H. STÖCKHARDT, KATHOLISCHE HOFKIRCHE ZU DRESDEN.
musste, um nicht allein den für die Kirche erforderlichen Raum, sondern auch
Platz für die zu errichtenden Tischler-, Schlosser- und Schmiedewerkstätten,
Steinmetzhütten, Steinlager und Bureaux der am Bau beschäftigten Beamten
zu schaffen, welchen Baulichkeiten man den Collectiv- Namen „italienisches
Dörfchen“ beilegte, eine Bezeichnung, die auch nach der Entfernung derselben
in verschiedenen Akten vorkommt und auf alle Gebäude bezogen wurde, die
wie die Helbig’sche Restauration, den nördlichen und nordöstlichen Theil des
durch die Entfernung der Festungswerke gewonnenen Platzes begrenzten.
Die Freilegung des Bauplatzes führte übrigens zu mancherlei Differenzen
zwischen Chiaveri und den Oberbehörden, insbesondere die von dem Letzteren
angeordnete Abladung der Wallerde in die Elbe, weil man fürchtete, dass die
dadurch gemachte Ersparnis an Transportkosten in keinem Verhältnis zu
dem Nachtheil stehe, der die Schifffahrt bedrohe, wenn das an sich schon
schwache Fahrwasser auf diese Weise noch unbrauchbarer gemacht werde.
Chiaveri wusste indessen auch diese Bedenken durch Darlegung des Sach
verhaltes hinwegzuräumen, indem er in einem Schreiben an den König nach
wies, „dass der Orth, wohin man die von dem Wall auszugrabende Erde
schütten zu lassen Willens, ein blosser Sumpf und stehendes, unschiffbares
Wasser“ sei und dass unmöglich die Schifffahrt gehindert werden könne, zu
mal „alles fliessende Wasser, je mehr es eingeschlossen, desto geschwinder
und tiefer“ werde.
Die im October 1738 in Angriff genommenen Erdarbeiten scheinen jedoch
bezüglich der Beschaffung der erforderlichen Kräfte von Chiaveri nicht genügend
vorbereitet gewesen zu sein und zu Misshelligkeiten zwischen ihm und der
Militärbehörde geführt zu haben. In einem Rapport an das Generalkommando
seitens des Befehlshabers der Königsbrücker Garnison heisst es nämlich: „Aus
Dero an mich unterm 5. dieses (Oct. 1738) erlassenen heute zu recht empfangenen
Schreiben, ist mir des Italienischen Architecti Ansinnen, wegen Fournirung von
400—500 Mann Arbeiter von der Garnison bekannt geworden. Es hat mich des
halb gantz nicht befrembdet, w r eil mich sogleich dabey Zurückerinnert, dass eben
dieser Mann, Arbeiter begehret, ohne dass Zum Schantzzeug an Schauffeln,
Karren und dergleichen Requisiten das mindeste vorhanden, noch w r egen Fort
schaffung dreier auf dasigen Wall befindl. Canons die nöthige dispositiones
vorgekehrt gewesen wäre“, etc. Der Schluss des Schreibens enthält eine
Aufzeichnung der Gründe, weshalb es nicht rathsam sei, Soldaten zu den
fraglichen Erdarbeiten zu verwenden, sowie die Bitte, der Generallieutenant resp.
das Generalkommando möge dahin zu wirken suchen, dass die questionirte
Requirirung von Soldaten unterbleibe.
Der König hielt aber seine Chiaveri gegebene Zusage und erliess einen
zweiten Befehl vom 22. October 1738 aus Warschau, nach welchem das in
Dresden stehende Militär, „soweit es thunlich, zum Kirchenbau verwendet
und jedem Mann von Michaeli bis Ostern 2 Gr. 6 Pf., und von Ostern bis
Michaeli 3 Gr. täglich über ihre Löhnung aus dem Baufond verabreicht werden
soll“, während der König den Baugefangenen I. Classe pro Tag 3 Pf. und
denen II. und III. Classe 6 Pf. zubilligt. Nur in dem Falle, dass die Soldaten
und Baugefangenen die nöthige Arbeit nicht zu bewältigen im Stande seien,
sollten Tagelöhner und Bergleute aus Freiberg zur Verwendung kommen.*)
Nun erst nahmen die Arbeiten den gewünschten Fortgang, demzufolge
denn auch schon am 28. Juli 1739 Vormittags 9 Uhr die Grundsteinlegung
erfolgen und mit der Fundamentirung der Anfang gemacht werden konnte.
