Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

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benutzt, um von der Bahn aus Hülfe für Unglücksfälle herbeizu 
rufen und sonstige Nachrichten zu geben. Anfänglich benutzte 
man zu diesem Zwecke Portative Apparate, welche in den Zügen 
mitgeführt wurden, indessen hat sich bald herausgestellt, daß solche 
Apparate, wenn sie oft Jahre lang nicht benutzt waren, im 
Augenblicke der Noth ihren Dienst versagten, und daß die Kon 
dukteure in der Aufregung das seit längerer Zeit nicht mehr ge 
übte Telegraphiren mittelst dieser Apparate nicht handhaben konnten. 
Eine einfachere Benutzung der Leitung ist mittelst der In 
duktionsapparate, welche sehr dauerhaft und zuverlässig sind und 
sich leicht einschalten lassen, durchführbar, indem man mittelst der 
selben von einem beliebigen Punkte der Bahn aus alle Läutewerke 
der Linie in Bewegung setzen kann. Auf diese Weise läßt sich 
nun allerdings ein Hülfssignal geben, es kann aber nicht ange 
zeigt werden, wo ein verunglückter Zug liegt und welcher Art von 
Hülfe er bedarf. Auch ist es schon vorgekommen, daß bei Zu 
sammenstößen oder Entgleisungen der portative Apparat durch 
Zertrümmerung des ihn enthaltenden Wagens unzugänglich ge 
macht war. 
Diesen Uebelständen ist nun die folgende Einrichtung nicht 
unterworfen. 
In den Läutewerken sind auf der Welle, welche die Hämmer 
in Bewegung setzt, mehrere Scheiben befestigt, auf deren Umfang 
eine Reihe von kürzeren oder längeren Erhöhungen, entsprechend 
den Punkten und Strichen der telegraphischen Schrift sich befinden; 
ferner hängen an dem Läutewerke mehrere besonders geformte 
Schlüssel, von welchen jeder für ein besonderes Signal gilt. Wird 
nun ein solcher Schlüssel in das Läutewerk gesteckt und umgedreht, 
so wird das Laufwerk ausgelöst und gleichzeitig von der mit dem 
Schlüssel korrespondirenden Scheibe der Umfang mit der Leitung 
in Kontakt gebracht. Dadurch wird nun auf der Endstation zu 
nächst ein Wecker in Bewegung gesetzt und wenn darauf der 
Sprechapparat eingeschaltet ist, auf demselben die Reihe der Er 
höhungen von dem Umfange der Scheibe als telegraphische Schrift 
dargestellt. Die Station ersieht nun dadurch, von welchem Punkte 
der Bahn die Mittheilung ausgeht und welche Art von Hülfe 
verlangt wird. 
Eine noch vollkommenere Einrichtung für Hülsssignale besteht 
darin, daß man die Leitung der elektrischen Läutewerke an ver 
schiedenen, nicht allzu weit auseinander liegenden Punkten der 
Bahnlinie mit förmlichen elektrischen Sprechapparaten ausstattet. 
Diese Apparate sind in kleinen Kästchen enthalten, welche in den 
Wärterhäuschen an der Wand aufgehängt werden. Beim Gebrauch 
ertönt zunächst ein Wecker, worauf der Sprechapparat einzuschalten 
ist, um in gewöhnlicher Weise auf einem Papierstreifen die Mel 
dung entgegen zu nehmen. Diese Einrichtung hat sich auf mehreren 
Bahnen gut bewährt; die betreffenden Bahnwärter haben das Te 
legraphiren leicht gelernt und werden in fortdauernder Uebung 
dadurch gehalten, daß sie täglich eine halbe Stunde mit ihrem 
Nachbarn sich telegraphisch unterhalten und auch alle dienstlichen 
Meldungen mittelst des Apparats machen müssen. 
