dazu auch der Tanz, weil dieser mit Hilfe des Rhythmus und des Gebärden
spiels »Charaktere, Leidenschaften und Handlungen darstellt« 9 . Daß diese
Kunstarten, die durch Einbeziehung eines Teils der Instrumentalmusik und
des Tanzes, über den engeren Begriff des >Wortkunstwerks< hinausgehen,
dennoch noirjaig sind, weil sie ni/jurjaig sind 10 , erhärtet aber erst deutlich aus
dem etwas später folgenden Kausalsatze: »Da die Darstellenden (/ufiov/ievoi)
Handelnde darstellen, diese aber notwendigerweise edel oder gemein sein
müssen .. ., müssen diese entweder besser oder schlechter als wir oder auch
uns gleich sein.« 11 Die Folgerung des Hauptsatzes bestätigt den bereits aus der
Bedeutungsidentität von Tcoirjcng und ¡ujirjaig gezogenen Schluß, daß der
Ton des Begriffes fii/zriaig nicht auf der in ihm enthaltenen Bedeutungsnuance
imitatio, Nachahmung, liegen muß, bzw. diese nur soweit in den Mimesis-
begriff eingeht, als eben die menschliche Wirklichkeit den Stoff der Dichtung
abgibt, die Menschen darstellt und »macht«, im wesentlichen also der drama
tischen und epischen Dichtung, deren Analyse denn auch der Inhalt der Poetik
des Aristoteles ist.
Ein noch helleres Licht auf die Identität von noirjoig und ßißrjmg werfen
aber zwei an sich unscheinbare Stellen, die möglicherweise den Grund sichtbar
machen, aus dem das, was wir als Lyrik bezeichnen, nicht in dem JJmi Jlonjn-
xfjg betitelten Werke behandelt ist. Aristoteles wundert sich darüber, daß die
Leute den Begriff des >Dichtens< (ro noielv) nur auf das Versmaß zurück
führen, z. B. das elegische, auch wenn ein in diesem Metrum abgefaßtes >Sprach-
werk< gar keine /li/xrjaig ist, wie etwa das Naturgedicht des Empedokles: »in
dem die Leute das Dichten mit dem Metrum verknüpfen, nennen sie die
Elegiendichter epische Dichter, geben den Namen Dichter also nicht nach der
Mimesis, sondern nach dem Metrum . .. Homer und Empedokles haben aber
nichts gemein außer dem Metrum (dem Hexameter), weshalb man jenen einen
9 . . . /u/xovvzcu y.ai ij&r] y.al näftr] xal jindgeig (ebd.)
10 Es fällt auf, ist aber bezeichnend, daß Aristoteles auch den Dithyrambus zu den /¿i/zrioeg
rechnet. Dieser war ein von Flötenspiel begleitetes Chorlied, das >Handlung< darstellte,
nämlich die Schicksale des Dionysos und anderer mythischer Gestalten; aus ihm haben sich
bekanntlich, schon nach der Auffassung des Aristoteles, die Tragödie und das Satyrspiel
entwickelt. Hieraus scheint auch zu erhellen, warum im selben Zusammenhang »der größte
Teil des Flöten- und Kitharaspieles« genannt ist, offenbar solche Instrumentalmusik, die
Dithyramben- und andere »darstellende« Dichtung begleitete. — Überdies sei hier darauf
hingewiesen, daß Mimesis ursprünglich sich auf den Tanz und die diesen begleitende Musik
bezog. (Koller, S. 104)
11 Eitel de ßi/iovvzai ol fUfiovfievoi ngdzzovTag, dvdyxr/ öe zovzovg fj onovdaiovg fj
tpavXovg elvai . . . rjroi ßefaiovag rj xa&’ r'j/zäg rj yj:iQovag fj xai zotovzovg; üaneg oi
ygaqreig (1448 a ).
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