Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

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Als Ursache dieser Erscheinung glauben wir nun in erster 
Linie das theils schlechte Material, in zweiter ein zu grobes Ge- 
schlag und endlich die Häufung vieler Geschäfte auf eine bestimmte 
Zeit, wo nicht alles rechtzeitig und vollständig zur Ausführung 
gelangen kann, sobald früh eintretender Frost die Einstellung der 
Arbeiten gebietet oder anhaltend schlechte Witterung umfassende 
Arbeiten erfordert, bezeichnen zu sollen. 
Ein gutes Material, was den Einflüssen der Witterung, den 
Wirkungen des Stoßes und der Reibung die größte Widerstands 
fähigkeit entgegensetzt, dabei von solcher Beschaffenheit ist, daß es 
entweder unter sich oder mit Beimengung anderen Materials eine 
innige Verbindung zuläßt, ist eine Hauptbedingung zur Unterhal 
tung guter Straßen und sollte die Beibringung eines solchen un 
bedingt verlangt werden, wo starker Verkehr, schlechte Lage und 
ungünstige klimatische Verhältnisse zusammenwirken. 
In Württemberg sind wir aber zunächst an die zunächstliegen 
den, in unseren Formationen vorkommenden Kalksteine und Dolomite 
angewiesen; außer diesen finden auch kieselhaltige Sand- und 
Thonsteine, sowie Gerölle Anwendung, welche mehr oder weniger 
ihrem Zweck entsprechen. Besonders gutes Material aber, wie 
Basalt, Granit, Granulit, Porphyr rc. kommt vereinzelt vor und 
dient auch zur Unterhaltung einiger Straßen im Neckar- und 
Schwarzwaldkreis; allein so reichhaltig ist das Vorkommen nicht, 
daß es allgemein Verwendung finden könnte und somit steht meistens 
nur das in der Umgegend der einzelnen Straßen vorkommende 
Gestein zu Gebot, was zwar häufig zu weich ist und viel Thon 
enthält, bei sonst geeigneter Auswahl aber unter strenger Aus 
scheidung unreinen und weichen Materials neben sorgsamer Warte 
und Pflege immerhin einen guten Zustand der Verkehrswege zuläßt. 
Zu Vermeidung groben Geschlügs, welches zu Materialverlust, 
langsamer und ungenügender Verbindung, rauher Oberfläche der 
Fahrbahn, baldiger Bildung von Schlaglöchern und somit zu ver 
mehrten Unterhaltungskosten Veranlassung gibt, bestehen zwar schon 
längst entsprechende Verordnungen, bei dem Umstand aber, daß 
dem ungeachtet den Wärtern nicht immer durchaus ordnungsmäßig 
zerkleinertes Material zu Gebot steht, läßt sich der theilweise un 
befriedigte Zustand unserer Straßen gleichfalls erklären. 
Aus den meisten unserer Straßen haben die mit der Unter 
haltung beauftragten Wärter auch das nöthige Unterhaltungs 
material zum größten Theil selbst zu zerkleinern; solange aber 
das damit beschäftigte Personal dieß selbst zu besorgen hat, ist es 
sehr häufig auch darauf angewiesen, mit dem nöthigen Quantum 
zur rechten Zeit fertig zu werden, was die Folge hat, daß ge 
wöhnlich zu grobes Geschläg zur Verfügung steht. Da aber, wo 
der Verkehr nicht stark und das Material nicht schlecht ist, somit 
die Straßenwärter nicht viel mit anderen Arbeiten in Anspruch 
genommen sind, auch das Kleingeschläg von solch guter Beschaffen 
heit wird, daß es fast zu jeder Zeit und selbst bei geringen Tiefen 
eingebracht werden kann, ohne Zerstreuung des Materials oder 
Belästigung der Zugthiere befürchten zu müssen, kann sich die bei 
uns eingeführte Methode, sowohl hinsichtlich der Güte als auch 
bezüglich der Kosten mit jedem anderen Unterhaltungssysteme messen, 
daher es auch kommt, daß einzelne Straßen, z. B. auf der Alb, 
im Schwarzwald, in Oberschwaben, im Jaxt- und Neckarkreis in 
der Regel bei ganz mäßigen Unterhaltungskosten in einem vor 
trefflichen Zustand sich befinden. 
