254 Schwarzwaldkreis. Oberamt Reutlingen. ordentlich feines Zierwerk und Beigabe von Tierfiguren; man spürt schon das auf lockernde Wehen der neuen Zeit. Dann das heilige Grab, das, bis jetzt noch in der nördlichen Turmhalle, nunmehr ini Chor aufgestellt werden soll. Von ihm sagt P. Keppler mit Recht: „Deutschlands schönstes Werk dieser Art. mit überaus reicher, figurenbesetzter Baldachinkrönung, vor dem Sarkophag zwei schlafende Wächter, hinter demselben Johannes mit drei Frauen voll Leben und schmerzlicher Bewegung." — Taufstein und heiliges Grab sind wohl von demselben Meister. Nirgends an ihnen aber sieht man ein Steinmetzzeichen. Aber um den linken Fuß des heiligen Grabes liegen kleine Steinmetzgestalten, wovon leider nur eine noch den Kopf, mit Vollbart, behalten durfte. — Auch am Taufstein werden Meister- gestalten, diesmal in den Reliefs, zu suchen sein. Die Meister müssen aus jener Reutlingen-Tübingen-Urachcr Schule stammen, die zu Ende des 15. Jahrhunderts und noch tief ins 16. Jahrhundert hinein so Vortreffliches geleistet hat — ihr Grund zug ist große Freiheit der Auffassung und viel Naturwahrheit. Vielleicht ist der in Reutlingen um diese Zeit als Steinmetz, Bürger und „Statt-Werckmnnn" urkundlich erscheinende Peter von Brysach (Breisach) der Ver fertiger beider Werke. — Im Jahr 1496 schreibt die Stadt Reutlingen an die Stadt Eßlingen, ihr Werkmeister Peter von Breisach habe den Kirchturm aufgesetzt und bittet, den Eßlinger Werkmeister zur Besichtigung der Arbeit zu schicken. Es hatte nämlich am 20. Juni 1494 ein Blitzstrahl die Spitze der Marienkirche zerschmettert und hat ohne Zweifel Peter von Breisach die oberen Kreuzblumen der Marienkirche gemacht; dieselben verraten auch den Stil dieser Zeit. Ihm ist aber auch wohl die Wiederherstellung der Strebepfeiler der Seitenschiffe mit den Aposteln unter den Bal dachinen zuzuschreiben. Seine Art ist ähnlich derjenigen der Uracher Meister, Peter von Coblenz und Martin von Urach. Hat er wirklich das Heilige Grab und den Taufstein in der Marienkirche gefertigt, so hat Reutlingen an ihm einen Meister gehabt, dessen Name leuchtend einzuschreiben ist in die Geschichte der alten Reichsstaot. Außerdem besitzt die Marienkirche einen alten gotischen Doppelpult mit einge grabenen Ornamenten, einige zierliche gotische Kelche und die jetzt in der Frauen arbeitschule ausgestellten, höchst interessanten sechs gotischen Caseln, schöne Damast stoffe, mit figurenbestickten Kreuzen. — Über die kath. Nikolauskirche s. o. S. 240. Alte Erinnerungen rufen die fünf zumeist noch gut erhaltenen Klosterhöfe wach, einst geräumige Vorratshäuser samt Kapellen der großen Klöster Zwiefalten, Bebenhausen, Salem, Marchthal und Königsbronn. Der bedeutendste war der Z wie-, falterhof, dessen Umfang heute noch wohl ersichtlich ist; am Hauptgebäude ein schönes Renaissanceportal, 1557, ans einem Wappenschild am Thürsturz H M (Hans Motz) und sein Meisterzeichen, darüber zwischen Delphinen die Wappen des Klosters und des Abtes Nikolaus Büchner. Demselben Meister gehört wohl auch die Brunnensäule an mit der Bildsäule Johannis des Täufers mit demselben Wappen und der Jahres zahl 1560. — Der Zwiefalterhof, ursprünglich Johannishof genannt, ist wegen der Beziehungen des Klosters Zwiefalten zu den Grafen von Achalm, den Gründern von Zwiefalten, wohl der älteste unter den geistlichen Höfen der Stadt. An den Bebenhäuser Hof erinnert heute nur noch die Bebenhäuserhofgasse und ein steinerner Thorbogen.