Heide Berndt ZUM GESELLSCHAFTSBILD BEI STADTPLANERN Die folgenden Überlegungen zum Gesellschaftsbild bei Stadtplanern stellen die Entstehung meiner Diplomarbeit über das Gesellschaftsbild bei Stadtplanern dar,die ich im Sommer 1965 anfertigte. Diese Arbeit ist auf lebhafte- res Interesse gestossen, als ich vermutet hatte. Der Anlass zu dieser Zusammenfassung der methodischen Klärungen zum Gesellschaftsbild von Stadtplanern war eine Tagung der Studienstiftung des Deutschen Volkes vom 1.9.-5.9.1967 in Wolfsburg über "Probleme der Stadt- und Regionalplanung ",zu der ich gebeten worden war, über die Thesen meiner Diplomarbeit zu referieren. Der Ausgangspunkt für meine Beschäftigung mit stadtso- ziologischen Problemen war ein unklares, aber deutlich vorhandenes Gefühl von Unbehagen am Wohnungsbau nach 1945. Als Kind hatte ich mich bei den Sonntags- spaziergängen meiner Eltern durch die besseren Eigenheim- viertel des Taunusvorortes, in dem wir nach dem Krieg hängengeblieben waren, immer etwas gelangweilt - lie- ber wäre ich richtig im Wald spazierengegangen -, aber ich freute mich an den fachkundigen Bemerkungen meiner Eltern über diese Häuser und ihre Hoffnung, ihren wirt- schaftlichen Wiederaufstieg durch ein solches Symbol mar- kieren zu können. Aus diesem Grund hatten jene Einfa- milienhausweiden (Mitscherlich) durchaus auch etwas An- genehmes und Schönes für mich. Später, als ich allein die Ortschaft und Umgebung unseres Nachkriegswohn- sitzes erforschte, entdeckte ich, wie rund um die große Fabrik Siedlungsblocks, Doppelhäuschen entstanden, die nichts von der sauberen Wohlhabenheit der Einfamilien- häuser hatten, die meine Eltern bewunderten, sondern die schlichtweg eine Verschandelung der schönen Taunus- landschaft darstellten. Nach meiner Ansicht hätte man so viele Häuser gar nicht erst bauen sollen; ich sah überhaupt nicht ein, weswegen alle die Neubauten entstanden und fand den Wald, die bloße Natur und was immer ich darun- ter verstand, von vornherein schöner als Gebautes. Im Grunde war es eine ziemlich menschenfeindliche Haltung, die ich aus meinem Widerwillen gegen die Arbeitersied- lungen entwickelte; ich begriff noch nicht, daß meine Naturliebe eine ganz unangemessene und gefühlvoll hilf- lose Reaktion auf den unaufhaltsamen und weitreichenden Verstädterungsprozess war. Zunächst hatte ich die feste Vorstellung, daß der Wohnungsbau durch "Beigaben von Natur" verschönert werden könnte. Schließlich waren auch die Einfamilienhäuser, mit denen sich unsere Fami- lie so sehr identifizierte, von freundlichem Grün umge- ben. Das war meine Vorstellung davon, daß etwas unbe- dingt "anders" sein müsse im Wohnungsbau. Diesen Wunsch nach "etwas anderem' im Städtebau habe ich nie aufge- geben; aber ich habe ihn selbst anders formulieren müssen, als ich mehr über dieses Gebiet lernte. Ich wählte schließlich als soziologische Arbeit ein Thema aus der Stadtsoziologie, weil ich hoffte, daß man mit soziologischen Methoden die Frage des zukünftigen Stadt- bildes genauer umreißen könnte. Zuerst glaubte ich, daß man eine soziologische Bestimmung für maximale Stadt- größe finden müsse; denn das Übel des modernen Städte- baus schien mir allein darin zu liegen, daß die bestehen- den Städte zu groß waren und daß die weitere Vergröße- rung der Städte das Übel vergrößere. Erst als ich einen Blick in die Literatur tat, von E. Howard angefangen, bis zu Martin Wagner und Joseph Wolff, begriff ich,daß sich das Problem des verfehlten Städtebaus gar nicht unmittel- bar technisch, d.h. mit quantitativen Größen erklären läßt. Während ich den naiven Glauben gehegt hatte, daß mir in den Fachbüchern und -zeitschriften rein fachlich orientierte Informationen zuteil würden, machte ich beim Lesen die Erfahrung, daß ich statt dessen mit allerlei Wertvorstellungen über die ideale Stadtform - meist Nicht-Stadtform - konfrontiert wurde. Es setzte mich in Erstaunen, daß auch die Fachleute ihr Gefühl von Unbe- hagen an den heutigen Stadtentwicklungen nicht viel bes- ser auszudrücken wußten, wie ich selber. Dabei fiel mir die Gruppe von Fachleuten besonders auf, Sie waren in ihren Normvorstellungen über die richtige Stadtbauform am offensten und auch prözisesten. Sie spra- chen von einem Leitbild; das leiteten sie ausdrücklich aus einer bestimmten Weltanschauung oder Parteipräferenz ab. Ich nenne als Beispiel den damaligen Wohnungsbauminister heutiger Innenminister Paul Lücke. Besonders die politisch eher konservativ gebundenen Stadt- und Regionalplaner verknüpfen ihre Weltvorstellungen von Städtebau sehr fest mit ihren übrigen Anschauungen Uber das gesellschaft- liche Zusammenleben der Menschen. Dies gab mir den Schlüssel zu der Analyse der Wertvorstellungen, die im Städtebau bewußt eine Rolle spielen: ich muß das Ge- ARCH + 1(1968)H3