terstellt, daß das Kapital Besitz ergriffen hat von allen Sphären der Produktion, einschließlich der Agrikultur, und daß folglich nirgends eine Schranke für die Anlage von Kapital bestehe, Daraus folgt, daß die Grundrente als eine besondere Form des Mehrwerts überhaupt nicht existieren kann. Der Agrikulturkapitalist, also der Pächter, ist ein Kapitalist wie jeder andre auch. Er macht, wie jede andere Branche der Produktion, seinen durchschnittlichen Profit. Er verkauft, wie jede andere Branche auch, seine Produkte zu ihrem Wert, Die Frage, die sich dem Ökono- men stellt, ist nun die folgende: Wie ist es möglich, daß die Produktion in der Landwirtschaft allem Augenschein und aller täglichen Erfahrung nach außer dem Durch- schnittsprofit für den Pächter noch für den Eigentümer des Bodens eine Rente zahlt? Beides ist empirisch der Fall: denn wenn der Pächter nicht den allgemeinen Durch- schnittsprofit erzielen würde, dann wäre für ihn die Anlage seines Kapitals nicht rentabel, er würde es schleunigst aus der Agrikultur abziehen und woanders, etwa in der Indu- strie, anlegen. Ebenso klar ist aber auch, daß der Eigentü- mer trotzdem noch seine Rente erhält. Noch Adam Smith hudelte über dieses Problem hinweg, in- dem.er mystifizierte: die Grundeigentümer seien quasi Agenten der Mutter Natur, und die Natur sei infolge ihrer Fruchtbarkeit Quelle von Wert, daher gebühre ihr, resp. dem Grundeigentümer, sein Anteil. Ricardo aber, der ganz konsequent an der Bestimmung des Werts durch die Ar- beitszeit festhält, muß diese „Lösung” (den Rückfall in die Physiokratie) ablehnen. Wie löst Ricardo auf der Grund: lage der Bestimmung des Werts durch die Arbeitskraft nun das Problem der Grundrente? Zunächst muß er folgerichtig die Existenz der Rente als be- sonderer Form des Mehrwerts leugnen. „Normalerweise” also zahlt das vom Pächter in den Boden investierte Kapi- tal nichts als den Durchschnittsprofit. Wir nennen diesen Fall hypothetisch „Boden I”. Jetzt, sagt Ricardo, tritt fol- gender Fall ein: Aufgrund verschiedener Umstände steige die Nachfrage nach Lebensmitteln. Der bisher bebaute Bo- den I reicht nicht mehr aus, um diese erhöhte Nachfrage zu befriedigen. Also wird die Produktion aufgenommen auf bisher unbebautem (schlechterem) Boden: Boden II. Dieser Boden, weil unfruchtbarer, erfordert zur Herstellung einer gleichen Menge von Ackerbauprodukten ungleich mehr Arbeitszeit, d. h. folglich: in den Produkten von Boden II steckt mehr Wert als in den Produkten von Boden I. Unter „normalen” Bedingungen der kapitalistischen Konkurrenz nun, sagt Ricardo, würde die Konkurrenz bewirken, daß die Wertunterschiede in den Produkten, je nachdem sie unter Bedingungen höherer oder niedrigerer Produktivität der Arbeit erzeugt werden, sich im Preis ausgleichen, so daß der Kapitalist mit geringerer Produktivität sich mit geringerem Profit zufriedengeben muß, da er die Ware un- ter ihrem individuellen Wert loszuschlagen gezwungen ist. Dies ist aber nicht der Fall, was die Agrikultur betrifft. Da die Nachfrage ja erst die Inbetriebnahme des schlechteren Bodens hervorgerufen hat, kann der Pächter des schlech- testen Bodens allemal davon ausgehen, daß seine Produkte auch abgenommen werden. wenn er sie zu ihrem individu- ellen Wert verkauft. Dies schließt für den Pächter des Bo- dens II den gewöhnlichen Profit ein, allerdings nicht eine Rente für den Eigentümer des Bodens. Für den Pächter des besseren Bodens I ergibt sich allerdings daraus, daß der Preis der Agrikulturprodukte bestimmt ist durch den Wert der Produkte des schlechteren Bodens II, ein Surplus- profit. Denn er verkauft ja seine Produkte, die auf besserem Boden mit weniger Arbeit erzeugt werden, daher geringeren Wert besitzen, deshalb noch lange nicht zu die- sem ihrem geringeren Wert, sondern zu dem höheren Preis, der bestimmt wird durch den Wert der Produkte des Bo- dens II. Diesen Surplusprofit nun kann der Pächter des Bodens I als Rente abführen an den Grundeigentümer. Mit anderen Worten: Ricardo hat, auf der Grundlage der Bestimmung des Wertes durch die Arbeitszeit, die Rente, eine em- pirisch vorfindbare, zur selbstverständlichen Existenz er- starrten Form des gesellschaftlichen Reichtums, ökono- misch-wissenschaftlich erklärt als Surplusprofit, ihr damit den Schein als Gabe der Natur oder sonstwelcher mystischer Quellen entstammend, genommen. Ricardo hat somit als einzige Form der Rente die Dif- ferentialrente anerkannt, d.h. den Surplusprofit, den der bessere Boden gegenüber dem schlechtesten ab- wirft. Die absolute Grundrente, also den Fall, daß auch der schlechteste Boden Rente für seinen Eigentümer abwirft, mußte er konsequenterweise als nicht existierend behaupten, gegen alle Erfahrung. Erst Marx weist dann gegenüber Ricardo nach, daß auch die Existenz einer absoluten Grundrente auf der Basis der Geltung des Wertgesetzes möglich ist, ohne zu der Vorstel- lung zu flüchten, daß die Waren über ihrem Wert ver- kauft werden müßten, um als Produkte des schlechtesten Bodens Grundrente zahlen zu können. 3. ABSCHNITT DAS GRUNDEIGENTUM UND DIE GRUND- RENTE IN DER ENTWICKELTEN BÜRGER- LICHEN PRODUKTIONSWEISE (NACH DER ANALYSE VON K. MARX IM 3. BAND DES “KAPITAL“) Bereits bei Ricardo zeigte sich, wie die volle Entfaltung der bürgerlichen Produktionsweise das Grundeigentum an den Rand des Produktionsprozesses verweist, der al- lein und wesentlich vom Kapital bestimmt wird. Von daher ist es begreiflich, daß Marx die Grundrente im dritten Band des „Kapital”” behandelt, denn der dritte Band stellt im Unterschied zum ersten, der den Begriff , den inneren Zusammenhang des Kapitals zum Gegen- stand hat, dessen empirische Oberfläche dar. Oder, wie J. Zeleny es formuliert: „Wenn wir den Gesamtaufbau unter dem Gesichtspunkt der Beziehung von Erscheinung und Wesen untersuchen, dann können wir sagen, daß die spiralförmigen Analysen der Erscheinung und des Wesens des ersten Bandes ganz und gar auf die Reproduktion des