‚etroffenen nicht zur Akklamation herbeizi- .jeren, sondern muß zu ihnen hingehen, und zwar kontinuierlich, von Anfang an. ® Der Bezug zum Bezirk Kreuzberg. Bestä- tigt wurde mit der „Bürgeranhörung“ nicht nur, daß das ganze praktizierte Verfahren keinen wirklichen Platz für Bürgerbeteiligung bietet (und daß die teilnehmenden Architek- ten erst lernen müssen, ihre Arbeiten mit der sozialen Realität zu vermitteln), sondern auch, daß der Bezirk Kreuzberg mit dem gesamten Prozeß und insbesondere mit der Berücksichtigung der Infrastrukturanfor- derungen nicht so ganz glücklich ist. „Die Planungen der IBA“, so der (auf Vorschlag der Alternativen Liste gewählte) Kreuzberger Baustadtrat Orlowsky, „haben zu spät das Licht der Öffentlichkeit erblickt“. Dagegen stehen die Baugesellschaften „schon auf der Matte“ und versuchen, bei der IBA „mitzumi- schen“. Der Bezirk will „retten“, was zu retten ist“, und plant Bauherren- bzw. Bauträger- wettbewerbe auf kleinen Parzellen (Ziel: Kostenminderung und OQualitätsverbes- serung, vertraglich festgelegte Mietermitbe- stimmung bei der Nutzung). Fazit der bisherigen Überlegungen (die sich auch auf andere Aspekte - Seniorenwohnhäu- ser, halböffentliche Freibereiche usw. ausdeh- nen lassen): Der praktizierte Typ des Wettbewerbsverfahrens ist ungeeignet für die Aufgaben der Stadtreparatur. Ohne präzise Kenntnisse der aktuellen Situation vor Ort und ohne permanente Auseinandersetzung mit den Betroffenen und dem Bezirk kann es keine „ausstellbare“ Planung geben, allenfalls ausstellbare Fassadenarchitektur und Pla- nungsgrafik. Vor allem bei der Wettbewerbs- vorbereitung durch die IBA wurden die Weichen falsch gestellt. Daß trotzdem ein insgesamt gelungener Entwurf (von Tarragö) vorgelegt und prämiert wurde, soll nicht bestritten werden. Allerdings ist von vorneherein klar: Dieser Entwurf - Vorerst ja nur eine Form - kann unter den widrigen Voraussetzungen seiner Entstehung nur schwer mit der Realität vermittelt werden. Postmoderner Städtebau ä la Kleihues erweist sich so zunächst als Abkehr von den positiven Elementen des modernen Städte- baus, als Abkehr von dem Anspruch, soziale Gebrauchswerte zu schaffen, was ® die Orientierung der Arbeit an den künfti- gen Bewohnern, ® den intensiven Einbezug experimentier- freudiger Fachleute, die keine Architekten sind, die Betonung sozialer Infrastruktur, die Zusammenarbeit mit reformbereiten kommunalen Institutionen, die Suche nach geeigneten Planungs- und Realisierungsverfahren, insbesondere auch nach alternativen Bauträgern umfaßt. Postmoderner Städtebau erinnert ‚auf den ersten Blick tatsächlich nicht nur formal, sondern auch konzeptionell an die Planung der Stadt des 19. Jahrhunderts. Aber die kaiserlichen Zeiten sind vorbei. Nach Beendigung des Wettbewerbs tritt die IBA als Entwurfsinstitution in den Hinter- grund. Zunächst legt der Bezirk ein Veto ein: Der durch die IBA-Pläne implizierte Bevölke- rungszuwachs, so heißt es mit Blick auf die vorhandenen Infrastrukturprobleme, ist zu groß. Die Konsequenz: 50 Wohnungen weniger im Block 9. Betroffen von dieser Reduzierung ist ausschließlich die Nordwest- 1 In 8. Die Abtreppung des Excelsior-Hochhauses im Vorschlag von Franz / Hauser. 9. Die beiden bemalten Brandwände am KuKuCK. 10. Die Freistellung des KuKuCK im Vorschlag von Tarrago. 