Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

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ist mit großen die 9 Musen darstellenden getriebenen Reliefs ver 
ziert. Die Plattform ist mit Reliefs bedeckt, Musik und Dichtung 
symbolisirend, das Rahmwerk in schwarz gebeiztem Stahl mit den 
feinsten Arabesken in Silber und Gold eingelegt und damascirt. 
Der Künstler soll 6 Jahre an diesem Kunstwerk gearbeitet und die 
Arbeit allein mit 6000 Pfund Sterling bezahlt worden sein. 
Im Ganzen war die Broncewaaren-Jndusirie Englands nicht 
besonders reich vertreten. In Lüstern wenig Hervorragendes, da 
gegen in Anwendung von, in den verschiedensten Querschnitten ge 
zogenen Messingröhren zu Geländern rc., waren treffliche Arbeiten 
mit einem Vernis von der Reinheit schöner Vergoldung, in welchem 
die Engländer die Meisterschaft behaupten, ausgestellt. 
Gehen wir auf Oesterreich über, so begegnen wir hier einer 
stark entwickelten Bronce-Jndustrie. 
Als ich Wien im Jahr 1850 zum erstenmale besuchte, interes- 
sirte mich diese damals im Anfange begriffene Industrie sehr. 
Firnkorn hatte bereits sein großes Atelier etablirt und W. Hol 
lenbach, welcher wohl als Gründer der österreichischen Bronce- 
waaren-Jndustrie zu betrachten ist, begann bereits mit Erfolg die 
Ausführung von Lustres, Kandelabern u. dergl. nach den Zeich 
nungen von bedeutenden Wiener Künstlern, so daß sie auf der ersten 
Ausstellung zu London bereits Aufsehen erregte. 
Mit der raschen Entwicklung Wiens und dem steigenden 
Luxus erhob sich auch diese Industrie auf ihre jetzige Höhe, ge 
stützt in ihrer künstlerischen Ausbildung auf die ersten Baumeister, 
welche die Zeichnungen nicht allein fertigen, sondern auch die 
Ausführung sorgfältig überwachen. Die technischen Fortschritte, 
besonders in der Vergoldung, wurden größtentheils in Frankreich 
und England erworben und ein tüchtiger Arbeiterstamm herange 
zogen, zu dessen Ausbildung wohl auch das neu errichtete Gewerbe- 
Museum sehr vieles beigetragen hat. 
Unter den Ausstellern hat W. Hollenbach durch seine so 
wohl in Form als Technik trefflich ausgeführten Arbeiten wohl 
das Beste in einer reichen Ausstellung von Kandelabern, Lüstern, 
Kaminschirmen, Girandoles und besonders in dem von Hansen 
gezeichneten, unter Lobmaier's Firma ausgestellten Tafelaufsatz 
in vergoldeter Bronce geliefert. Nahezu gleichbedeutend wird die 
Firma Dziedzenski und Hanusch sein, deren silberner Tafel 
aufsatz ebenso trefflich ausgeführt war. In Bronce-Gußwaaren 
leisten sie ebenfalls Bedeutendes. Diesen schließen sich eine Menge 
Firmen an, welche besonders auch für Etui's und Leder-Galanterie, 
Bücher- und Albumdecken auf's Vielseitigste beschäftigt sind, und 
in diesen Artikeln den französischen Erzeugnissen völlig ebenbürtig 
an die Seite gestellt werden dürfen. So selbstständig auch die 
Wiener Künstler in ihren Entwürfen, denen sie die pünktlichste 
Ueberwachung zu Theil werden lassen, so schön auch im Ganzen 
die ornamentalen Parthien ausgeführt sind, so zeigt sich in Ver 
gleichung der figürlichen Darstellung doch, wie weit die französischen 
Künstler in Lebendigkeit und Grazie ihnen noch vorausgehen, 
während die technische Vollendung wenig zu wünschen übrig läßt. 
In Lüstern waren meiner Ansicht nach die Wiener Aussteller den 
französischen überlegen. 
