Lucien Krolls Studentenwohnheim in Louvain-la-Neuve, dahinter die Med. Fak im Zwielicht, sie könnte richtig sein, sie könnte aber auch nur einen. der genannten Gründe verstecken. In vielen, wenn nicht in den meisten Fällen, entzieht sich die Behut- samkeit schlicht der unmißverständlichen und konsequenzenreichen Vergegenständlichung dessen, was man wirklich will. Vielleicht ist das taktisch sinnvoll? Ich kanns nicht glauben. sern, in ständigem Kampf mit der Baupolizei, heimlich aufgeführt, jahrelang zäh verteidigt, gelegentlich abgerissen und alsbald wieder aufgebaut und wieder jahrelang verteidigt usw. Heute sind diese kritischen Korrelate praktisch ausgemerzt, jede Currybude sieht schon von weitem nach sanitären Standards und DIN-Normen aus, Schuppen existieren nur noch als um Feuerlöscher herumgebaute Eternitwände. Das Provisorische wird ver- tilgt wie eine Unkrautart. Dazu kommt die innere Homogenisierung des Hausbestandes zu normgleichen Wohnanlagen, die das emsige mietensteigernde Modernisieren be- sorgt: da werden nicht Bequemlichkeiten einer alten Form eingefügt - dagegen wäre, wers so will, nichts zu sagen -, sondern es werden Normen angeglichen, es werden die bloßen Kennzeichen von Standards und facilities eingebaut (und an ihnen, nicht etwa an einem Mehr an Gebrauchswert, orientiert sich ja auch die Mietsteigerung). Diese Homogenisierung läuft auf einer Interessenallianz vor aller Architektur, in der industrielle Normer, staatliche Überwacher, Baufirmen und Hausbesitzer ihren gemein- samen, Vorteil finden. Die architektonischen Individualisierungsbemühungen der Stadt- baukunst kommen an diese Ebene gar nicht heran. Die Methode der Behutsamkeit dagegen, die ja eigentlich den Substandard verteidigt, verteidigt ihn nicht als Gebrauchs- wert, sondern als sozialpolitischen Freiraum - sie muß also, um die Altsubstanz konkur- renzfähig zu machen, so viele Angleichungs- zeichen hereinnehmen wie möglich, ohne den sozialen Spielraum damit aufzuheben. Im prekären Kontinuum zwischen Instandset- zung und Modernisierung wären erscheinen- de Inhomogenitäten nur ein politisches Risiko, in das jeder hineinstieße, der dem anderen was will, egal welche Seite. Die „Stadtbau der Piraten“ Stadtbau und Sozialplan, das ginge noch. Aber die Dinge sind inwzischen verführeri- scher: zwischen Stadtbaukunst und ästheti- siertem Sozialplan, das ist es, wo wir hindurch finden müssen. Hindurch kommt nur, wer seine eigene Form zu ändern weiß, beweglich ist, in die Standardisierungen der Zwick- mühle nicht hineinpaßt und also dem ökonomisch mächtigen, aber kKurzsichtig genormten Zugriff entkommt. Man muß raus aus der ganzen Situation, Lösungen für die Ebene mittlerer Abstraktion zu finden. Man muß sich dem Zwang entziehen, in Gesamt- lösungen zu denken, in einer, sei es noch so zartfühlend, dem kleinen Bewohner auf den Pelz rückenden Perspektive von oben, des Heils, der großen Heilung. Wer das begriffen hat, übernimmt zwar Verantwortung für das Ganze, aber er spielt nicht Regierung, er denkt nicht in Gesamtmodellen, sondern in kriti- schen Einzelfällen, die das Ganze in ihrer Einzelheit greifbar machen. Eine Vokabel dafür kann der Hausbau sein. In der heute erreichten Homogenität städti- scher Baustruktur wäre so etwas wie Hausbau von vornherein der Kritische Grenzfall. In Hausbauzeiten gab es kritische Entsprechun- gen auf mehreren Ebenen, Budenarchitektu- ren vor den Häusern, überall, wo öffentlicher Raum dazu die minimale Grundfläche bot, und Schuppenarchitekturen hinter den Häu- Foto: Serwe / Auslöser Markierung eines Bruches, einer Aufhebung der sich weiter durchsetzenden und steigern- den Homogenität der Baumassen und Be- wohneransprüche kann nur als ein eigenes, für sich selbst gesetztes Projekt erfolgen. Es braucht eigene Träger, eigene Konzepte, eigene Lobby. Denn darüber sollte man sich keineswegs täuschen: die Homogenisierung läuft nicht nur in den Gebäuden, sondern auch in den Köpfen und Verhaltensweisen. Die Standardfrage ist das innerste Credo der schweigenden Mehrheit und macht diese zur verläßlichen Basis der Homogenisierung, und daran werden auch horrende Mietsteigerun- gen vorerst nichts ändern, denn da steht mehr auf dem Spiel als der Geldbeutel, da geht es um die sozialen Grundwerte, mit denen man sich gegen historische Rückfallängste, gegen die eigene Vergangenheit, gegen die Russen, Asozialen und die arbeitslose Zukunft vertei- digt. Für diesen Deichbau gegen die Angst ist auf längere Sicht kein Mietgeld zu teuer. Hat dann ein unabhängiger Hausbau überhaupt eine Chance? Ist dafür politisch Platz in den Städten? Das wird herauszu- finden sein. Die Homogenisierungsfront scheint dergleichen von vornherein auszu- schließen. Man darf aber nicht übersehen, welche Kräfte diese Front bindet. Da wird zwar durchaus sozialer Beton gebaut, und je deutlicher werden sollte, daß sich eine Minderheit nicht mehr an den Konsens halten will, je mehr andererseits das Durchhalten von Standards Einschränkungen fordern wird, desto mehr ist Haß auf Spielverderber zu erwarten. Aus dem gleichen Grunde - daß es ums Heiligste geht und alle Kräfte aufgeboten werden müssen - wird die öffentliche Hand nicht umhin können, an peripheren Punkten Lockerungen herzustellen, sich durch Aus- nahmeregelungen zu entlasten. Wie das aussehen kann, brauche ich nicht weiter zu A