EINFLUSS DES INDUSTRIALISIERTEN BAUENS AUF DIE ARCHITEKTURSTUDIENPLÄNE IN USA UND CANADA Seminar des American Institute of Architects und American Collegiate Schools of Architecture, Montreal, Ein fünftägiges Seminar, vom amerikanischen Architekten- verband und der Vereinigung der amerikanischen Architek- turschulen im Juni 1968 gemeinsam durchgeführt, behan- delte Themen des Industrialisierten Bauens. Interessierte Architekturprofessoren von mehr als 60 Universitäten der Vereinigten Staaten und Canadas nahmen teil. Das Tref- fen fand statt auf dem Campus der Universit& de Montreal Merkwürdigerweise sandten weder die Architekturschule der Harvard University noch die der Columbia University Teilnehmer zu der Tagung. Die meisten Vertreter der verschiedenen Architekturschu- len sahen in der Industrialisierung des Bauens eine unaus- weichliche soziale Notwendigkeit und möchten ihre Lehr- pläne in dieser Hinsicht verbessert wissen, damit Architek- ten in naher Zukunft auch in den bauprozeßbezogenen Be- reichen verantwortliche Entscheidungen fällen können. Der Bauprozeß wurde jedoch keineswegs auf das technische Verfahren oder die Baumethode allein beschränkt verstan- den. Man erkannte einigermaßen klar als wesentliche Teil- ursache der gegenwärtigen Umwelt-Misere die mangelnde Befähigung der Architekten, sich wirksam und nachhaltig bei der Lösung von Problemen einschalten zu können, die über die rein technischen Aspekte des Bauens hinaus- gehen. Zum Beispiel ist die Wohnungskrise nicht nur auf technologische Mängel zurückzuführen, sondern wesent- lich auch auf: juristische Mängel (veraltetes Bodenrecht veraltete Bauvorschriften etc.), auf politische Fehlent- scheidungen, auf unzureichende Finanzierungsmethoden, auf das Fehlen übergeordneter Rahmenpläne, auf unwirk- same Managementtechniken und auf ungenügende Kon- trollierbarkeit der komplexen bau- und umweltbezogenen Teilentscheidungen. Die Mehrheit der Delegierten war sich einig, daß die zukUnftigen Architekturlehrpläne auf ein besseres Ver- stehen von Prozessen (politisch-sozial-wirtschaft lich-technisch-wissenschaftlich-funktional) ausgerichtet werden sollten. Nur durch die bewußte Einflußnahme in die vielfältigen Randgebiete des Bauens wird der Archi- tekt auf die Dauer zu einer wirksamen Umweltkontrolle fähig sein. Aus diesem Grund wurden auch multidiszi- plinäre Studienprojekte an Architekturschulen lebhaft befürwortet. Die Ausbildungsstätten für Architekten sollten möglichst bald ihre Lehrpläne kritisch überprüfen und auf die heutigen und prognostizierbaren, ständig im Wandel begriffenen Bedürfnisse ausrichten. Nur unter dieser Voraussetzung werden sie in der Lage sein, Archi- tekten auszubilden, die aufgrund ihrer umfassenden Einsichten in den Bauprozeß befähigt sind, in diesen ver- bessernd einzugreifen. Sorgfältig geplant und konsequent durchgeführt, könnte dies dem Architektenberuf auf dem nordamerikanischen Kontinent die so oft zitierte verloren- gegangene Führungsrolle in der Umweltgestaltung zurück - geben. Als Referenten der Tagung sprachen: Moshe Safdie ‚Montreal, Quebec, über projek- tierte Betonraumzellen-Strukturen mit hoher Wohndichte in Washington D.C. und Puerto Rico; Joseph Sherman , Vizepräsident der CONRAD Construction Research and Development Corporation, Washinaton D.C. übe r ein mehrgeschossiges Test-Wohnge- bäude unter der Verwendung, von dünnwandigen Beton- Raumabschnitten aus Chemstress-Beton in Richmond, Kali- fornien (Bausystem der Firma Stressed Structures); Frank Matzke ‚, Deputy Director des State Uni - versity Construction Fund, Albany, N.Y., über Nutzungs- kriterien des Bauprogramms seiner Regierungsstelle (1200 Projekte, 3,2 Milliarden Dollars); John Eberhard„ derzeitiger Dekan einer neuen, noch in Planung begriffenen School of Design in Buffalo N.Y., ehemaliger Direktor des Institute for Applied Tech- nology, National Bureau of Standards, Washington D.C., über die Schwierigkeit, in unserer sich rasch ändernden Umwelt sozial verantwortliche Designentscheidung en zu treffen; John White , als ehemaliger Vizepräsident von In- land Steel, verantwortlich für das kalifornische SCSD School Construction System Development - Projekt Mil waukee, Wisconsin, über die Rolle der Großkonzerne für die Weiterentwicklung der Bautechnik; Roland Wilson, Architekt in der Produktenent- wicklung der Zivilflugzeugahteilung der Boing Company, Re nton, Washington, Uber das potentielle Interesse einer hochentwickelten Flugzeugindustrie am künftigen Bau- markt (Wohnungsbau, Schulen, Sportanlagen); Colin Davidson ‚ bis vor kurzem Direktor der Forschungs- und Entwicklungsgruppe für Bauindustrialisie rung an der Washington University, St. Louis, Missouri, jetzt Professor an der Universit& de Montreal, Quebec, über die variable Rolle des Architekten im Bauteam; Eric Dluhosch , Dozent am California Polytech nic College, San Luis Obispo, California (außerplan mäßig) über den aktuellen Stand der Bausystementwicklung in den osteuropäischen Ländern; Gunter Schmitz ‚, derzeitig Associate Director des Research and Graduate ‘Center, School of Architecture Texas A & M University, über neu entwickelte Bau und Ausbausysteme im Hospitalbereich, sowie - in einer de- taillierten Darstellung, durch jüngste Entwicklungen in der deutschen Kulturpolitik zusätzlich aktualisiert Über Ausbildung, Forschung und Entwicklung in Industriali- siertem Bauen an der Ulmer Ho chschule für Gestaltung; Bernard Weissbourd„‚ Präsident der Bauge- sellschaft Metropolitan Structures Inc., Chicago, Illinois, über die Chancen der Industrialisierung von Großbauvor- haben aus der Sicht seiner privaten Organisation; Terry Collison ‚Stadtplaner der Community Development Division, General Electric, über System- planung bei Siedlungs Neugründungen; Horst Rittel, Operations Researcher des College of Environmental Design, University of California, Berkeley, über divergierende Zielvorstellungen und Mo- delle bei der ökonomischen Optimierung von Bauvorhaben; Neil Harper , Associate Partner von Skidmore, Owings and Merril, Chicago, Illinois, über die Anwen- duna von Computern beim Entwurf von Bürohochhäusern. Die Referate und Diskussionsergebnisse des Seminars, die sowohl progressive als auch konservative Meinungen über Industrialisiertes Bauen , sowohl eine mehr ganzheit- liche Sicht des Problems als auch Teilaspekte verdeutli- chen, werden von Prof. Kenneth Frampton, School of Architecture, Princeton University, Princeton N.J. in Form eines ausführlichen Berichtes zusammengefaßt . Gunter Schmitz ARCH + 1(1968) H.4