Full text: Die Logik der Dichtung

7. Können Sie morgen zu mir kommen ? 
8. Laß mich in Ruhe! 
pragmatisches 
Aussagesubjekt 
9. Nicht aus dem Fenster lehnen! 
Diese Sätze sind, wie angegeben, nach ihrer Zugehörigkeit zu den drei 
Aussagesubjekt-Kategorien geordnet. Aber die Art der Subjekt-Objekt-Polari- 
tät, die jede dieser Aussagen qua Aussage strukturiert, ist nicht durch diese 
Zugehörigkeit gegeben. Der Behauptungssatz in 1. Person eines historischen 
Aussagesubjekts »Ich bin Lehrer« (1.) erscheint objektiver als der rhetorische 
Fragesatz des philosophischen, also theoretischen Aussagesubjekts, das Kant 
heißt (6.), dieser noch subjektiver als der Fragesatz des philosophisch-theo 
retischen Aussagesubjekts Heidegger (5.). Der Ausrufesatz des historischen 
Aussagesubjekts (2.) ist zweifellos subjektiver als der mit Ausrufezeichen ver 
sehene Verbotssatz (9.), der Fragesatz (7.) wiederum objektiver als der Be 
fehlssatz (8.). Diese Beispiele dürften genügen, um sichtbar zu machen, daß es 
in der Totalität des — aus allen Satzmodalitäten — bestehenden Aussage 
systems keine Aussage gibt, die nicht auf den Grad ihrer Objektivität und, vice 
versa, ihrer Subjektivität befragt werden kann. Das Polaritätsverhältnis, das 
zwischen Subjekt und Objekt besteht, tritt gerade im Vergleichen von Aus 
sagen in Erscheinung, von denen eben die eine sich als subjektiver oder ob 
jektiver erweist als die andere. Erst in der sprachlichen Manifestation, dem 
(formulierten) Satz, erscheint Subjektivität in ihrem polaren Bezug auf Objek 
tivität und umgekehrt, erweist sich wirklich die subjektive Formulierung als 
eine weniger objektive und umgekehrt die objektive als eine weniger sub 
jektive — wobei der Grad des weniger oder mehr die Grenze des absolut 
Objektiven erreichen kann, und zwar in dem (einzigen) Fall des mathematischen 
Satzes in der Form des Behauptungssatzes. Denn schon wenn der mathe 
matische Satz in die Form einer Frage gekleidet wird, etwa im Munde des 
Lehrers — Schneiden sich Parallelen im Unendlichen? oder Wo schneiden 
sich Parallelen? — erhält die Objektivität der Aussage eine subjektive Ver 
minderung, die eben die der Frage selbst ist. 
Mit diesem Beispiel sind zugleich zwei weitere Momente berührt. Es hat 
seinen Grund, daß nur eine Grenze absoluter Objektivität, nicht aber eine 
solche absoluter Subjektivität erreicht werden kann. Die absolute Objektivität 
der mathematischen Aussage (als rein theoretischer und hier paradigmatisch 
für diese) hat zum Subjektpol die interindividuelle Allgemeinheit des Aussage 
subjekts, das als bemerkbares Subjekt nicht erscheint, eben weil es in der All 
gemeinheit aller denkbaren Aussagesubjekte verschwindet. Umgekehrt gibt 
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