Bodo Rasch sen. Zu Frage 2: Forschung in der Architektur ist dringend nötig,sie ist bis- her nur in Anfängen vorhanden und muss nachdrücklich gefördert werden. Dabei meine ich eine Forschung mit den strengen Denkmethoden des Naturwissenschaftlers.Sie ist besonders vordringlich in bautechnischen Fragen,die das Wohlbefinden der Menschen in Bauwerken angehen. Auch in baukünstlerischen Fragen sollte geforscht werden, denn ich bin der Überzeugung, dass auch das Künstlerische in gewissem Umfang der Ratio zugänglich ist,d.h. dass man auch für die Ästhetik mindestens bei den Bauwerken für die täglichen Bedürfnisse der Menschen Regeln erarbei- ten kann, um gut und schlecht deutlicher als bisher zu unterscheiden, und um damit schlechte Architektur mit et- was mehr Erfolg als bisher zu vermeiden. Die Forschung in der Architektur sollte sich jedoch vor- dringlich der einwandfreien Erfüllung der Funktionen für die verschiedenen Gebäudearten, wie z.B. Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Büros und dergleichen zuwenden. Die Notwendigkeit einer solchen Forschung ist ganz ein- fach zu begründen .Die Zahlreichen Fehlleistungen der Architekten bei Bauwerken der letzten Jahrzehnte sind wahrhaftig Grund genug.Sie können nur durch das Erarbei- ten klarer und einwandfreier Erkenntnisse, also durch Wis- senschaftlichkeit in der Baukunst vermieden werden. Die Mittel für die Forschung in der Architektur können gar nicht hoch genug sein, wenn man an den möglichen Nutzen denkt.Die Methoden der Forschung in der Archi- tektur müssen erst entwickelt werden, wobei sehr zu em- pfehlen ist, dass in die Forschungsgruppen jeweils Natur- wissenschaftler und Ingenieure aufgenommen werden , wel- che das strenge fachliche Denken in ihren Wissenschaften gelernt und geübt haben und auf die Probleme der Archi- tektur übertragen können. architektur bedeutet baukunst. ihr gebiet ist der gestaltete raum-inhalt,z.b. die chereographisch zu bestimmenden funktionen, ferner der nach dieser funktion zu bemessende und zu gestaltende raum mit den konstruierten und geformten grenzen .drei verschiedene gebiete, funktion- raum- grenze, haben ihre eigenen gesetzlichkeiten.man zählt die architektur zu den künsten und scheidet den zuvor beschriebenen gehalt von allen ökonomischen und zweckgebundenen bauüberlegungen.eine bedeutende architektur kann selbstredend in vollkommener weise einen zweck erfüllen und in sehr ökonomischer weise entworfen und errichtet sein. letzteres bildet aber keinen masstab für den kunstwert umgekehrt kann ein nutzloses und kostbares bauwesen ein grosses werk der kunst sein, zum beispiel: barcelona-pavillon 1. die-funktion:der mensch schreitet und verweilt - kommt von bewegungszonen, von wegen, zu ruhezonen - zu plät- zen.er ändert jeweils seine richtung in der bewegung - und nimmt in der ruhe die vom künstler erdachte richtung ein - insgesamt eine choreographische gestaltung der funktionen. 2. der raum, in dem sich die funktion abspielt, ist beim bar- celona-pavillon ein horizontales räumliches volumen in rechteckform, in das die funktion in edelster weise ange- passt ist. 3. begrenzt wird dieses volumen.primär von boden- und deckenplatte.es entsteht eine in vertikaler richtung be- grenzte schicht, - nach allen seiten hin ist sie geöffnet. in horizontaler richtung sind winkel und wandscheiben aus verschiedenem material eingesetzt,die eine geräume- kette bilden, begrenzungen, mit denen die funktion be- festigt und bewertet ist. mies sprach bei diesem prinzip von "irrationalem raum" ‚in ähnlicher weise wird der künstlerische gehalt in den bauwerken des klassischen altertums, in kultstätten und alten stadtplätzen gefunden die seit je bestehende vierdimensionalität der baukunst entsteht durch den chereographischen gehalt der funk- tion:ein zeitmass,das ein schreitender mensch bestimmt ARCH + 1(1968)H1