Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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Ueber die Ventilatiousfrage entspinnt sich eine Discusion, 
wobei Herr Bauinspektor Köhler die Frage aufstellt, ob man 
nicht die Schornsteine an Fabriken zur Ventilation beiziehen 
könnte, indem man den Kanal mittelst einer Röhre mit dem 
Kamin in Verbindung bringen und diese Röhre innerhalb des 
Schornsteins fortsetzen würde. 
Herr Professor Teichmann spricht gegen die Einmündung 
eines Ventilationsrohrs in die Kamine, wie auch gegen die 
Führung eines eigenen Rohrs durch das Kamin selbst, da eine 
solche Einrichtung eine bedeutende Belästigung der Fabriken 
wäre, der Zug unter wesentlicher Abkühlung der Luft im Kamin 
in beiden Fällen bedeutend geschwächt würde, und schon beim 
Bau eines Kamins hierauf Rücksicht genommen werden müßte. 
Herr Oberbaurath v. Schlierholz glaubt, es würde 
eine solche Einrichtung zu weit in die Prioatrechte des Einzelnen 
eingreifen, man könnte vielleicht beisetzen, es dürfte sich em 
pfehlen auch Schornsteine großer Fabrikanlagen, welche eine 
starke Feuerung haben, zur Ventilation soweit thunlich zu be 
nützen. 
Die Versammlung war jedoch der Ansicht dresen Punkt 
in ihren Bericht nicht aufzunehmen. 
Die von Baurath Bock aufgeworfene Frage über die in 
andern Städten gemachten Erfahrungen wurde dahin beant- 
tvortct, daß die Ventilations-Einrichtungen überhaupt noch nicht 
vollkommen seien; der Zweck derselben sei aber auch nur, durch 
die Kanüle einen Luftzug herzustellen, um dieselben zum gefahr 
losen Aufenthalt der darin beschäftigten Arbeiter einzurichten; 
und hiefür haben sich die Einrichtungen anderer Städte, nämlich 
Benutzung der Regenabfallröhren wo es thunlich war, sowie 
Anbringen von besondern Ventilationsschächten an geeigneten 
höher gelegenen Stellen bewährt. 
Nach verschiedenen Erörterungen über die Benützung der 
Wasscrabfallröhrcn und über Bestimmung ihrer Minimalweite 
glaubte die Versammlung nicht in weitere Details eingehen zu 
sollen und sprach ihr Einverständniß mit der Commissions- 
rassung aus. 
Herr Baurath Kaiser geht nun zum V. Abschnitt „Bau 
materialien" über, und theilt feine Erfahrung über die Beton- 
verwendung im Anlagenkanal mit. Derselbe sei zum Theil 
unter schwierigen Verhältnissen gebaut worden; der Beton habe 
wegen starken Wasserzudrangs an ewigen Stellen kaum genügend 
erhärten können, trotzdem daß zur Beseitigung des Grundwassers 
eine Rollschichte unter der Sohle angebrachr worden sei; noch 
jetzt drücke das Wasser bei anhaltendem Regenwetter an tief 
gelegenen nassen Stellen von außen herein und haben sich 
mehrere kleine Oeffnungen nach und nach gebildet; auch sei eine 
schnelle Auffüllung des Betongewölbcs nicht gerathen, was aber 
im Interesse des Straßenverkehrs oft nothwendig sei. Hienach 
neige sich seine Ansicht der Verwendung tadellosen Backsteinen 
zu, wie solche auch schon für die neuen Kanäle in der Schiller- 
und Alleenstraße vorgesehen seien, erschwerend dafür spreche nur 
der Umstand, daß gute Backsteine in der Nähe von hier schwierig 
zu erhalten seien, doch werden sich ohne Zweifel die Ziegelei- 
besitzer die größte Mühe geben, ein brauchbares Material zu 
liefern. 
Herr Oberbaurath v. Schlier holz theilt seine Erfahrungen 
über Backsteinverwcndung gegen feuchten Grund mit: Es feien 
sehr viele Mauern von geringer Stärke, wenn die Steine nicht 
von vorzüglichster Beschaffenheit waren, bald zerstört worden 
und müsse bei der Verwendung von unsern Backsteinen zu 
Kanälen und bergt, mit größter Vorsicht vorgegangen werden, 
da dieselben nicht mit denen am Rhein fabricirten verglichen 
werden können. Die Verwendung von Beton erheische eben 
so große Vorsicht, als nicht selten der Cement sich ungleich 
zeige und zu einer dauerhaften Arbeit guter Cement, vorzugs 
weise Portland-Ccment, reines Kies, reiner Sand, reines Wasser 
und erfahrene zuverlässige Arbeiter nebst richtiger Verarbeitung 
und Verwendung absolutes Bedürfniß seien. Würden diese 
Voraussetzungen nicht ganz sicher zutreffen, so würde er Back 
steine, aber nur solche von vorzüglicher Beschaffenheit dem 
Beton vorziehen. 
