groß zu nehmen und ihre Abnützung dann so weit fortschreiten zu
lassen, wie die Praxis es noch zulässig erscheinen lassen wird, wo
rauf sie durch neue ersetzt und auf Waggon-Rädern vollständig
aufgebraucht werden sollen, so daß dieser Gegenstand keine beson
dere Kosten veranlassen wird.
Die Vorsprünge der Walze können sich ebenso gut an die
innere Seite der Leitschienen legen, als an die äußere, so daß
demnach ein Wechsel von Steigungen und Gefällen kein Hinder
niß für die Anwendung des Wetli'schen Systems abgibt und eine
Bahnlinie in beiden Richtungen anstandslos befahren werden kann.
Beim Hinabfahren eines Gefälles gewährt an der mit einer Luft
oder Dampfcompressions-Bremse ausgestatteten Maschine die Walze,
da bei ihr kein Schleifen oder Schlaudern vorkommen kann, einen
hohen Grad von Sicherheit. Selbstverständlich müßte ein längerer
Zug außerdem noch mehrere kräftige Bremser haben und wird sich
für dieselben die von Herrn Wetli vorgeschlagene Einrichtung,
nämlich ähnliche Walze, wie sie die Maschine trägt, an Wagen
angebracht und mit kräftigen Bandbremsen versehen, wahrscheinlich
gut bewähren.
Die bei Wüdenswyl angestellten Versuchsfahrten haben mir
die feste Ueberzeugung von der praktischen Brauchbarkeit des Bahn
systems gegeben. Der Gang der Maschine war ein durchaus ruhi
ger und gleichförmiger, von dem Uebergange von einer Leitschiene
zur andern war nicht das Mindeste zu spüren und bin ich auch
der Ansicht, daß gegen das Aus- und Einrücken der Walze, wie
es bei Wüdenswyl angeordnet ist, sich von Seite der Praxis nichts
einwenden läßt. Die Versuche jedoch, welche in Betreff der Lei
stungsfähigkeit des Systems in Bezug auf die Beförderung von
Lasten angestellt sind, geben nach meiner Ansicht kein entscheiden
des Resultat, da einerseits die Versuchsstrecke zu kurz und anderer
seits die Versuchsmaschine gar zu mangelhaft construirt ist. Da
bei mag gleich bemerkt werden, daß die Construction der Maschine
nicht von Herrn Wetli, sondern von einem andern Techniker her
rührt. Ein Hauptfehler der Maschine besteht darin, daß ihr Kes
sel viel zu klein ist; in Folge dessen fällt der Dampfdruck, auch
wenn der Maschine nur eine mäßige Belastung angehängt wird,
sehr schnell. Für Versuche im Großen und für einen regelrechten
Betrieb mit entsprechend schweren Zügen ist diese Maschine absolut
nicht zu gebrauchen und liegt hier noch eine nicht so leicht zu
lösende Aufgabe für die Maschinentechniker vor; ja es würde wohl
nicht zu viel gesagt sein, wenn man behaupten wollte, nur dann
habe das System Wetli eine Zukunft, wenn es gelinge, eine
Lokomotive für dasselbe zu construiren, welche allen an dasselbe zu
stellenden Anforderungen entspricht.
In dieser Beziehung möge mir gestattet sein, über das Stre
ben, an die Stelle der einfachen Adhäsion ein künstliches Hülfs
mittel zu setzen, einige Worte zu sagen.
