Das da hätt einmal fast die Welt regiert Die Völker wurden seiner Herr. Jedoch Ich wollte, daß ihr nicht schon triumphiert: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Bert Brecht, Kriegsfibel Über Aufgabe und Rollenfunktion der Ar- chitektur im Nationalsozialismus ist in der kritischen Baugeschichte der letzten Jahre vielfach reflektiert worden. Ihr war in der fa- schistischen Kunstproduktion, als öffentlich- ste aller Künste ein herausragender Stellen- wert zugewiesen. Die ihr zugedachte gesell- schaftliche Funktion war dabei neben deren ökonomischer Bedingtheit vorallem Herr- schaftstechnisch determiniert. Ihre Allgegen- wärtigkeit machte sie zu einem der propagan- distisch wirksamsten Instrumente faschisti- scher Massenmanipulation. Als Kulisse des öffentlichen Raumes schuf sie den ordnenden Rahmen, der zur permanenten Macht- und herrschaftsinszenierung notwendig war. Sie bildete das dialektische Pendant zu den ange- tretenen Marschblöcken, war die leibhaftige Erfahrung der Autorität des faschistischen Systems. Ihre totale Indienstnahme als machtpolitisches Instrument stand dabei öko- nomisch in direkter Austauschbeziehung zur Rüstungsindustrie und leitete in ihrer Verlän- gerung letztlich zum Krieg über. Im zweiten Vierjahresplan,, der die faktische Mobilma- chung bedeutete, nahm demzufolge neben der Rüstungsindustrie die Bauindustrie eine Schlüsselstellung ein. Das Bauen hatte im Rahmen der damit verbundenen Politik der Staatsverschuldung hohen Anteil an der Vor- bereitung des Krieges und war inhaltlich nicht von ihm zu trennen. Die Zielsetzung der auf Expansion abzielenden agressiven Außenpolitik spiegelte sich in der Program- matik der damit einhergehenden Architek- turplanungen. Sie vermittelten, gleichsam im Vorgriff auf ihre kriegerische Realisierung, die imperiale Perspektive der angestrebten Weltherrschaft. Eines der zynischsten Kapitel der Archi- tekturproduktion des Nationalsozialismus sind in diesem Zusammenhang die Planungen der sogenannten ’Totenburgen’. sie sind un- mittelbarer Ausdruck der Dialektik von Ar- chitektur und Krieg, sind im wahrsten Sinne des Wortes Dekorationen der Gewalt. Die systematische Projektierung dieser monströ- sen ’Ehrenmäler’ begann im Jahre 1941 und ging einher mit den anfänglichen Kriegserfol- gen. Wie ein Gürtel sollten sie sich um die be- reits eroberten bzw. noch zu unterwerfenden Territorien legen und das Imperium des 'Großdeutschen Reiches’ abstecken. Pro- grammatisch waren die ”Totenburgen’ damit Grenzsteine und Heldenmäler zugleich. Als „Warnung und Mahnung” waren sie gedacht, die an „die Opferbereitschaft und den Blut- zoll” der deutschen Soldaten erinnern soll- ten, welche das ’Neue Reich’ heldenhaft er- kämpften. Den eroberten Machtbereich des deutschen Faschismus galt es mit ihnen sicht- bar zu kennzeichnen und zu umreißen. Um dieses ’Ehrenmäler’-Programm in ei- ner der nationalsozialistischen Ideologie ge- mäßen ästhetischen Sprache umzusetzen, wurde der Architekt Wilhelm Kreis zum ’Ge- neralbaurat für die Gestaltung der deutschen Kriegerfriedhöfe’ ernannt und mit der Pla- nung und Durchführung beauftragt. Kreis (1873-1955) empfahl sich als Spezialist für Denkmäler, dessen monumentale Architek- tur zugleich namentlich für die Kontinuität eines ästhetischen _Selbstverständnisses stand, welches um 1910 an der Schwelle des Ersten Weltkrieges entwickelt, sich nahtlos in das sogenannte "Dritte Reich’ vermittelte und dort seine Vorbildfunktion behielt. In diesem