Daß ferner bei den Unterhaltungsarbeiten die Witterung von 
großem Einfluß und nicht zu unterschätzender Wirkung ist, wird 
als eine nicht zu bestreitende Thatsache allgemein anerkannt werden. 
Aufgabe der bei uns eingeführten Straßenunterhaltung muß 
es daher sein, die zum Einlegen des Materials besonders günstige 
Zeit im Spät- und Frühjahr so schnell als möglich zu benützen, 
um nicht durch Eintritt von Frost und Kälte in den Arbeiten sich 
unterbrochen und durch theilweise Unterlassung der nöthigen Er 
gänzungen einen noch schlechteren Zustand herbeigeführt zu sehen. 
Hieraus ergibt sich, daß nur bei kurzen Distriktsstrecken der Wärter 
allein, ohne Beihülfe, fertig werden kann, bei großen aber genöthigt 
ist, sich entweder Hülfsarbeiter zu bedienen oder nur streckenweise 
— nach und nach — die Straße in geordnete Verfassung zu 
bringen. 
Das Verfahren, durch die Wärter kein Material zerkleinern, 
vielmehr solches im Akkord und die übrigen Arbeiten mit Hülfs- 
arbeitern unter Anleitung und Aufsicht der ersteren vollziehen zu 
lassen, kann bei Straßen mit starkem Verkehr, wie es bei den 
Straßen in der Umgegend Stuttgarts theilweise in großartigem 
Maßstabe der Fall ist, kaum durch ein anderes ersetzt werden, in 
dem ein fortwährendes Ausbessern schon durch die Lebhaftigkeit 
des Verkehrs sich von selbst verbietet und gerade durch den Zeit 
verlust, welcher mit der Störung der Arbeiter verknüpft wäre, 
neben einem immer noch bleibenden unbefriedigenden Zustand ein 
äußerst kostspieliges Mittel werden würde. Um aber wegen dieses 
Umstandes gerade die Unterhaltung mit vielen Arbeitern auf der 
Straße thunlichst zu beschränken, ist daher in solchen Füllen nicht 
allein die Verwendung des besten Materiales, sondern auch nach 
jedem Einbringen einer Kleingeschlägdecke die Komprimirung der 
selben mit der Walze geboten, indem nur dann an Material er 
spart, sowie am wenigsten Morast erzeugt werden kann und die 
geringsten Abnützungen erfolgen können, so daß auch mit den 
nöthigen Arbeiten die kleinste Zeit in Anspruch genommen wird, 
wodurch der Verkehr die geringsten Belästigungen erleidet. 
Nachdem wir Straßen mit geringen und starken Verkehrs- 
Verhältnissen beleuchtet haben, kommen wir an jene mit mittel 
starkem Verkehr von etwa 200 bis 300 Zugthieren täglich und 
deren wir in Württemberg eine große Zahl haben. Auf solchen 
kann ein Wärter seine Arbeiten, ohne darin durch den Verkehr 
gestört zu werden, immer fortsetzen und bei entsprechender Größe 
seines Distrikts auch immer Beschäftigung finden, ohne deßhalb 
mit der Zerkleinerung des Unterhaltungsmaterials in Anspruch 
genommen werden zu müssen. Wird dieses vielmehr durch Andere 
zerkleinert und verführt, so können dem Wärter bei normalmäßiger 
Witterung, günstiger Lage der Straße und gleichbleibenden, ge 
wöhnlichen Verkehrsverhältnissen sämmtliche übrige Arbeiten zu- 
gemuthet werden, indem er dann in den Stand gesetzt ist, jeden 
Schaden sofort wieder beseitigen zu können, wodurch eine Ver 
schlimmerung durch Aufschieben der Ausbesserung nicht stattfindet, 
und schon Vornhinweg eine Materialersparniß herbeigeführt wird; 
kommt ferner in Betracht, daß bei der fortgesetzten Ausbesserung 
die Fuhrwerke auf jedem Theil der Fahrbahn sich bewegen können, 
ohne gezwungen zu sein, die Geleise der vorangegangenen Wagen 
einzuhalten, so bilden sich durch die gleichmäßige Benützung der 
Straße auch keine Leise, welche sonst das Befahren einer Straße 
so sehr stören und die Unterhaltung erschweren.
	        
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