Bei den gewöhnlichen Lokomotiven ergibt sich, wenn man die
selben für eine bestimmte Zugkraft und für die übliche Fahrge
schwindigkeit construirt, immer ein solches Gewicht, daß die Ad
häsion der Zugkraft entspricht, daß also eine künstliche Vermehrung
der Adhäsion überflüssig ist. Dieser Satz bewährt sich auch für
Lokomotiven, welche starke Steigungen zu befahren haben und kann
man mit vollem Recht im Allgemeinen sagen, daß auch für Bah
nen mit 5°/„ Steigung, wie Herr Wetli sie für Gebirgsbahnen
vorschlägt, das Gewicht der Lokomotive genüge, um die nöthige
Adhäsion zu erzielen; nur für die bei schlechter Witterung ein
tretende Verminderung der Reibung würde die Adhäsion etwas zu
gering werden und es würde dann nur das Wetli-System es der
Maschine ermöglichen, die volle Zugkraft auszuüben. Auf der
anderen Seite ist aber auch zu berücksichtigen, daß bei Zunahme
der Steilheit von Steigungen die Lasten, welche von den gewöhn
lichen Lokomotiven befördert werden können, sehr schnell abnehmen
und daß es also im Interesse der Praxis vor Allem darauf an
kommt, die Zugkraft der Lokomotive für steile Rampen thunlichst
zu vergrößern, damit die Züge, welche befördert werden, nicht zu
klein ausfallen. Nun ist aber die Leistungsfähigkeit einer Lokomo
tive, wie jeder anderen Maschine das Produkt von Kraft und Ge
schwindigkeit und wenn man also die zu befördernde Last vergrö
ßern, also die Kraft, d. h. die Zugkraft vermehren will, so kann
es nur auf Kosten der Geschwindigkeit geschehen. Theoretisch läuft
also die Lösung des Problems darauf hinaus, an Stelle der üb
lichen Eisenbahnfahrgeschwindigkeit eine erheblich geringere zu setzen.
Dadurch würde nun allerdings eine bedeutend größere Zugkraft
zu gewinnen sein, allein dieser großen Zugkraft würde dann eine
genügende Adhäsion nicht mehr gegenüberstehen und kommt man
also bei ganz geringer Fahrgeschwindigkeit und bei der dieser ent
sprechenden großen Zugkraft zu der Nothwendigkeit, durch künst
liche Mittel sich die nöthige Adhäsion zu verschaffen und hierin
findet eben auch das Wetli-System seine Berechtigung. Die Mei
nung aber, bei dem Wetli-System könne man eine leichte Maschine
anwenden und müsse eben umgekehrt auch wegen der Leichtigkeit
der Maschine zu dem Wetli-System greifen, beruht auf einem Irr
thum, — denn, um eine Last, welche im Eisenbahnverkehre nur
als eine sehr müßige bezeichnet zu werden pflegt, eine Steigung
von 5 % hinauszuschaffen, bedarf es schon einer erheblichen Zug
kraft und um diese Zugkraft zu erzeugen, hat man viel Dampf
und also einen starken Kessel und kräftige Maschinenorgane nöthig;
ein starker Kessel mit einer kräftigen Maschine wird aber immer
ein bedeutendes Gewicht besitzen. — Von der Kraft der Maschine
wird nun aber auch das Befördern ihres eigenen Gewichts einen
nicht unbedeutenden Theil absorbiren und so wird man um so
mehr genöthigt sein, durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit
Zugkraft zu gewinnen und wird wohl von der Disposition der ge
wöhnlichen Lokomotive, mit welcher dieser Forderung nicht gut ent
sprochen werden kann, abgehen müssen und zu Kraftübersetzungen
oder anderen derartigen Mitteln greifen und vielleicht noch man
cherlei Versuche anstellen müssen, bis man eine ganz entsprechende
Construktion gefunden haben wird. —
Der durch Anwendung des Wetli-Systems zu erreichende Vor
theil liegt vor Allem darin, daß die Bahnlinie sich direkt der
Thalsohle anschmiegen kann, statt durch Ausbiegungen in Seiten
thäler und mittelst kostspieliger Bauten aller Art ein schwächeres
Steigungsmaß zu suchen, welches den natürlichen Verhältnissen nicht
entspricht; durch den vereinfachten Bau und die Abkürzung der
Linie müssen die Baukosten in außerordentlicher Weise reducirt und
die Bauzeiten bedeutend vermindert werden, so daß Bahnlinien,
welche bei dem gewöhnlichen Systeme unrentabel bleiben müssen,
noch mit Vortheil gebaut werden könnten. Auch die Betriebskosten
werden bei einer steilen Bahn, welche nach dem Wetli-System ge
baut ist, etwas billiger ausfallen, als auf einer weniger steilen,
zwischen den gleichen Endpunkten liegenden Linie; bei beiden muß