21
jenige besondere Kunst, an welcher zugleich die Kunst sich aufzulösen beginnt
und für das philosophische Erkennen ihren Übergangspunkt . . . zur Prosa
des wissenschaftlichen Denkens erhält.« 17 Mit diesem Satze Hegels befinden wir
uns bereits in jenem Gebiete der Dichtungstheorie, das wir als das spezifisch
logische von dem ästhetischen unterscheiden müssen. Hegel durchschaute sehr
scharf die hier vorliegenden Verhältnisse, wenn er als das eigentliche Material
der Dichtung nicht die Sprache als solche, sondern »die geistige Vorstellung
und Anschauung« bezeichnet, in bezug auf die »das Material, durch welches
sie sich kundgibt, nur noch den Wert eines wenn auch künstlerisch behandelten
Mittels für die Äußerung des Geistes an den Geist hat« 18 . Deutlich trennt hier
Hegel die logische von der ästhetischen Seite der Dichtung, wenn er auch das
Problem der Sprache selbst nicht durchdacht und den Zusammenhang zwischen
ihrer logisch-grammatischen und ihrer dichtungskonstituierenden Funktion
nicht erkannt hat. Worauf es aber in diesem Zusammenhang zunächst an
kommt, ist die Erkenntnis Hegels, daß die Dichtung darum in Gefahr ist, sich
selbst als Kunst, und damit das Kunstsystem, aufzulösen, weil sie dem allge
meinen Vorstellungs- und Denksystem angehört, »das Vorstellen auch außer
halb der Kunst die geläufigste Weise des Bewußtseins ist« 19 . In dieser Fest
stellung tritt nun der Wirklichkeitsbegriff hervor, der allein das Kriterium für
die Form und die Formen der Dichtung enthält: die Wirklichkeit, die im Modus
des Gedachtseins existiert, d. h. als Gegenstand der Vorstellung und jeglicher
Art von Beschreibung. »Das Denken«, sagt Hegel, »verflüchtigt die Form der
Realität zur Form des reinen Begriffs, und wenn es auch die wirklichen Dinge
in ihrer wesentlichen Besonderheit und ihrem wirklichen Dasein faßt und er
kennt, so erhebt es dennoch auch dies Besondere in das allgemeine ideelle
Element, in welchem allein das Denken bei sich selber ist.« 20
Die »zur Form des reinen Begriffes verflüchtigte Realität« ist die Realität,
die sowohl in der dichtenden wie in der nicht-dichtenden Sprache, »in der
Prosa des wissenschaftlichen Denkens« 21 , aufgebaut werden kann. Was eine
gemalte Landschaft von einer wirklichen unterscheidet, ist unschwer anzu
geben. Nicht ebenso greifbar aber ist die Grenze, die die Beschreibung einer
Landschaft in einer Dichtung von einer außerdichterischen Landschafts
beschreibung trennt (wie wir hier noch in vorlogischer Unbestimmtheit sagen
17 Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, hrsg. v. Hotho, Berlin 1843, S. 232
18 Ebd., n, S. 260
19 Ebd., m, S. 234
20 Ebd., in, S. 242
21 Wissenschaftliches Denken bedeutet bei Hegel (und Fichte) theoretisches Denken.