Full text: Die Logik der Dichtung

ist es daher, daß die entscheidend fiktionalisierenden Darstellungsformen, die 
Verben der inneren Vorgänge angewandt auf dritte Personen, damit die erlebte 
Rede, ja auch der Monolog, kurz die Gestaltung der Subjektivität dritter Per 
sonen im Ich-Roman nicht Vorkommen können — und zwar weder in bezug 
auf dritte Personen noch auf den Ich-Erzähler selbst, der als Erzählender 
sich selbst damit aufheben und zur Erzählfunktion werden würde. Diese For 
men bezeichnen die absolute Grenze, über die hinaus die Ich-Erzählung das 
Gebiet der Wirklichkeitsaussage nicht verlassen kann. Keine noch so am Tage 
hegende Fingiertheit des Ich-Erzählers kann daran etwas ändern, macht die 
Ich-Erzählung zur Fiktion. 
Hier läuft also im Raume der erzählenden Dichtung selbst die Grenze, die 
die epische Fiktion kategorial von der episch-romanhaften Wirklichkeitsaus 
sage trennt. Und das heißt, daß zwar, wenigstens auf den ersten Blick, nicht die 
rein ästhetische, inhaltliche oder gehaltliche Betrachtungsweise den Ich-Roman 
als einen Fremdling im epischen Bereiche zu kennzeichnen oder auch nur zu 
empfinden braucht, wohl aber die logische. Und sehen wir dann näher zu, so 
stellt sich in mancher entscheidenden Hinsicht heraus, daß es eben zuletzt doch 
die logische Struktur ist, die auch dem ästhetischen Aspekt des Ich-Romans 
ein anderes Gepräge gibt, die Interpretation in anderer Richtung orientiert als 
die eines Er-Romans. Denn auch der Interpret >weiß< von dieser Welt und von 
diesen Menschen nur durch den Ich-Erzähler, während es eben falsch wäre zu 
sagen, daß wir von der Welt und den Menschen einer Fiktion durch den >Er- 
zähler< wüßten. Denn es wird nun auch von der Seite der Ich-Erzählung her 
noch einmal deutlich, daß die Fiktion eben nicht durch einen >Erzähler<, son 
dern eine Erzählfunktion konstituiert wird, ja daß der Begriff Erzähler nur für 
die Ich-Erzählung terminologisch richtig ist. Der Ich-Erzähler >erzeugt< nicht, 
was er erzählt, sondern erzählt von ihm in der Weise jeder Wirklichkeitsaus 
sage: als von etwas, das das Objekt seiner Aussage ist und das er nur als Objekt 
(und also, wenn es Personen gilt, nicht auch als Subjekt) darstellen kann. Da 
her kann auch die Interpretation eines Ich-Romans niemals den Bezug der 
übrigen geschilderten Menschenwelt auf den Ich-Erzähler ganz fallen 
lassen. Diese Menschenwelt ist eben darum, weil sie das Aussageobjekt des 
Ich-Erzählers ist, niemals ganz objektiv geschildert: die subjektive Auf 
fassung geht in die Schilderung in logisch-erkenntnistheoretisch gleicher Weise 
ein wie in jede Aussage überhaupt. Der Roman Pär Lagerkvists »Der Zwerg« 
stellt diese Struktur einer Ich-Erzählung in besonders scharf ausgeprägter, 
nahezu paradigmatischer Weise dar. Es gehört zum Sinngehalt dieser Renais 
sanceerzählung, daß auch der Leser von den durch den Hofzwerg beschrie
	        
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