Statt aber den Preis der Waren zu senken, erhöht diese ge- steigerte Produktivkraft den Profit, weil das Kapital natür- liche wie gesellschaftliche Produktivkräfte als seine eigenen betrachtet. Da diese „natürlichen” Produktivkräfte aber nicht allem Kapital gleichermaßen zugänglich sind, wird sich der daraus entsprungene Surplusprofit nicht in glei- cher Weise ausgleichen wie jener, dem die Tätigkeit des Kapitals zugrunde liegt. Er kann sich fixieren, da er nicht aus dem Kapital entspringt, sondern aus der Anwendung einer monopolisierbaren und monopolisierten Naturkraft durch das Kapital. Der Surplusprofit wird daher nicht als Ergebnis des Kapitals, sondern als Ergebnis der Anwendung einer Naturkraft betrachtet. Falls der Eigentümer der Na- turkraft nicht mit ihrem Anwender identisch ist, wird des- halb der Eigentümer den Surplusprofit für sich beanspru- chen. „Das Grundeigentum schafft also nicht den Wertteil der sich in Surplusprofit verwandelt, sondern es befähigt nur den Grundeigentümer, den Eigentümer des Wasser- falls, diesen Surplusprofit aus der Tasche des Fabrikan- ten in seine eigene zu locken. Es ist die Ursache, nicht der Schöpfung dieses Surplusprofits, sondern seiner Ver- wandlung in die Form der Grundrente, daher die Aneig- nung dieses Teils des Profits, resp. des Warenpreises, durch den Grund- und Wasserfallseigentümer.” 55) Sobald der Surplusprofit als Rente jährlich abgefangen wird, kann er aufgefaßt werden als Profit auf ein Kapi- tal bestimmter Größe, das sich in der Naturkraft verkör- pert. Der kapitalisierte Profit erscheint dann als Kapital- wert der Naturkraft selbst. Damit bekommt diese an sich wertlose, da ohne Arbeit vorhandene Naturkraft einen Preis, ganz so, als ob sie Wert hätte. In Wirklich- keit ist daher „dieser Pres des Wasserfalls überhaupt ein irrationeller Ausdruck, hinter dem sich ein reelles öko- nomisches Verhältnis versteckt.” 56) Der entwickelte allgemeine Begriff der Differentialrente zeigt: Die Differentialrente ist ein Surplusprofit und als solcher nichts weiter als eine Differenz zwischen dem individuellen und dem allgemeinen, gesellschaftlich durchschnittlichen Produktionspreis. Solche Differenzen sind der bürgerlichen Produktionsweise nichts Fremdes, sie sind im Gegenteil die Regel. Während sie im allgemei- nen auf Bedingungen beruhen, die ihren Ausgleich zu einem niedrigeren durchschnittlichen Produktionspreis ermöglichen und durch die Konkurrenz auch erzwingen, können besondere Bedingungen wie Naturkräfte diesen Ausgleich verhindern. Auf jeden Fall aber sind Ent- stehung und Bewegung dieser Surplusprofite unabhän- gig von der Existenz oder Nichtexistenz des Grundeigen- tums. Folgerichtig behandelt Marx die Differentialrente als den eigentlichen , den allgemeinen Fall der Grund- rente in der bürgerlichen Produktionsweise. Im folgenden werden ihre Formen in der Agrikultur entwickelt, 55) aa.a.0., 5. 660. 56) a.a.0., 5. 660. Die erste Form der Differentialrente (Differentialrente I) Die Agrikultur ist der Zweig der Wirtschaft, in dem das Rentenproblem zuerst und vorrangig auftaucht, denn die landwirtschaftliche Produktion ist als ganze an die Benutzung einer Naturkraft, der natürlichen Fruchtbar- keit des Bodens, gebunden, der sich fast immer im Ei- gentum einzelner Grundbesitzer befindet. Unter entwik- kelten kapitalistischen Verhältnissen bewirtschaften die Eigentümer ihr Land nicht selbst, sondern verpachten die Produktionsbedingung Boden an einen Agrarkapi- talisten. Vor dem Hintergrund dieser Verhältnisse werden nun die Formen und die Bewegung der Differentialrente in der Landwirtschaft betrachtet. Wir lassen hier jedoch Besonderheiten, die nur für die Agrikultur bedeutsam sind, weitgehend unbeachtet, und beschränken uns auf die allgemeinen Kennzeichen der Rentenformen, soweit sie in der Agrikultur beispielhaft hervortreten. Die Über- tragung der Rentenkategorien auf andere Sphären der Kapitalanlage soll in diesem Zusammenhang allerdings noch nicht geleistet werden. Aus dem allgemeinen Begriff der Differentialrente ist bekannt, daß sie die Verwandlung eines Surplusprofits darstellt. Für die agrikole Produktion formuliert daher Marx in Fortführung Ricardos: „Surplusprofit, wenn normal und nicht durch zufällige Begebenheiten im Zir- kulationsprozeß erzeugt, wird immer produziert als Dif- ferenz zwischen dem Produkt von zwei gleichen Mengen Kapital und Arbeit, und dieser Surplusprofit verwandelt sich in Bodenrente, wenn zwei gleiche Mengen Kapital und Arbeit auf gleichen Bodenflächen mit ungleichen Re sultaten beschäftigt werden.” 57) Ungleiche Ergebnisse können zweierlei Ursachen haben: Einmal verschieden günstige Lage, zum andern unterschied- liche Fruchtbarkeit der Ländereien. (Die Lagegunst ist für den Bauboden das entscheidende; ihre Besonderheiten gegenüber der Fruchtbarkeit ändern zwar am Gesetz der Differentialrente nicht das geringste, können aber die Höhe der Rente und ihre Bewegung unterschiedlich be- einflussen. Verwiesen sei hier zum Beispiel auf die unter- schiedliche künstliche Veränderbarkeit von Bodengüte und Lagegunst.) In der Agrikultur spielt naturgemäß die Frucht- barkeit des Bodens die Hauptrolle. Sie liegt daher der Marx- schen Analvse ausschließlich zugrunde. Angenommen, es sei in einem Lande nur Boden von glei- cher Qualität bebaut bei gegebener Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit, so gäbe es keine Differential- rente. Die Produktionskosten wären überall gleich, die Möglichkeit eines Surplusprofits nicht gegeben. Die Nach- frage nach Bodenprodukten möge nun soweit steigen, daß neuer Boden. nun von schlechterer Qualität als der 57) a.a.O., 5. 662.