11. Der Vorschlag von Tarrago: drei Türme markieren den Neu- baueingriff (einer ist verdeckt durch das Excelsior-Hochhaus) rechts die Wilhelmstraße. ecke des Blocks, die Bebauung westlich des KuKuCKs an der Anhalter Straße. Für dieses Gebiet schließt der Bezirk ein zeitlich begrenzten Nutzungsvertrag mit de KukuCK ab. Die IBA reagiert auf diese Entwicklung mit der formalen Umnutzung der Bebauung. Statt Wohnbauten sind jetzt Gewerbebauten vorgesehen, womit die Bebauung faktisch zurückgestellt wird, da sich ein Träger für solche Bauten nur schwer finden läßt. Allerdings wird von ökologischer Seite eine Bebauung äla Tarragö nunmehr auch prinzi- piell in Frage gestellt, da diese den notwendi- gen Luftaustausch zwischen dem Anhalter- Bahnhofs-Gelände und dem Prinz-Albrechts- Gelände behindern würde. Die Kritik an der Neubau-IBA von außen wie von innen (durch einzelne Mitarbeiter) führt weiter dazu, daß die Frage der Bauträger auch als Problem der IBA ernstgenommen wird. Für die Bebauung an der Norostecke des Blocks ist die Hilfswerksiedlung, eine gemein- nützige Wohnungsbaugesellschaft der evenge- lischen Kirche, im Gespräch. Dem Druck privater (Abschreibungs-) Träger konnte bis- her standgehalten werden. Bei der geplanten Bebauung an der Wilhelmstraße zeigt sich die IBA jetzt geradezu als experimentierfreudig: Dort soll ein Selbsthilfekonzept ä la von Beulwitz verwirklicht werden, und zwar mit einer abgestuften Selbstbeteiligungsquote. Die gan- ze Planung wird von der IBA vorfinanziert, für die Realisierung soll ein Bauträgerwettbe- werb ausgeschrieben werden. Und die „Betroffenen“? Sie haben sich - auf der Ebene der Südlichen Friedrichstadt - in einer „Stadtteilkommission“ zusammenge- schlossen, deren Meinung, so hat sich der Bezirk verpflichtet, bei der weiteren Planung berücksichtigt werden soll. Mit dem Block 9 hat sich die Stadtteilkommission bisher noch nicht beschäftigt. Zu erwähnen wäre weiter eine Befragung der 28.000 Beschäftigten der Südlichen Friedrichstadt und der Friedrichs- vorstadt über mögliche Wohnabsichten in den künftigen Neubauten, die derzeit ausgewertet wird. Wie die an einer Wohnung Interessierten in den weiteren Prozeß eingebunden werden können, ist noch offen. Also alles auf dem Wege zur Besserung? Leider nein. Durch eine lapidare Pressemit- teilunng des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 5.3.82 werden der IBA nicht nur die Planungen für die Blöcke 19 und 20 weggenommen, sondern es droht gleichzeitig für das künftige Wohnen im Block 9 (Nordund Westseite) eine gravierende Verschlechterung: Die Stresemannstraße und die Anhalter Straße sollen Zubringer der neuen „NordSüd-Verbindung“ - einer Art Neuauflage der Westtangente unter der Form der „Bundesfernstraße“ - werden, der Askani- sche Platz zur Hauptverkehrskreuzung. Mit dieser Entscheidung - in formaler Hinsicht Ausdruck des Bemühens des CDU-Senators, delegierte Planungskompetenzen wieder in sein Haus zurückzuholen - kommt der alte Kurs der Berliner Planungspolitik zu neuen Ehren: Das Auto ordnet die Stadt, innenstadt- nahe Gebiete werden zu _Verkehrsdurch- gangszonen. „Städtisches Wohnen in einer Park- und Wasserlandschaft am Askanischen Platz“, wie es noch 1978 in einer Schrift des Bausenators heißt? Wohnen in der Innen- stadt? Das IBA-Motto scheint zum makabren Scherz zu gerinnen, der destruktive Städtebau der Nachkriegsmoderne den Läuterungspro- zeß der Postmoderne zu überrollen. 94