Ehe ich zu dem Nächstliegenden Deutschland übergehe, glaube 
ich noch einige Länder kurz erwähnen zu müssen, wie Italien, 
das ja im Mittelalter im Erzguß im Anschluß an die Gold 
schmiedekunst die bedeutendsten Arbeiten lieferte und die Lehrmeisterin 
aller umliegenden Länder jener Zeit war. Die Künstler waren da 
mals vollkommen selbstständige Meister, Bildhauer, Gießer, Ciseleure, 
Alles in einer Hand vereinigt, so entstanden jene prachtvollen 
Werke, wie die Broncethüren von Ghiberti in Florenz rc. 
Venedig lieferte treffliche Bronce-Arbeiten, wie es das Vorzüglichste 
in Niello und Filigran hervorbrachte. Diese Kunstfertigkeiten 
haben sich zwar noch bis heute fortgepflanzt, jedoch jene Zeiten 
nicht mehr erreicht, denn mit dem Untergang der Renaissance 
kamen auch diese Industriezweige zurück und erhoben sich zu ihrer 
früheren Höhe nicht wieder. 
Rußland besitzt eine Jahrhunderte lang auf gleicher Stufe 
sich befindende Kunstindustrie mit tüchtigen technischen Kräften und 
einer gleich alten eigenthümlichen Kunstrichtung, die wohl auch in 
einzelnen Metallgüssen Bedeutendes leistete, sich aber besonders her 
vorragend nur in der Goldschmiedekunst darstellte. 
Von höchstem Werthe aber waren die Ausstellungen China's 
und Jap an's, die ein wahres Wunderland vor den erstaunten 
Blicken öffneten, selbst für diejenigen, welche mit einzelnen Kunst 
zweigen dieser orientalen Kulturvölker bereits vertraut waren. 
Die hohe Vollendung der Broncen zeugt von trefflicher tech 
nischer Ausbildung, jeder Schwierigkeit gewachsen. 
Am Höchsten aber stehen die eingelegten emaillirten Broncen 
mit ihren dauerhaften, so reizend schön zusammengestellten Farben, 
mit einer vollendeten Technik, die uns noch lange als Vorbild dienen 
werden. 
Beim Eintritt in das Deutsche Reich glaube ich daran 
erinnern zu müssen, wie jeder Zweig der Kunstgewerbe im Mittel 
alter bei uns so hoch entwickelt dastand, wie die Broncegießerei 
zwar auch aus Italien ihre Lehrmeister erhielt, die sich in den 
schönen Brunnen Augsburgs heute noch darstellen, hieraus sich 
aber selbstständig hinaufarbeitete und seine hohe Vollendung in 
urwüchsig deutschen Werken, wie an Peter Vischer's Sebaldusgrab 
in Nürnberg u. dergl. bekundeten. 
Ebenso aber auch, wie das unglückliche Land der Tummel 
platz der europäischen Kriegeshorden wurde, und die schönen Künste, 
die in den freien reichgewordenen Handels- und Gewerbestädten 
ihre schützende Heimath gesunden hatten, mehr und mehr verarmten. 
So sank mit dem Wohlstände die Kunst lind die damit eng ver 
bundenen Gewerbe, und lange Zeit war dann zu deren Erweckung 
erforderlich. 
Erst mit der Wiederhebung der bildenden Künste trat auch 
die monumentale Erzgießerei wieder auf, wovon z. B. Schlüter's 
Guß der Reiterstatue des „Großen Churfürsten" in Berlin ein 
hervorragendes Kunstwerk jener Zeit bildet. 
Als nun König Ludwig von Bayern in seinem Streben für 
die Hebung der bildenden Künste auch die Pflege der Erzgießerei 
für seine monumentalen Bauten mit großem Eifer erfaßte, gedieh 
diese durch die Münchener Gießerei, welche in Stieglmaier und 
Müller würdige Meister erhielt, zur höchsten Blüthe und gipfelte 
im Guß der Bavaria, welche ihr den wohlbegründeten Weltruf 
verschaffte. 
Gleichbedeutendes leistete die Berliner Erzgießerei in dem Denk 
mal Friedrichs des Großen von Rauch und gleichzeitig waren die 
Erzgießereien von Lauchhammer und Burgschmied (Lenz-Herold) 
in Nürnberg entstanden und bezeugten auch deren Arbeiten auf 
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