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Diese Verhältnisse aber enthüllen sich erst, wenn man die Tatsache beachtet,
daß Aristoteles den Begriff der noirjaig durch den der (lijxrjaig definiert und
noirjoiq und /J/xrjaig daher bedeutungsidentisch für ihn sind. Die Beachtung
dieser Tatsache scheint einmal dadurch verhindert worden zu sein, daß man
die Grundbedeutung der Begriffe noielv und noirjoig, nämlich »machen, her-
stellen« aus dem Auge verloren hatte, zum anderen dadurch, daß jiifir\aig
durch imitatio übersetzt und mit dem Sinne der >Nachahmung< belastet wurde.
Als E. Auerbach sein bekanntes Werk »Mimesis«, mit dem Untertitel »Dar
gestellte Wirklichkeit« nannte, hatte er den verfemten Begriff wieder zu Ehren
gebracht und in seinem eigentlichen aristotelischen Sinne hergestellt. Denn
eine genauere Betrachtung der Definitionen des Aristoteles zeigt, daß für sei
nen Begriff der /j.i/j.rjaig weit weniger die in ihm gewiß enthaltene Bedeutungs
nuance der Nachahmung als der Grundsinn des Darstellens, Mächens, ent
scheidend ist 7 . Darüber klärt nicht nur die schon genannte, sogleich zu bele
gende Bedeutungsidentität zwischen noirjoig und /li/irjoig auf, sondern auch
und vor allem der genauere Bedeutungsinhalt, den Aristoteles dem Mimesis-
begriffe gibt. Als jiijxrjaEig werden solche Werke bezeichnet, die ngaxTovreg,
handelnde Personen, und damit auch nga£eig, Handlungen, zum Gegenstände
haben, »fu/xrjoeig sind die Epopöe, die Tragödie und die Komödie sowie die
Dithyrambendichtung und der größte Teil des Flöten- und Kitharaspiels« 8 ,
7 Diese Auslegung des Mimesisbegriffes wird von H. Koller in seinem Buche »Die Mimesis
in der Antike« (Bern 1954) bestätigt, das mir leider während der Niederschrift und Druck
legung der ersten Auflage meines Buches noch nicht bekannt geworden war. Koller zeigt,
daß schon Plato im 3. Buch der Politeia mit Mimesis nur Darstellung meinen konnte, indem
er z. B. das Wort unähnlich (ävofioicoe) mit /xi/iEia&at verbindet: Homer solle gebeten wer
den, sich nicht zu unterfangen, den größten der Götter so unähnlich darzustellen (ovrcog
avo/ioiojg /Mfxtjoao&ai); unähnlich nachahmen ist sinnlos (S. 15). Plato nennt alles was von
Mythologen und Dichtern erzählt wird, дщуцспд, Erzählung, und unterscheidet einfache
Erzählung (änhj ÖLrjyrjOig) von /xi/xrjaig. Auch hier bedeutet Mimesis nicht Nachahmung;
es besagt, daß die Personen selbst als redende auftreten. Plato drückt das so aus, daß der
Dichter nach Stimme und Gestalt sich einem anderen glcichsetzt (.. . fj хата (päivrjv fj хата
ауцца /u/xela&ai). In der Tat will ja Plato nicht sagen, daß die Personen der Dichtung einer
Realität nachgeahmt sind, sondern daß der Dichter sie auf mimetische Weise erzählt, wenn er
sie selbst reden läßt. Koller nimmt auch für den Mimesisbegriff der Poetik des Aristoteles die
Bedeutung Darstellung an. (Vgl. Anm. 10) — Vgl. weiter W. Weidle, Vom Sinn der Mimesis
(Eranos-Jahrbuch XXXI, 1962, S. 249—273), der, in teilweiser Kritik an Koller, den in den
Mimesisbegriff eingehenden Sinn der Ausdruckhaftigkeit als zu dem des Darstellens hinzu
kommenden aufweist (S. 259), und V. Zuckerkandl, Mimesis (Merkur, Jg. XII, 1958,
S. 224—240).
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