Full text: Die Logik der Dichtung

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einer dritten Disziplin, der Sprachtheorie, ausgefüllt werden kann. Als Sigwart 
die Definition des Urteils dahin formulierte, »daß ich etwas von etwas aus- 
sage«, hatte er das sprachtheoretische Problem — unwissentlich — berührt, 
aber es sogleich wieder ausgeschaltet, indem er »das ich sage ... aus« weiter 
hin nicht mehr einbezog und nur die traditionelle Urteilsformel »Von etwas 
wird etwas ausgesagt« erörterte. Nun, Sigwart — und dieser Name steht hier 
stellvertretend für die ältere Logik überhaupt — brauchte sich um die Bedeu 
tung dieses »ich sage aus« nicht zu kümmern, so wenig wie die Grammatik, die 
sich mit dem Aussagesatz befaßt. Andererseits hat auch die Psychologie und 
die Phänomenologie nichts damit zu tun, denn die Bedeutung des »ich sage 
aus« dieses Satzes ist nicht die eines Bewußtseinsaktes, einer »subjektiven 
Tätigkeit«, die in diesem Satze gegebene Definition betrifft das Urteil, nicht 
aber das Urteilen. Dies muß besonders mit Hinsicht auf eine Bemerkung 
Husserls betont werden, der in »Erfahrung und Urteil« der traditionellen Lo 
gik den Vorwurf macht, daß sie »das Urteilen als subjektive Tätigkeit«, als 
»Leistung des Bewußtseins«, nicht, »wie es nötig gewesen wäre, in das Zen 
trum ihrer Betrachtungen gestellt hat, sondern der Psychologie überlassen zu 
können glaubte« 46 . Husserl setzt die — wie er will, nicht psychologische, 
sondern phänomenologische — Problematik des Urteilens als subjektive 
Tätigkeit als die notwendige Alternative zu der formalen Urteilslehre, in der, 
wie es ausdrücklich heißt, das Urteil, als Apophansis, »dem Logiker zunächst 
... in seiner sprachlichen Ausformung als Aussagesatz vorgegeben ist« 47 . 
Diese Alternative bzw. »die Doppelseitigkeit der logischen Thematik«, die 
Husserl aufstellt, macht es besonders deutlich, daß in Hinsicht auf das Problem 
der Aussage zwischen Logik und Grammatik eine Lücke vorhanden ist, die 
nicht durch die Phänomenologie des Urteilsaktes ausgefüllt werden kann, 
aber, wie nochmals betont sei, durch die Bezeichnung des prädikativen Urteils 
als Aussage verdeckt wurde. — Die unwillkürliche, ein Subjekt einbeziehende 
Form aber, die Sigwart der Urteilsdefinition als der einer Aussage gab, richtet 
die Aufmerksamkeit auf eine Struktur, die, wohlverstanden, in Sigwarts 
Formulierung keineswegs gemeint war. Es bedarf des Hinweises nicht, daß 
dieses Subjekt nichts als den Namen mit dem logischen Subjekt, dem Hypo- 
keimenon, wie auch dem grammatischen Subjekt gemeinsam hat. Es ist nicht 
das Subjekt der Aussage, sondern das Aussage-Subjekt, während es wiederum 
falsch wäre, es als das aussagende Subjekt zu bezeichnen, also etwa als die von 
Husserl ins Auge gefaßte »subjektive Tätigkeit« des Urteilens oder Aus- 
46 Erfahrung und Urteil, S. 9 
47 Ebd., S. 7
	        
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