Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

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Styl erbaut, das längst zugemauert, aber an seiner Umrahmung 
mit dem reichen normannischen Zickzack verziert ist; vor mehreren 
Jahren noch war dasselbe ganz verdeckt von wildem Gestrüpp, seit 
einiger Zeit ist es sichtbar gemacht und die neueste Ausgrabung 
hat cs sammt dem hohen kraftvollen dreifachen Sockel, der an der 
i 'Mauer hinläuft, vollständig bloßgelegt, als ein edles und ergrei 
fendes Denkmal aus den Tagen Philipps und Jrene's." 
Im Weiteren stößt seitwärts an die Kirche nördlich und mit 
dieser durch einen Gang verbunden das eigentliche Klostergebüude, 
baulich in einem verwahrlosten Zustande, aus späterer Zeit als die 
s Kirche, ein Stück Kreuzgang, der Kapitelsaal, das Refectorium und 
s im oberen Stockwerke eine Reihe von Zellen enthaltend, in archi- 
s tektonischer Beziehung jedoch von weniger Interesse. 
Am Eingang steht ein früheres Beamtenhaus mit schön ge- 
( arbeiteten! Wappen in Stein — das jetzige Kameralamt — und 
i das Ganze ist mit einer Mauer umschlossen. 
Herabgestiegen zur Bahnstation fuhren wir und drei nachgc- 
kommene Kollegen mit dem Mittagzuge nach Gmünd, indessen un 
sere Ahnung zur Wahrheit, das Wetter besser wurde und das in 
schöner Landschaft gelegene Gmünd uns in freundlichem Lichte — 
der Rechberg ansichtig — begrüßte. Unser Eingang in die Stadt 
' gieng über die Remsbrücke mit dem malerischen Anblick des daher 
rauschenden, stark angeschwollenen, über das Wehr stürzenden Flus- 
s ses, gegen den sog. fünfeckigen Thurm durch die Ledergasse gegen 
das Spital zum heiligen Geist an dem Armenhause mit herrl chen 
: mächtigen Holzgiebeln vorüber auf den Marktplatz an das male- 
j rische Rathhaus, von hier zunächst zur Johanniskirche und zur 
t Stadt- oder heiligen Kreuzkirche. 
In der in der neuesten Zeit durchgehends restaurirten, mit 
j neuem Dache und Chor-Abschlusse versehenen Johanniskirche 
j mit ihrer interessanten romanischen Giebelfayade und dem im vier- 
:• eckigten Unterbau romanischen, unter dem Einflüsse der Uebergangs- 
( Periode steil ins Achteck übergehenden, seitwärts an der Nordseite 
i stehenden, bis zum Knopfe 158' (45,26 in.) hohen Thurme ein- 
; psieng uns Herr Kaplan P fitz er, die Seele der Restaurationen 
i beider Kirchen, welchem, unterstützt durch den ebenfalls anwesend 
gewesenen Kirchenpfleger Krauß, es gelungen ist, die ausgedehn 
ten Restaurations-Arbeiten meist mit gesammelten Beiträgen zu 
beginnen und mit Ausschluß der inneren Einrichtung im Kosten 
betrag von ca. 30,000 fl. auszuführen. Derselbe überraschte uns 
mit einer reichen Ausstellung von Zeichnungen über den früheren 
Zustand der Kirche (im Innern dreischiffig, früher romanisch, aber 
später verzopft mit gothischem Chore aus dem 14. Jahrhundert, 
Giebel-, und Langhaus ohne Zweifel theils aus Resten einer schon 
im 12. Jahrhundert unter den Hohenstaufen erbauten romanischen 
Kirche bestehend, theils, wie z. B. der Chor über den Fundamen 
ten derselben erbaut) und ihrer Umgestaltung in eine dreischiffige 
Basilika mit halbrunder Apsis über vorgefundenen Fundamenten, 
erklärte uns mit dem den Bau leitenden Stadtbaumeister Steeg 
maier dieselben und den Gang der Ausführung, sowie das, was 
weiter geschehen solle. 
Die Kirche ist bis zum Triumphbogen 116' (33,23 in,) lang, 
an der Westend 62' (17,76 in.), am Triumphbogen 67' (19,19 in.), 
das Mittelschiff 29' (8,31 in.) und 31' (8,88in), also ungleich 
breit, die lichte Höhe beträgt 24' (6,78 nr.). Die Arkadenreihen 
des Mittelschiffs zeigen Pfeiler — mit Ausnahme nachstehenden 
Curiosums — mit Rundbögen überspannt; es ist nemlich die letzte 
Travs nach Osten spitzbogig und ebenso die letzte am Westende der 
Nordseite, wo sich auch statt eines Pfeilers eine Halbsäule mit einem 
Würfelknaufe findet. 
