verziert, ge- schnitzt, schön beschlagen, farbig gestrichen, mit hübschem Oberlichtgitter versehen; bis- weilen. zeigt dies sogar figür- liche Darstellungen (Fig. 7). Auf der Geest finden wir natürlich zumeist das germa- nische Haufendorf; in Osthol- stein und Fehmarn aber auch das slavische Runddorf, In den Marschen stossen wir auf Reihendörfer, ‘in der Wilster- marsch u.a.auch auf Einzelhöfe, Das städtische Haus zeigt natürlich bei weitem nicht diese = T — Fig. 11, Hausthür in Friedrichstadt,