Die Versenkung der zw T ei mit dem Namen des Königs versehenen marmornen
Grundsteinplatten wurde jedoch aus Rücksicht auf die protestantische Be
völkerung des Landes ohne jede Feierlichkeit vorgenommen; denn ausser
Chiaveri und den am Bau beschäftigten Arbeitern wohnten nur der Geheime
Rath Graf Accoramboni und der P. Superior Gruber diesem Acte bei.**)
Die in der ersten Woche des November 1738 gezahlten Löhne betrugen
im März wird die Zahl der Arbeiter wieder vermindert, so dass man gegen
Ende desselben Monats, weil noch immer nicht die Resolution wegen Grabung
des Grundes aus Warschau eingetroffen war, statt der anfänglichen 1032 Mann
nur noch 464 Arbeiter zu beschäftigen für thunlich hielt. Als diese endlich
im Mai 1739 eintraf, musste die Zahl der Arbeiter wieder beträchtlich ver
mehrt werden, namentlich in den Monaten August, September und October,
um das beim Graben des Grundes mächtig eindringende Wasser so schnell
als möglich zu beseitigen. So pumpten in der Zeit vom 10. bis 15. August
307, in der Zeit vom 23. bis zum 29. August 516, vom 7. bis 26. September
240 und vom 17. bis 31. October 1739, während des Tages und der Nacht,
240 Mann Baugefangene. Die Zahl der Maurer betrug Anfang August 260,
die der Zimmerleute 65 (nebst 2 Polieren) und jene der Handlanger 694;
Ende October werden 388 Maurer, im Mai 1740 noch 379 und im Januar
1741 nur noch 5 Maurer geführt, während an Zimmerleuten im October 1739
108, im September 1740 194 und 1741 nicht mehr als 21 Mann am Bau
beschäftigt waren.
Inzwischen war aus den Steinbrüchen zu Cotta und Pirna das für die
Doppelsockel und Schaftgesimse der Pilaster erforderliche Material zur Stelle
geschafft. Damit die Arbeit in den Steinbrüchen keine Unterbrechung erleiden,
der Bau schnell vorwärts schreiten könne, erliess der König am 20. September
1740, also noch vor Ausbruch des zweiten schlesischen Krieges, ein Dekret,
demzufolge alle Steinbrecher und Steinschiffer Sachsens von allen Werbungen
befreit und von dem Kriegsdienst verschont blieben. Auf die am Kirchenbau
beschäftigten Steinmetzen fand ohne Zweifel diese Verordnung keine An
wendung.
Alle diese Arbeiten wurden grössten Theils von italienischen Stein
metzen ausgeführt und gleich im ersten Baujahr mit einem solchen Eifer
gefördert, dass die eine Länge von 480 Ellen habenden Doppelsockel und
Gesimse der Pilaster der Aussenseite binnen drei Monaten, vom Beginn des
Baues an gerechnet, fertig gestellt waren und die übrigen Steinmetzarbeiten
an der Façade sowie die für das Innere der Kirche nöthige Sockel, Gesimse,
Schäfte und sonstige Arbeiten begonnen werden konnten.
Vergegenwärtigt man sich die grosse Zahl von Arbeitern, welche, wie
vorher angegeben, vom März des Jahres 1739 ab am Bau thätig waren, so
kann, da die zweite Rate von 100,000 Thalern erst am 15. September 1740
verfügt wird, die zuerst ausgeworfene Summe nur zur Bestreitung der noth-
wendigsten Ausgaben ausgereicht haben.
Die Ausgaben betrugen nach einem vom 17. Juni 1750 datirten Akten
stücke vom 1. October 1738 bis 1742 rund: 354,000 Thaler.
Davon sind übrig geblieben 4651 Thlr. 13 Gr. l 2 /s Pf., demzufolge mit
Einschluss der laut Dekret vom 23. Januar desselben Jahres bereit gestellten
Gelder sich die pro 1743 verfügbare Bausumme auf 54651 Thlr. 13 Gr.
l 2 /8 Pf. beläuft, wovon indessen mehrere aus dem Jahre 1742 datirende
rückständige Posten bestritten werden müssen und in welches das am
10 October desselben Jahres zum Zwecke der Bedeckung der neuen Kirche
und der Reparatur des Matielli’schen Hauses in Neustadt bewilligte Extra
ordinarium von 6553 Thlr. 1 Gr. nicht einbegriffen ist.
