Abfoige der Kategorien der allgemeine Begriff des Kapitals entwickelt worden, so geht es jetzt um die notwendige Feststellung, daß die wirkliche Geschichte selbst, bevor sie als eine Selbstbewegung des Kapitals beschrieben wer- den kann, erst bestimmte Grundbedingungen, Grund- komponenten des Kapitalverhältnisses hervorbringen muß. Oder anders ausgedrückt: Es ist die Frage zu klären, wie der offensichtliche Zirkel, daß kapitalistische Akku- mulation die Produktion von Mehrwert, Mehrwertpro- duktion wiederum Akkumulation zur Voraussetzung hat, einmal seinen Anfang hat nehmen können. „... Sobald das Kapital als solches geworden ist, schafft es seine eigenen Voraussetzungen, nämlich den Besitz der realen Bedingungen für die Schöpfung von Neuwerten ohne Austausch — durch seinen eigenen Produk- tionsprozeiß. Diese Voraussetzungen, die ursprünglich als Bedingungen seines Werdens erschienen — und daher noch nicht von seiner Aktion als Kapital entspringen konnten — erscheinen jetzt als Resultate seiner eigenen Verwirkli- chung, Wirklichkeit, als gesetzt von ihm, nicht als Bedin- gungen seines Entstehens, sondern als Resultate seines Daseins. ... Die Bedingungen daher, die der Schöpfung des Surpluskapital I vorausgingen, oder die das Werden des Kapitals ausdrücken, fallen nicht in die Sphäre der Produktionsweise, der das Kapital als Voraussetzung dient; liegen als historische Vorstufen seines Werdens hin- terihm.. ”5) Das Kapital ist also fähig, einmal geworden, die Grundbe- dingungen seiner Existenz stets neu zu schaffen. Dies heißt aber, daß es die Bedingungen, unter denen es ge- worden ist, nicht in gleicher Weise selbst schaffen konnte. „Diese ganze Bewegung (der kapitalistischen Akkumula- tion, d. Verf.) scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehen, aus dem wir nur herauskom- men, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende, ‚ursprüngliche’ Akkumulation (‚previous accumulation’ bei Adam Smith) unterstellen, eine Akku- mulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist. sondern ihr Ausgangspunkt.” 6) Adam Smith, für den die kapitalistische Gesellschaft in erster Linie arbeitsteilige Gesellschaft ist, der Kapital da- her nur in seiner Eigenschaft als gegenständliche Elemente des Arbeitsprozesses (Arbeitsmittel, Rohstoffe, Hilfs- stoffe) begreift, verlegt die ursprüngliche Akkumulation in die idyllische Periode des Urfischers, Urjägers oder — verblüffender Anachronismus — in die Periode des Ur- webers: „A weaver cannot apply himself entirely to his peculiar business, unless there is beforehand stored up some- where, either in his own possession or in that of some other person, a stock sufficient to maintain him, and to supply him with the materials and tools of his work. till 5) Grundrisse, a. a. O., S. 364 6) MEW223., a.a.0., 5.741. he has not only completed, but sold his web. This accu- mulation must, evidently, be previous to his applying his industry for so long a time to such a peculiar business.” 7) Doch nicht nur, daß nicht schon jede aufgestockte Menge Lebensmittel Kapital ist, auch „Geld und Ware sind nicht von vornherein Kapital . . . sie bedürfen der Verwandlung in Kapital.” 8) Die unerläßlichen Bedingungen, die vorhanden sein müs- sen, bevor sich Geld in Kapital verwandeln kann, sind folgende: „Zweierlei sehr verschiedene Sorten von Wa- renpesitzern mussen sıch gegenüber und in Kontakt tre- ten, einerseits Eigner yon Geld, Produktions- und Lebens- mitteln, denen es gilt, die von ihnen geeignete Wertsumme zu verwerten durch Ankauf fremder Arbeitskraft; anderer- seits freie Arbeiter, Verkäufer der eignen Arbeitskraft und daher Verkäufer von Arbeit.” 9) „Das Kapitalverhältnis kann also nur entstehen, wenn dem Käufer der Arbeitskraft die von ihm erworbene Ware bloß als Mittel dazu dient, die in seinem Besitz befindlichen Werte zu erhalten und zu vermehren. Zu diesem Behufe muß aber der Arbeiter nicht nur persönlich frei sein; er muß auch in die Lage gebracht werden, wo es ihm nicht mehr möglich ist, von ihm selbst erzeugte Produkte auszu- tauschen, und wo die einzige Ware, die er anbieten kann, seine eigene Arbeitskraft ist ... Der Eigentümer der Ar- beitskraft muß also besitzloser Proletarier sein.” 10) Obwohl Smith und Marx das gleiche Problem behandeln. daß nämlich erst einmal gewisse Bedingungen geschaffen sein müssen, bevor Kapital und Arbeit in Beziehung tre- ten können. geben beide ganz verschiedene Antworten. Für Smith, der die bürgerliche Produktionsweise als ewige, „natürliche” Form des menschlichen Stoffwechsels mit der Natur begreift, ist deshalb der Moment der „previous accumulation” verlegt in die graue Vorzeit, er betrachtet sie losgelöst von ihrer bestimmten historischen Form. Marx dagegen, dessen Darstellung der Kritik der Politi- schen Ökonomie zum wesentlichen Teil darin besteht, den historischen Formcharakter der spezifischen Produk- tionsweise, die die „bürgerliche” heißt, zu analysieren, faßt daher das Problem viel bestimmter: „Der Prozeß, der das Kapitalverhältnis schafft, kann also nichts andres sein als der Scheidungsprozeß des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozeß, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produk- tionsmittel in Kapital verwandelt, andrerseits die unmit- telbaren Produzenten in Lohnarbeiter. Die sog. ursprüng 7) Adam Smith, The Wealth of Nations, Book I - Il, Harmons- worth 1970, S. 371. MEW 23, a.a.O., S. 742. a.a.O., S. 742. R. Rosdolski, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ..Kapital‘‘, Frankfurt 1968,S. 320 8) 9) 10) 2%