Herr Bauinspekior Zobel spricht sich für die Betonver 
wendung aus, da er beim Legen von Wasserableitungsröhren 
schon auf Betonkanäle von außerordentlicher Härte gestoßen sei. 
Herr Oberbaurath Binder erwähnt der Ulmer Beton- 
kanäle, welche schon seit 15 Jahren sich gut bewährt haben 
sollen, und theilt als seine Erfahrung mit, daß sich der schädliche 
Wasserdruck auf Bctonfundamcnte von unten dadurch wesentlich 
mindern lasse, wenn man senkrechte Drainageröhrcn durch den 
Beton gehend aufstelle und so dem Wasser während des Be- 
tonircns das Aufsteigen ermögliche. Nach Beendigung der 
Arbeiten können dann die Röhren leicht geschlossen werden. 
Herr Oberbaurath v. Egle theilt die Herstellung der Kanäle 
in Paris mit. Dort habe er nur Portland-Cement mit Sand 
ohne Kies verwenden sehen; Hauptsache sei dabei trockenes 
Anmachen und tüchtiges feststampfen, es falle die Hinterfüllung 
dadurch weg, auch habe er nach 2 Tagen schon zu seiner Ver 
wunderung große Auffüllungen darauf bringen sehen, ohne daß 
es den Kanälen geschadet hätte. 
Herr Architekt Schittenhelm macht auf die neue Art 
von Backsteinen, welche in heißem Theer getränkt werden, auf 
merksam, wobei die Dauerhaftigkeit derselben in hohem Grade 
gewinnen soll. 
Endlich wird nun, da wohl nicht an dem Streben unserer 
Ziegeleibcsitzer, „ihr Fabrikat stets zu verbessern" gezweifelt 
werden darf, die Fassung auf S. 17 Nr. 2, Abs. 2 über die 
Unbrauchbarkeit der in der hiesigen Gegend fabricirten Back 
steine von der Versammlung allzuscharf bezeichnet. 
Herr Prof. Teich mann schlägt daher Zeile 9 folgende 
Aenderung vor: 
„daß zu diesem Zwecke geeignete Backsteine in der Nähe 
von Stuttgart zur Zeit nicht erhältlich sind und daß aller 
Lehm in hiesiger Umgegend kalkhaltig ist, wird von den 
Mitgliedern der Commission allseitig anerkannt und es müßten 
deßhalb wenn Backsteine verwendet werden wollten, diese 
möglicherweise von auswärts bezogen werden, wie dieß in 
Frankfurt ebenfalls geschehen ist. 
Ferner auf Seite 18 Abs. 3. 
Mit dieser Beschränkung der Anwendung von Back 
steinen erklärt sich der Verein aus ökonomischen Gründen 
einverstanden, namentlich re. re. 
Hienach spricht sich die Versammlung für Verwendung 
von Backsteinen, wie dieses auch die Commission vorschlägt, 
jedoch nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung aus, daß 
dieselben von ganz vorzüglichem Material hergestellt und gut 
gebrannt würden. 
Im Ucbrigen stimmt sie den 2 obigen Vorschlägen bei 
und ist somit Abschnitt V erledigt. 
VI. Abschnitt Hauscntwässerungen. 
Herr Baurath Kaiser macht die Mittheilung, daß der 
ursprüngliche Entwurf über „ortsbaustatutarische Bestimmungen 
bctr. die Anlage der Hauskanäle" vom Kgl. Ministerium des 
Innern in der beantragten Fassung nicht genehmigt worden 
sei, sondern mehrere jedoch unwesentliche Aenderungen erleiden 
werde, es dürfte sich daher empfehlen, dieselben aus dem Be 
richte ganz wegzulassen und dafür diesem Abschnitt folgende 
Fassung zu geben. 
VI. Abschnitt Hausentwässerungen. 
Frage 13. Ist die Commission mit dem Entwürfe ein 
verstanden? 
Da die Anlage der Hauskanäle eine Angelegenheit ist, 
welche zwischen dem Kgl Ministerium des Innern und den 
bürgerlichen Collegien ihre Erledigung sinden wird und worüber 
auch schon Verhandlungen gepflogen wurden, so glaubt die 
Commission, die cndgiltige Feststellung eines diesbezüglichen 
Entwurfs den obigen Organen anheim geben zu sollen. Der 
von den bürgerlichen Collegien angenommene Entwurf schließt 
sich in der Hauptsache den von Gordon in seinem Berichte 
dargelegten Grundsätzen an, und da sich ähnliche Anlagen in 
Frankfurt als zweckmäßig erwiesen haben, so glaubt die Com 
mission denselben ihre Zustimmung geben zu sollen. 
Hiemit erklärt sich die Versammlung einverstanden.
	        

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