Nach der Besoldungstabelle beziffert sich der Gehalt der Beamten und
Künstler im Jahre 1742 insgesammt auf rund 3969 Thlr. Davon erhielten:
Architekt Gaetano Chiaveri 1100 Thlr.
Bildhauer Lorenzo Matielli 560 „
Conducteur Antonio Zucchi 300 „
Conducteur Sebastian Wezl 300 „
Conducteur Caries Ponte 100 „
Bauschreiber Domenico Guidice . 200 „
Bauschreiber Giacomo Ruratowski 200 „
651 Thlr. 12 Gr. Diese Summe
vertheilt sich
Dolmetscher Ivan Pietro Piva
100 „
auf 211 Maurer
Tag
mit 316
Thlr.
12 Gr.
Bergrath, Amts- und Landphysikus Dr.
Gottfried
„ 90 Zimmerleute
11
11
112
11
12 „
Heinrich Duckewizen
200 „
,, 196 Handlanger
11
11
147
11
11
Sekretär Chr. Gottlob Crusio
60 „
„ 16 Baugefangene I. CI. .
. . . à 3 Pf. „
11
11
1
11
11
Rechnungsführer Adam Carl Ernst . .
312 „
„ 94 „ II. und III. Cl. à 6 „ „
11
11
12
11
1?
Conducteur Chr. Conrad Francke . . .
48 „
„ 100 Musketiere
. . . à 21 Gr. „
11
11
62
11
12 „ ■
Controleur Joh. George Schüze ....
60 „
Im December 1738 sind in
den Rechnungen
333
Maurer,
109
Zimmer-
Was die Besoldung Chiaveri’s anbetrifft,
so bezog derselbe anfänglich
leute, 398 Handlanger, 130 Baugefangene und 780 Soldaten verzeichnet. Die
meisten Handlanger, nämlich 565 Mann, entfallen im Jahre 1739 auf den
Monat November, im Jahre 1740 auf die Monate April und Juni mit 711,
resp. 486 Mann.
Im nächsten Jahre hat eine Verwendung von Soldaten beim Bau nicht
mehr stattgefunden, dahingegen ist eine Vermehrung der Maurer und Hand
langer zu verzeichnen, denn vom 26. bis 31. Januar 1739 standen 344 Maurer,
43 Zimmerlcute, 570 Handlanger, 132 Baugefangene unter 16 Aufsehern in
Arbeit, im Februar 376 Maurer, 55 Zimmerer und 388 Handlanger; aber schon
*) Mit den aus Freiberg requirirten Bergleuten hatte man kein Glück, da sie für einen
Lohn von 6 Gr. pro Tag nicht arbeiten wollten, woraus es erklärlich wird, dass im Januar
1739 die Zahl der am Bau beschäftigten Bergleute sich nur noch auf 9 belief.
**) Der König und die Königin befanden sieh seit dem 7. Juli in Teplitz.
nur 600 Thaler Gehalt, das sich im Jahre 1742 auf 1100 Thaler erhöhte und
einschliesslich der sonstigen Bezüge 1400 Thaler betragen haben mag. Ausser
dem erhielt er vom Könige 9000 Thaler zum Bau seines in der Brücken
strasse belegenen Hauses, dessen plastischer Schmuck von der Hand Matielli’s
herrührt und gegenwärtig den Namen Maximilian-Palais führt, seitdem es in
den Besitz des Prinzen Maximilian übergegangen ist, der ihm die Einrichtung
gab, die das Gebäude hinsichtlich seines Grundrisses jetzt noch zeigt. Des
gleichen erhielt Matielli laut Aktenstück vom 30. November 1742 zum Bau
seines in der Neustadt errichteten Hauses die Summe von 7600 Thalern aus
der Königl. Rentkammer ausgezahlt.
Auch für das Jahr 1744 w'urden, wie die Akten nachweisen (4. Juni 1748),
80,000 Thlr. ausgeworfen, wohingegen im Jahre 1745 es an dem nöthigen
Gelde gefehlt zu haben scheint, denn Chiaveri richtet unterm 19. Februar
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