Oskar Laser, Eduardo Vargas Wer sich mehr als 10 Jahre nach dem „Leber-Plan” die Grundrißor- Was aber die Rast dem Reisenden bedeuten kann, das müßte doch ganisation der Bundesrepublik Deutschland ansieht, der wird zum eigentlich jeder wissen, der schon einmal Durst erlebt hat. Da ist einen die Prägung durch die Grenzen bemerken. Ränder, die wirk- doch ein Getränk mehr, als der piktogrammierte Hinweis darauf, lich ein gewisses Interesse abverlangen können. Er wird Inhnenaber wo die Notdurft verrichtet werden soll. (Selbstverständlich darf kei- auch feststellen, wie die forciert betriebene Individualisierung des ne Funktion vergessen werden.) Unvorhergesehene Ereignisse - Verkehrs zu den längsten Autobahnkilometern in Europa geführt etwas, was auch auf Autobahnen vorkommen soll - stören bei die- hat. Die Richtung, in der man Autobahnen nachzukommen hat, ser Art von Verrichtung das Timing. So wird zuerst schon die kann nur auf den dafür vorgesehenen Kreuzen verändert werden - Erschließung zum verkehrten Gerippe der Republik. Mangelt es da dann aber gewaltsam - da bietet sich keine differenzierte Lösung. nicht an erlebnisreicher Überraschung, die lebendig hält, an Dabei entspringt doch der Wunsch nach Richtungsänderung einer Lebensqualität überhaupt, an Wohnkultur zum Beispiel? Das bie- möglicherweise neu dazugewonnenen Einsicht, entspricht viel- tet wenig Hoffnung vorweg. leicht dem Einblick in die Komplexität der mit der Reise zusammen- Eine Kirche von Aldo van Eyck - längst vor dem „Leber-Plan” ent- hängenden Sachlage. Um einem solchen, hoffentlich mit der Zeit worfen und leider nur gezeichnet geblieben, (der Entwurf fand kein heftiger werdenden Wunsch nachzukommen, bräuchte man sicher Echo, weil Kirchenväter vielleicht immer noch Torten bevorzugen) mehr Unterbrechung und Transparenz: beides bedingt sich. diese Kirche löst doch das, wofür sie gebraucht werden soll, wozu Auf den zweiten Blick begegnet man einem gleichmäßigen Netz sie einladen soll, anders, nämlich auch zurückhaltend und mit von Raststätten, das von den Autobahnkilometern begleitet wird. gegeneinander versetzten Eingängen und Ausgängen, vielleicht Wer einmal diese „Häuser des Gastes” betreten hat, mag festge- schon allein der Gerechtigkeit wegen. (Das wäre doch ein brauch- stellt haben, wie die Gesichter der auf Individualität Wertlegenden bares Thema der Kirche). Und wer innen nicht nur rechts fährt, der Besucher, wie ihr Ausdruckswert ebenso normiert erscheint wie die achtet darauf, wie die Steine liegen, d. h. hier: wie die Stützen ge- vorangegangene Fahrt, das verlorengegangene Erlebnis im Dazwi- stellt sind. Dem erschließt sich eine ganz andere Dimension und schen. mit Erlebniswert aus dem Weg dorthin. Neue Perspektiven bieten Anmerkung: sich, und zur Richtungsänderung wird behutsam aufgefordert. Wie- Adorno meint hier die Beobachtung machen zu können, wie bei dieser der spielen die Stützen eine den Menschen begleitende Rolle - eine Art von zunehmender Individualisierung und damit einhergehenderso- igenständige darüber hinaus, eine Rolle die sich auch außen in der zialer Isolation die Gesichter einander immer ähnlicher werden. So Kruste schon ankündigt. Sie hält zusammen und setzt sich in ihren scheint der Mensch zuletzt selbst noch zum Gebrauchsgegenstand zu Polen in Beziehung. Das bringt Kohärenz: Zusammenhalt über werden. einen inneren Zusammenhang. So entstehen Räume über struktu- relle Ähnlichkeit - das meint die Art, wie zwei Dinge miteinander in ER ae / Kireke‘DrieBergen Verbindung gesetzt sind und noch mehr. Das „Dazwischen” wird © z Niederlande, 1963, auf diese Weise geprägt, prägt sodann den Aufenthalt und weckt Sy RA Aldo van Eyck vielleicht sogar das Bedürfnis danach. Räume im Raum gibt es. Betritt man sie, erlebt man die kreisförmige Abschirmung nicht als etwas, das einengt, wie in vielen anderen Räumen, die durch ihre Geschlossenheit im Wandverlauf bezwingen. (Ausgeübter Zwang ws etwa, durch unvermeidlich gleiche und konstante Beziehungen 7) S zwischen jedem Punkt des Kreises und dem fixierten Mittelpunkt.) ZF u €, = nn So nicht bei Aldo van Eyck, der die einander zugewandten, aber auch gegeneinander versetzten Kreishälften ebenso stark als Ein- heit akzentuiert wie die nebeneinanderliegenden. Diese Mehrdeu- tigkeit der Richtung macht die Räume im Raum annähernd gleich- wertig, formuliert ein nicht zu Ende fixiertes Dazwischen, obwohl jeder einzelne Raum für sich genommen zentriert bleibt. So zerfällt der Raum als Ganzes nicht in aktive und passive Elemente. Kreise, die Gruppen artikulieren, jedoch nicht abzirkeln und somit das Gespräch zulassen. Der Mensch in ihrer Mitte. Gibt es da nicht ein Gebet, ein ganz anderes vielleicht sogar? Wer diese Kirche betritt, hat die feste Mauer, um sich festzuhal- ten, falls er geführt werden will. Andererseits begleitet ihn die durchlässige, nur mit Stützen formulierte Wand, die deshalb jeder- zeit verlassen werden kann. Und ein Ziel formuliert sie auch durch den geringer werdenden Abstand der Stützen. Dort geht die ande- re, die feste Wand nämlich, halbkreisförmig nach außen und gibt dem Inneren das Weiche - von der Haltung her etwas wie die ge- wölbte Innenfläche der Hand mit jeweils fixierbarem Anfang und Ende. Eine Kirche braucht eigensinnigen Charakter. Allerdings nur we- nig Gegenständliches - eher etwas von der Sprache her und im in- stinktiven Streben nach Sparsamkeit. Anmerkung: Da ist die Syntax eingebettet in die Pragmatik, d. h. sie findet sich auf der Berührungsebene zum Menschen wieder, und auch die semantische af