Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

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Zwölfte ordentliche Versammlung vom 24. Oktober 1874. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlierholz. 
Schriftführer: Professor Laißle. 
Anwesend: 22 Mitglieder. 
Es wird das Protokoll der letzten Sitzung verlesen und als 
druckfähig erklärt. 
Der Vorsitzende übergibt dem Vereine das von dem bayer'- 
schen Architekten- und Ingenieur-Verein als Geschenk zugesendete 
3. Heft seiner Zeitschrift für 1874 in 2 Exemplaren und schlügt 
Herrn Ingenieur Pilgrim, Repetent am hiesigen Polytechnikum, 
zum ortsanwesenden Mitglied vor, dessen Aufnahme sofort erfolgte. 
Herr Pilgrim tritt später in die Versammlung ein. 
Herr Oberbaurath v. Egle berichtet auf den Wunsch des 
Herrn Vorsitzenden über die im September v. I. in Berlin abge 
haltene Delegirten- und darauf folgende General-Versammlung 
des Verbandes deutscher Architekten und Ingenieur-Vereine: 
Wegen unabweislicher Verhinderung ist es ihm nicht möglich 
gewesen, so zeitig in Berlin einzutreffen, um an den Verhandlun 
gen der Delegirten-Versammlung Theil nehmen zu können, doch 
hat er den Vorsitzenden dieser Versammlung rechtzeitig brieflich und 
telegraphisch hievon benachrichtigt. Auch ist diejenige Frage, an 
deren Berathung er als Korreferent mitzuwirken gehabt hätte, 
wegen Mangels an Zeit auf die Delegirten-Versammlung des Jahrs 
1875 verschoben worden. Den Bericht über die Beschlüsse der 
Delegirten-Versammlung stützt er auf die in Nr. 79 der Deutschen 
Bauzeitung enthaltene, von dem Vorsitzenden und Schriftführer 
unterzeichnete Bekanntmachung derselben, deren Studium er den 
Vereinsmitgliedern empfiehlt. Hier ist nur hervorzuheben, daß 
zum Vorstand des Verbandes für die nächsten 2 Jahre einstimmig 
der bayerische Architekten- und Ingenieur-Verein mit dem Vorort 
München gewählt worden ist, und daß die nächste (2.) General- 
Versammlung des Verbandes im Jahre 1876 in München statt 
finden soll. — Ueber die Betheiligung an der stattgehabten ersten 
General-Versammlung verweist er auf die statistischen Mittheilun 
gen, welche ebenfalls in Nr. 79 der Deutschen Bauzeitung sich 
finden. Blos über 824 Theilnehmer liegen Notizen vor, weil sich 
nicht alle auf dem Bureau gemeldet haben, die Zahl der wirk 
lichen Theilnehmer mag ungefähr 900 betragen haben. Von den 
824, welche in den Listen des Bureaus verzeichnet sind, entfallen 
325 auf die Stadt Berlin, 199 auf sonstige Orte Preußens, 106 
auf Sachsen, 35 auf die Hansestädte, 28 auf Bayern, 25 auf 
Oesterreich, 24 auf Württemberg, 20 auf Hessen und 13 auf 
Baden u. s. w. — Württemberg hat sich also im Vergleich mit 
seinen beiden nächsten Nachbarländern gut betheiligt. Am Dienstag 
den 22. September, dem Vorabend des ersten Tages der General- 
Versammlung, hat eine zahlreich besuchte gesellige Vereinigung der 
bis dahin Eingetroffenen auf „Tivoli" stattgefunden. Die Ver 
sammlung selbst ist am Mittwoch den 23. September im Sitzungs 
saal des preußischen Abgeordneten-Hauses mittelst einer Plenar 
sitzung unter dem Vorsitz des Bauraths Hobrecht (Berlin) eröff 
net worden. Derselben wohnte der Kronprinz des deutschen Rei 
ches, von der Versammlung mit lebhaftem Hoch begrüßt, und 
einige preußische Minister an. Saal und Tribüne waren gedrängt 
voll und der Gesammteindruck, gehoben durch die Anordnung, 
Raumwirkung und Bedeutung des Saals ein imposanter. — Nach 
einer kurzen aber schwungvollen Eröffnungsrede des Präsidenten 
berichtete der Blitzende der Delegirten-Versammlung, Professor 
Baumeister (Carlsruhe), über die Beschlüsse derselben und dann 
hielt der Redakteur der deutschen Bauzeitung, Herr Architekt K. 
