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genommen, da man es in der Hand hatte, vor Ort durch Ver
strebungen nach rückwärts der Möglichkeit von Längenverschiebun
gen vorzubeugen.
Nach der Arbeits-Disposition sollte der Vollausbruch zwischen
zwei benachbarten Förderschächten, von beiden Schächten her vor
gehend, fertig gestellt werden, um sodann von dem in der Mitte
liegenden Hülfsschacht aus nach beiden Seiten die Ausmauerung
herstellen zu können.
Die Vortheile dieses Systems, welches auf die geringen Di
mensionen des Siel-Querschnitts und verhältnißmäßig günstige
Gebirgsverhältnisse, denn nur für solche konnte dieser Einbau an
wendbar sein, basirt war und mit dessen Ausführung auch der An
fang gemacht wurde, waren folgende:
Durch das Vorgehen mit Vollausbruch strebte man an, das
Gebirge so wenig als möglich in Bewegung zu setzen und da
durch ungünstige und wachsende Drucküußerungen thunlichst zu ver
hindern. Beim Anhauen von schwimmendem Gebirge konnte man
sofort mit Abtreibearbeit vorgehen, auch bei größerem Druck die
Thürstöcke nach Erforderniß enger stellen. Die Zimmerung war
sehr einfach und es sollte sich die verlorene Zimmerung auf die
Firstpfähle und Sohlschwellen beschränken.
Der Raum konnte in erwünschter Weise für die Maurerar
beiten stet bleiben, auch war ein Theil der Zimmerung, die ho
rizontalen Zangen, direkt für das Mauergerüst zu benützen. Der
Betrieb endlich war Vortheilhaft einzutheilen und besonders konnten
Kollisionen zwischen Bergleuten und Maurern möglichst vermieden
werden, da jeder Parthie ein besonderer Schacht angewiesen war.
Der Uebelstand, welcher auf den ersten Blick bei diesem Ein
bausystem bemerkbar ist, daß nämlich rechts und links vom First
hinter der Mauerung Zwickel bleiben, welche ausgestopft werben
müssen, wurde nicht hoch angeschlagen, da gebrüches Gebirge er
wartet und daher schlimme Folgen nicht befürchtet wurden. Die
Arbcitsvermehrung, welche durch das nothwendige Hinterfüllen des
Mauerwerks entstand, erschien nicht bedeutend,, da angenommen
wurde, daß das unmittelbar vor dem fertigen Mauerwerk aus der
Sohle gewonnene Haufwerk das Material zum Hinterfülleu ab
geben würde.
Im schwimmenden Gebirge mußte freilich ein Ausmauern
dieser Zwickel in Aussicht genommen werden, ein Nachtheil des
Systems, das unter Umständen bedeutende Mehrarbeiten und Kosten
verursachen mußte.
Die Ausmauerung konnte in rascher Folge betrieben werden,
sobald der Einbau von einem Förderschacht zum andern vollendet
war. Das Sohlengewölbe bis zum Kämpfer wurde ununterbro
chen fortgesetzt, indem vorläufig nur Schlitze für die später her
auszunehmenden Thürständer und Bockstreben offen gelassen wur
den. Ueber den Kämpfern wurde das Gewölbe von Thürstock zu
Thürstock mit Stockverzahnung geschloffen, die verlorenen First
pfähle */, Stein stark untermauert und sodann die übrige Zimme
rung weggenomnien.
Der Versuch mit diesem System wurde auf einer kurzen
Strecke von der Bauleitung in eigener Regie ausgeführt.
Das Gebirge zeigte sich jedoch keineswegs so günstig als man
erwartet hatte und es war daher vorauszusehen, daß dw schon
oben berührten Nachtheile des großen Stollenbaus so groß werden
würden, daß dessen Anwendung überhaupt in Frage gestellt wer
den mußte. Besonders war es der große Wasserreichthum des
Gebirges, welcher es wünschenswerth, ja nothwendig erscheinen
ließ, einen möglichst raschen Durchbruch des Gebirges behufs dessen
Entwässerung einzuleiten. Bei dem Unistand, daß der ursprünglich
feste und trockene blaue Thon in der Tiefe in kurzer Zeit durch
das von den Schächten aus nachdringende Wasser gänzlich erweicht
und zum zähflüssigen Schlamm wurde und in dem unerwartet
häufig auftretenden schwimmenden Gebirge konnte das große Stol
lenbau-System schon deshalb keinen Vortheil bieten, weil damit
ein rasches Vordringen nicht möglich war. Der große Stollenbau
konnte aber auch dem länger andauernden Gebirgsdruck keinen
genügenden Widerstand leisten. Nachträgliche Einschaltung von
Thürstöcken erforderten viele Arbeit und erfüllten doch nicht voll
ständig ihren Zweck; dazu kam noch, daß sich, wie schon erwähnt,
die Sohle durch das Wasser aufweichte, was ein Setzen des gan
zen Einbaues zur Folge hatte. Die Schwierigkeiten, welche nun
entstanden, um wieder hinreichendes Profil für die Mauerung zu
erhalten, waren ganz enorm; auch war an eine Einhaltung der
Arbeits-Disposition nicht zu denken, da man sich gezwungen sah,
dem Einbau so rasch als möglich die Ausmauerung folgen zu lassen.
Große Schwierigkeiten waren auch mit dem Schachtbau ver
bunden. — Hiebei war zunächst der Zudrang großer Wasser
massen zu bewältigen, wozu Dampfmaschinenbetrieb nothwendig
wurde. Das häufie Vorkommen von Triebsand und schwimmendem
Gebirge nöthigte zur Anwendung von Spuntpfählen, welche nach
beistehender Form bearbeitet waren. Ein Fort
schwemmen des Triebsandes durch das Wasser hinter den Pfählen,
war trotz der gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln gegen das Auswaschen
des Gebirges durch Ausstopfen mit Stroh und Faschinenbündeln
nicht zu verhindern. Die dadurch hervorgerufenen Aeußerungen
des Gebirgsdrucks auf die Schachtwände verursachten ein Rutschen
der Pfähle und veranlaßten wiederholte Hinterfüllungs-Arbeiten,
welche sehr störend auf den Betrieb einwirkten. Ein weiterer An
laß zu Senkungen der Schachtzimmerung bestand darin, daß der
bis in den Sumpf fertige Schachtbau behufs Einbruchs zur großen
Stollenzimmerung ausgewechselt werden mußte und damit seine
ursprüngliche Unterstützung verlor. Da man bei dem angetroffenen
milden Gebirge von der Anbringung von Tragstempeln im Schachte
keinen Nutzen erwarten tonnte, so sah man sich nun genöthigt,
die ganze Schachtzimmerung an den Tragstempeln über dem Trag
kranz aufzuhängen und dieselben zu dem Zwecke durch Ueberein-
anderlegen von mehreren starken Hölzern und durch Sprengwerke
zu verstärken.
Diese Nachtheile wären größtentheils zu vermeiden gewesen
durch eine seitliche Anordnung der Schächte, anstatt der vorge
schriebenen Lage senkrecht über der Sielachse.
Ungünstig wirkte auch die übergroße Anzahl der Förder- und
Hilfsschächte, welche zur Wasserzuführung und damit Erweichung
des Gebirges wesentlich beitragen mußte, da man statt im untern
festen Thon zu bleiben, die Wasser führenden Sandadern zu oft
ausschloß.
Man sah sich daher genöthigt, den kostspieligen und zeitrau
benden Schachtbau möglichst zu reduziren.
Dieß gab, außer den schon oben angeführten Gründen, die
Veranlassung zur Anwendung des englischen Einbausystems, welches