Zusammenhang avancierte er zu einem der Protagonisten der ’Neuen Deutschen Bau- kunst’ und erlebte während des ”Tausendjäh- rigen Reiches’ eine beispiellose Auftragsfol- Wolfgang Schäche Die ’Totenburgen’ des Nationalsozialismus ge im Staats- und Repräsentationsbau. Ohne- hin steht eine explizite Aufarbeitung dieser obskuren Architektenkarriere noch aus, die sich mit gleichbleibendem Erfolg sowohl dem deutschen Kaiserreich, der Weimarer Repu- blik und dem Nationalsozialismus als auch dem bundesrepublikanischen Deutschland andiente. Vor allem seine ab 1899 konzipier- ten Bismarcktürme sowie sein erster Preis im Wettbewerb um das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (1895) waren es, die ihn schon mit jungen Jahren zu einem der gefragtesten (Denkmals-) Architekten werden ließen. Die- se Arbeiten sowie die Entwürfe für das Bis- marck-Nationaldenkmal bei Bingen (1911, in der Weiterbearbeitung: 1928-32) und der preisgekrönte Wettbewerbsentwurf für ein Reichsehrenmal in Berka (1931) sind es auch, welche „...in ihm die letzten großen Wirkun- gen (bereits vorwegnehmen), die der reife Künstler in den Entwürfen für die Soldaten- male des Zweiten Weltkrieges erreicht” ”, wie sein NS-Biograph Hans Stephan 1943 ausführte. Und so war es naheliegend, daß er mit seiner Affinität zum Totenkult schon bald nach 1933 erste Aufträge erhielt, bei denen er sein Talent für pathetische Heldenverklärun- gen und monumentale Posen einsetzen konn- te. Freilich zunächst noch für die Lebenden, baute er zwischen 1935 und 1938 das Luftgau- kommando Dresden. In dieser Welt des Mili- tärs, der Verherrlichung des Krieges und des- sen Heroisierung sollten seine kommenden Aufträge auch vornehmlich bleiben. Im Rah- men der ’Neugestaltungsmaßnahmen für die Reichshauptstadt Berlin’ war dann der Auf- trag für den Bau des ’Oberkommandos des Heeres’ sowie damit verbunden der ’gewalti- gen Soldatenhalle’ an der Nord-Süd-Achse 1937/38 von herausragender Bedeutung. Sie war thematisch und inhaltlich mit den späte- ren ’Totenburgen’ untrennbar verknüpft. Soldatenhalle, Berlin (W.Kreis, 1938). Innenraum Federzeichnung „Die Soldatenhalle, die dereinst in der Hauptstadt des Großdeutschen Reiches entstehen soll, (ist) der Gegenpol zu allen Soldatenmälern, die im frisch erkämpften Lebens- raum die Wache halten werden. Ihre Pfeilerfront gemahnt, obschon in eigener Sprache, an das Erbe des Abendlandes. Ihr riesiges Tonnengewölbe im Innern mit dem durch die hohe Pfeilerfront hereinflutenden Licht spricht mehr von dem Gelübde der Lebenden als von dem Vermächtnis der Toten. Nur wenn man hinabsteigt in die Gruft der Toten, die sich als Krypta unterhalb der ganzen Halle erstreckt, findet man in den gewaltigen, lastenden Gewölben densel- ben Geist mahnend durch den Raum ziehen... So werden auch hier in der Reichshauptstadt die Opfer, die für Hei- mat, Eigenart und Lebensraum gebracht wurden, an der sich deutsche Menschen der Grenzen ihres irdischen Le- bens bewußt werden, eine Stätte der Ehrfurcht, der Mah- nung und Verehrung, und somit eine durch Sinn und Brauch geheiligte Weihestätte, ein neuer wahrer deutscher Dom, geboren aus dem Opfer aller, die ihr Liebstes gaben. damit das Zukünftige lebe 7”? Triumphbogen, Berlin (A. Speer) Madallnananinkes Dacnsımama 1047 Im Gegensatz zur bisherigen Geschichte der Kriegerehrungen, die eine lange Tradition hat, welche bis in die Antike zurückreicht, war mit der ’Soldatenhalle’ erstmals eine neue Qualität formuliert. Hatte man in der l’)