die Arbeiterbewegung, nachdem sie in den politischen Kämpfen zu der Einsicht der Notwendigkeit der Re- volution und des Aufbaus einer revolutionären Organi- sation gelangt sei, den Kampf um Reformen in ein- zelnen Bereichen, so auch im Bereich des Städtebaus, gering geachtet habe. "Der Akzent liegt jetzt auf dem zentralen politischen Problem von Besitz und Herrschaft, dessen Lösung als Voraussetzung für jede Veränderung in der Situa- tion der Arbeiter gilt. Jede Teilreform, die innerhalb des kapitalistischen Systems vorgenommen wird, führt zur Verfestigung dieses Systems und ist deshalb als unwirksam zu betrachten. "2) Es käme heute darauf an, die bis auf den heutigen Tag bestehende Kluft zwischen der Stadtplanung und der Politik der Linken wieder zu schließen: "Die Forderungen der modernen Wissenschaft vom Städtebau lassen sich nämlich nur verwirklichen, wenn sie wieder den Kontakt zu denjenigen politischen Kräf- ten finden, die es auf eine entsprechende Veränderung der gesamten Gesellschaft abgesehen haben. 3) Was in der ersten der beiden wiedergegebenen Passa- gen zum Ausdruck kommt, ist der Vorwurf des linken Radikalismus. Daß dieser die Linke in ihrem Kampf immer wieder zurückgeworfen hat, und daß er auch heute noch keineswegs restlos überwunden ist, sei un- bestritten; ihn aber, wie Benevolo es tut, Marx und Engels, oder gar dem Marxismus insgesamt anzulasten, das zeugt von mangelndem Studium der marxistischen Theorie und Praxis. War es doch gerade Marx (und später Lenin), der den linken Radikalismus aufs ener- gischste bekämpft hat. Was Marx’ tatsächliche Ein- schätzung von Utopien und Reformen bzw. Reform- kämpfen betrifft, so sei jedem geraten, die Schriften kann nicht überschätzt werden.!'4) Und weiter unten fährt Marx fort: "Um die arbeitenden Massen zu befreien, bedarf das Kooperativsystem der Entwicklung auf nationaler Stu- fenleiter und der Fórderung durch nationale Mittel. Aber die Herren von Grund und Boden und die Herren vom Kapital werden ihre politischen Privilegien stets gebrauchen zur Verteidigung und zur Verewigung ihrer Oókonomischen Monopole. Statt die Emanzipation der Arbeit zu fórdern, werden sie fortfahren, ihr jedes mógliche Hindernis in den Weg zu legen... Politische Macht zu erobern ist daher jetzt die große Pflicht der Arbeiterklassen 5) Die Beschränktheit der Utopisten hervorzuheben, näm- lich, daß sie zwar die Gegensätze zwischen den Klassen sehen, auf der Seite des Proletariats aber kein sich entwickelndes Moment der Selbständigkeit erblicken, daß sie also die Gegensätze nicht in ihrer dialektischen Entwicklung, nicht als Widersprüche sehen, und daß sie deshalb glauben, den Kampf individualistisch führen zu müssen - womit sie scheitern, denn die Ursache des Elends des Proletariats liegt nicht im Verhalten ein- zelner Kapitalisten, sondern in der kapitalistischen Produktionsweise bzw. in der Existenz der diese Pro- duktionsweise verteidigenden Klasse - diese Beschränkt- heit hervorzuheben, heißt nicht, der Entwicklung und partiellen Verwirklichung von Utopien jeglichen Wert abzusprechen. Sie spielen eine wichtige Rolle, solange der Klassenkampf auf der Seite des Proletariats wenig entfaltet ist. Noch schärfer wendet sich Marx in seiner Schrift: "Der politische Indifferentismus"?) gegen den linken Radi- kalismus in seiner anarchistischen Ausprügung, gegen jene ’ Doktoren der Sozialwissenschaít', die der Ar- von Marx und Engels, auf die Benevolo sich bezieht, nämlich das Kommunistische Manifest und Marx’ In- auguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation, selbst zu studieren. Marx und Engels gehen darin ex- plizit auf diese Frage ein. Wir wollen hier nur die wichtigsten Sätze zitieren: "Die Zehnstundenbill war daher nicht bloß eine große praktische Errungenschaft, sie war der Sieg eines Prinzips. Zum erstenmal erlag die politische Okonomie der Mittelklasse in hellem Tageslicht vor der politi- schen Ökonomie der Arbeiterklasse. Ein noch größerer Sieg der politischen Ökonomie der Arbeit über die politische Ökonomie des Kapitals stand bevor. Wir sprechen von der Kooperativbewegung, namentlich den Kooperativfabriken, diesem Werk weniger kühnen "Hände'' (hands). Der Wert dieser großen Experimente ARCH- 15 (1971-3) beiterklasse mit dem Fetisch der Prinzipienreinheit den Kampf um Konzessionen und damit das Eingehen von Kompromissen verweigern wollen, und nicht begreifen, daß die Arbeiterklasse notwendigerweise ihre realen Kampfmittel der heutigen Gesellschaft entnehmen muß. Die Einsicht der Notwendigkeit der Revolution und das revolutionäre Bewußtsein muß sich mit der Entwicklung von Utopien und dem Reformkampf, also dem Versuch, (quantitative) Verbesserungen im Rahmen der bestehen- den Gesellschaftsformation zu erringen, erst entwik- keln. Dabei ist auch die Revolution nicht als eine ein- malige, in einem Sprung "alle Staaten und alle Kirchen nebst allen ihren religiösen, politischen, juristischen, 70