Der Eindruck all des Gesehenen drängte uns zur vollsten An 
erkennung gegen alle bei der Wiederherstellung Mitwirkenden, wo 
runter auch Herr Architekt Steindorff, Lehrer am hiesigen Po 
lytechnikum, mit dem Wunsche: es möchte den Leitern dieser großen, 
gewagt gewesenen und verdienstlichen Arbeit mit reichlichen weiteren 
Spenden gelingen, das schöne Werk zur baldigen Vollendung zu 
bringen. 
Herr Kaplan Pfitzer hatte die Güte, in Beilage 1 sowohl 
über die Restauration der Johannis-, wie über die der heiligen 
Kreuzkirche eine interessante Beschreibung in unserem Protokoll in 
dankenswerthester Weise niederzulegen, so daß die Beilage als eine 
Ergänzung des Excursionsberichtes betrachtet werden möge. 
Die heilige Kreuzkirche, zugleich Stadtpfarrkirche, ist 
ein gothischer Bau ohne Thurni aus dem 14. Jahrhundert; sie 
wird irrthümlich dem Baumeister des Mailänder Domes, Arier 
aus Gmünd, zugeschrieben, sie soll aber ein Parlier Heinrich 
von Boulogne 1351—1377 erbaut und der Grundstein zum Chor 
den 16. August 1351 gelegt, soll auch mit zwei Thürmen in ihrer 
Kreuzung angelegt worden sein, die aber (vid. Beil. 1) 1497 am 
Charfreitag eingestürzt sind. 
Das Innere ist dreischiffig mit erhöhtem Chore. Chorumgang 
und Kapellenkranz hat eine Gesammtlänge von 271 württ. Fuß 
(77,64 nr.), eine Breite im Langhaus von 77,4' (22,17 in.), eine 
Gesammtfläche von 2793 □' (229,24 dm.). 
Die Gewölbe werden von 22 Rundsäulen getragen, wovon 
14 auf das Schiff und 8 auf den Chorumgang kommen. 
Der Eindruck ist von großer und erhebender Wirkung, die 
Kirche wohl eine der schönsten unseres Landes. 
Die Restauration im Innern und der Chor im Aeußern, wie 
schon bemerkt, vorzugsweise von Herrn Kaplan Pfitzer, unter 
stützt durch den damaligen Kirchenpfleger Müh leisen, begonnen, 
betrieben und geleitet, wurde durch Bildhauer Ferdinand Ries 
aus Gmünd (gest. 11. Juni 1871) in den Jahren 1848 bis 1856 
mit einem Aufwande von 60,000 fl., worunter 35,000 fl. milde 
Beiträge, ausgeführt. 
Alles nicht stylistisch zugehörige — mit Ausnahme der schönen 
Rennaissanye-Chorstühle vom Jahr 1550, der Kanzel und des ori 
ginellen sehr reichen Zopf-Orgel-Gehäuses vom Jahr 1688 mit 
prächtigen Atlanten-Trägern unter der Orgel-Empore, welche ihrer 
Originalität und ihrem Kunstwerthe entsprechend, wesentlich unter 
Einfluß unseres Mitgliedes Herrn Oberbaurath v. Egle erhalten 
— wurde entfernt und ist die Restauration mit Ausnahme einiger 
neuen Altäre, selbst des Hochaltars, die nüchtern und zu linear 
gegenüber den alten vorhandenen schönen gothischen Altären aus 
gefallen sind, glücklich ausgefallen und haben sich genannte Herren 
hiebei großes Verdienst erworben, denen die Mittel zu Fortsetzung 
der Restauration auch am Aeußern in Bälde zu wünschen wäre. 
Unter Dankesbezeugung verließen wir den schönen Bau, um 
der freundlichen Einladung des Herrn Fabrikanten F. Erhard 
zu folgen, um so viel als die kurz bemessene Zeit cs erlaubte, dort 
nicht nur die Fabrikate von oxydirten Gußwaaren, von eben so 
meisterhaften Formen als Ausführung, sondern auch dessen interes-
	        
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