E. O. Fc'tsch eine treffliche Festrede „Ueber die Bedeutung Ber 
lins für das deutsche Bauwesen der Gegenwart." Zur Berathung 
der im Voraus aufgestellten und bekannt gemachten Verhandlungs 
gegenstände sind 2 Abtheilungen, die eine für Architektur, die an 
dere für Jngenieurwesen gebildet worden, welche sich alsbald nach 
der Plenarsitzung constituirten, indem die erstere den Oberbaurath 
Egle (Stuttgart) und den Landbaumeister Canzler (Dresden) 
und die zweite den Baurath Sonne (Darmstadt) zu Vorsitzenden 
wählten. — Der erste Verhandlungs-Gegenstand der Abtheilung 
für Architektur „Anwendung des Cementes im Hochbau" wurde 
durch das Referat des Professors Walter (Stuttgart) eingeleitet 
und in der darauf folgenden Debatte allseitig beleuchtet; förm 
liche Beschlüsse sind jedoch nicht beantragt worden. Dasselbe 
gilt von dem ersten Verhandlungs-Gegenstand der Abtheilung für 
Ingenieure „muthmaßliche Dauer von Eisen-Constructionen", wo 
rüber Dr. Fritsche (Dresden) und Professor La unhart (Han 
nover) referirten. — An den zwei folgenden Tagen ist in der 
Abtheilung für Architektur nur noch die Hauptfrage „Grundzüge 
für Stadterweiterungs-Pläne" unter dem Referat von Professor 
Baumeister (Carlsruhe) und Baumeister Orth (Berlin) voll 
ständig durchberathen worden. Ersterer hatte darüber 8 Thesen 
aufgestellt und öffentlich bekannt gemacht. Die Debatten sind von 
Männern geführt worden, die durch ihre jetzige oder frühere amt 
liche Stellung und durch sonstige Umstände Anlaß und Gelegenheit 
gehabt haben, gründliche Studien in fraglicher Richtung zu machen 
und reiche Erfahrungen zu sammeln. Die Beschlüsse wurden eben 
falls in Form von Thesen gefaßt, deren Zahl aber auf 7 reducirt, 
wovon die meisten die ursprüngliche Baumeifter'sche Fassung be 
halten haben. Die Verhandlungen haben ein Material zu Tage 
gefördert, dessen Werth demjenigen der Beschlüsse nicht nachsteht 
und das auch in stenographischen Protokollen zur Veröffentlichung 
gelangen wird. — In der Abtheilung für Ingenieure wurde am 
zweiten Versammlungstage über die „Methoden, um Fundirungen 
in ihren Kosten namentlich summarisch zu veranschlagen", am drit 
ten Tage „über die Ausnutzung der Torfmoore" u. s. w. und 
hauptsächlich „über die Reinigung und Entwässerung von Städten" 
unter dem Referate der Herren Ingenieur Gordon (Frankfurt 
a. M.) und Baurath Hobrecht (Berlin) verhandelt. Leider 
konnte diese brennende Frage der Gegenwart, welche besser schon 
auf den zweiten Tag angesetzt worden wäre, wegen Mangels an 
Zeit nicht mehr zum Abschluß gebracht werden. Sie soll nun für 
die nächste General-Versammlung in München wieder auf die 
Tages-Ordnung gesetzt werden. — Die letzte Plenarsitzung 
fand am Freitag den 25. September Mittags 12*/* Uhr unter 
dem Präsidium des Herrn Regierungsrathes Streckert (Berlin) 
statt. — In ihr berichteten die Vorsitzenden der Abtheilungen über 
die Resultate der Abtheilungs-Verhandlungen, worauf der genannte 
Herr Präsident mit freundlichen Dankesworten und mit dem 
Wunsche auf glückliches Wiedersehen in Bayerns Hauptstadt die 
erste General-Versammlung des Verbandes schloß. — Am Nach 
mittage des gleichen Tages fand in dem großen Saale des Kroll'- 
fchen Lokals das ungemein großartige Festbanket statt, an wel-
	        
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