Zur Abwendung der im Eingänge erwähnten zweiten Art 
von Gefahr, welche von der Möglichkeit des Aufstoßens eines 
Zuges auf einen vorausfahrenden Zug herrührt, diente früher nur 
die Aufmerksamkeit der Bahnwärter, welche, sobald sie bemerkten, 
daß der Abstand zwischen beiden Zügen unter ein bestimmtes Maß 
heruntergekommen war, den zweiten Zug zum Langsamfahren oder 
Anhalten mittelst Signale aufzufordern hatten; ferner war dem 
Personal eines auf der Bahn zum Stillstände gelangten Zuges 
aufgegeben, dem nachfolgenden Zuge entgegen zu gehen, um ihm 
das Haltezeichen zu ertheilen. Derartige Hülfsmittel sind nun 
wohl noch für einen mäßig starken Verkehr, nicht aber für eine 
sehr lebhafte Frequenz ausreichend und ist daher die Vorschrift 
des Bahnpolizei-Reglements, derzufolge Züge sich nur in Stations 
distanz folgen dürfen, dahin zu verstehen, daß auf frequenten 
Linien zwischen zwei eigentlichen Stationen noch besondere Signal- 
Stationen hergestellt werden sollen, wobei die Einrichtung zu treffen 
ist, daß immer zwischen je zwei derartigen Stationen gleichzeitig nicht 
mehr als ein Zug auf der Linie sich befinden darf. Diese Signale 
werden Blocksignale genannt (von Blocus, Blockiren, weil durch 
das Signal die Einfahrt in die nächste Bahnstrecke verschlossen 
wird); sie bestehen gewöhnlich aus mäßig hohen Masten, welche 2 
Flügel (für jede Bahnrichtung einen) tragen und Nachts weißes 
oder rothes Licht zeigen. Mittelst einer elektrischen Leitung sind 
dieselben mit einander in Kommunikation gesetzt, damit das Passiren 
eines Zuges der zunächst nach rückwärts gelegenen Station ange 
zeigt werden kann. Die Einrichtung der Signale ist die folgende. 
Ein kleines Kästchen zeigt für jede Bahnrichtung auf schwarzem 
Grunde hinter einer runden Oeffnung entweder die rothe Farbe 
(Bahn geschlossen) oder die weiße Farbe (Bahn frei); diesen Far 
ben entsprechend müssen die Flügel des Mastes voin Wärter ge 
stellt werden. Um nun aber diese Flügelstellung nicht der Will 
kür der Wärter zu überlassen, ist der Apparat so angeordnet, daß 
ein auf das Signal „Bahn geschlossen" gestellter Flügel nicht zu 
rückgestellt werden kann, bevor nicht der Wärter des nächsten Sig 
nals denselben frei gemacht hat, und zwar kann der letztere dieses 
auch nur dadurch, daß er an seinem eigenen Apparat das Signal 
„Bahn geschlossen" einstellt. Jeder Wärter hat demnach, wenn 
ein Zug bei seinem Signale vorbeifährt, die Bahnstrecke, in welche 
dieser Zug hineinführt, für nachfolgende Züge zu schließen, öffnet 
aber durch diese Manipulation die vorhergehende Strecke, auf 
welcher sich kein Zug mehr befindet, für weitere Züge und kann 
darauf die von ihm geschlossene Bahnstrecke erst wieder frei machen^ 
wenn der nächstfolgende Wärter nach dem Passiren des Zuges an 
dem eigenen Signal das Haltezeichen gegeben und dadurch das 
zuerst genannte Signal durch Einstellen der weißen Farbe in dem 
erwähnten Kästchen als frei gemacht bezeichnet hat. Auf diese 
Weise ist, wenn nun sofort nach dem Abgänge eines Zuges hinter 
demselben von dem ersten Blocksignale das Haltezeichen gegeben 
ist, die Gewißheit erreicht, daß zwischen je 2 Blocksignalen immer 
höchstens nur 1 Zug sich befindet und kann die Unachtsamkeiten eines 
Wärters im schlimmsten Falle nur veranlassen, daß, wenn er die 
vorhergehende Bahnstrecke nicht rechtzeitig frei gemacht hat, ein 
Zug länger als erforderlich ist, von einem Haltezeichen aufgehalten 
wird. Zur Verhütung solcher Unachtsamkeit ist übrigens auch die 
Einrichtung getroffen, daß jeder Blockwärter die Aufmerksamkeit 
der Nachbarn mittelst elektrischer Weckapparate anregen kann. 
Die letzte Gattung von Signalen, welche noch zu beschreiben 
ist, hat den Zweck, die Einfahrt in die Bahnhöfe zu sichern; es 
sind dieses die sogenannten Bahnhof-Deckungssignale. Bei ihnen 
kommt das Prinzip immer mehr und mehr in Aufnahme, daß für 
gewöhnlich die Einfahrten in die Bahnhöfe durch Signale ge-
	        
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