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enthalten ist, ihnen konstituierend zugrunde liegt. Wenn es erst im jetzigen
Zusammenhang herausgestellt wird, so geschieht es deshalb, weil erst mit seiner
Hilfe die Beschaffenheit der Aussage als Wirklichkeitsaussage begründet wer
den kann. — Auf die Frage nach seinem Ort in der Zeit antwortet natürlich das
historische Aussagesubjekt am leichtesten und unmittelbarsten, eben weil
es sich in ihm um ein individuelles Subjekt handelt, dessen Aussagen — etwa
die eines Brief- oder Memoirenschreibers — datierbar sind, Daten, die um der
individuellen Existenz dieser Aussagesubjekte willen von Interesse und u. U.
von Relevanz sind. Die verschiedenen Arten der theoretischen Aussagesub
jekte, und d. h. die verschiedenen Objektivitätsgrade der theoretischen Aus
sagen bringen es mit sich, daß die Frage nach der Zeit des Aussagesubjektes
zwar prinzipiell immer gestellt werden kann, aber mehr oder weniger relevant
bzw. beantwortbar ist. Wenn beispielsweise bei Zeitungsberichten die Datie
rung wichtig ist, so ist die Zeit der Abfassung eines Lehr- oder sonstigen Sach
buches erst unter dem Gesichtspunkt relevant, ob es etwa veraltet oder auch
unter dem Einfluß einer bestimmten Zeitströmung geschrieben ist. Daß bei
rein theoretischen Aussagen die Frage nach der Zeit des Aussagesubjekts so
zusagen ins Leere greift, hängt notwendig eben mit seiner absoluten >Unper-
sönlichkeit<, seiner interindividuellen Allgemeinheit zusammen, die jedes
denkbare, aber kein bestimmtes Aussagesubjekt meint. — Was das pragmati
sche Aussagesubjekt, das des Frage-, Befehls- und Wunschsatzes betrifft, so ist
die Frage nach seinem Ort in der Zeit aus einem anderen, nahezu entgegen
gesetzten Grunde zwar möglich aber irrelevant. Denn es ist immer der jeweilige
Gegenwartspunkt, das Jetzt und Hier, in dem jemand fragt, befiehlt oder
wünscht, wie denn diese Satzmodalitäten vornehmlich, wenn nicht ausschließ
lich gesprochene Rede sind und im (nicht-dichterischen) Schrifttum nicht er
scheinen, es sei denn im Falle rhetorischer Frage- und Wunschsätze.
Definierten wir die Realität des Aussagesubjekts, und damit die Wirklichkeits
aussage, durch seinen Ort in der Zeit, so haben wir damit nur die eine Kompo
nente des raumzeitlichen Koordinatensystems herausgehoben, das Wirklich
keit als raumzeitliche Wirklichkeit beschreibt und damit umgekehrt, worauf
es hier ankommt, raumzeitliche Wirklichkeit als Wirklichkeit. Daß die Zeit
an den Raum gebunden ist und umgekehrt, bedarf hier der Erörterung nicht.
Aber wie ineinander verschränkt in physikalischer Hinsicht Raum und Zeit
auch sind — es ist für die Definition der Wirklichkeit die Zeit und das Zeiter
lebnis die entscheidende, den Raum überwachsende Komponente. Das
Erlebnis des Raums ist an das Jetzt und Hier der Wahrnehmung und etwa der
erinnernden bzw. entwerfenden Vorstellung gebunden. Schon alle geschicht-