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unter dem Wasserspiegel des Sees befindlichen Quellen
durch die Auffüllung der kleinen Seebuchten zum Theil ge
hindert wurde, und da sie in Folge der großen diesjährigen
Regengüße bedeutend angeschwollen sein mußten, übten sie
einen bedeutenden Druck gegen die im Wege liegenden Erd
massen und setzten dieselben in Bewegung. Möglich ist
auch, daß sie in Folge der Verhinderung ihres Laufes eine
der angedeuteten Thonschichten aufgeweicht haben. Daß
die Bewegung des Bodens nicht früher eintrat, mag darin
seinen Grund haben, daß das Niveau des Sees höher war
und "so einen stärkeren Gegendruck ausüben konnte."
Winterthur, den 30. December 1875.
Schleebach.
Hiezu waren 2 Karten beigelegt, welche wie das Experten
gutachten unter den Mitgliedern circuliren werden.
Aus dem Bericht der Expertencommission, aus welchem
das wichtigste hervorgehoben werden soll, werden sich einige
Vermuthungen, deren Herr Schleebach erwähnt, beseitigen
oder berichtigen lassen, Referent glaubt jedoch hier schon der
Annahme entgegen treten zu sollen, die früher vielfach ver
breitete Meinung, es sei der Abbruch einer unterwaschenen
Felsplatte die Ursache der Senkung, wäre von den aus-
sührenden Ingenieuren aufgestellt worden, denn dies hätte
nicht nur wie Herr Schleebach bemerkt, der Vermuthung
nicht genügender Untersuchungen vor dem Bau, sondern wohl
auch der Vermuthung einer sehr ungenauen Beurtheilung, nach
dem Eintritt des Unfalls Eingang schaffen können, was voll
ständig unbegründet wäre.
Dem Bericht der Experten ist ein solcher des Herrn
Oberingenieur's Moser vorausgeschickt, welcher über die Bahn
anlage und deren Entstehung Auskunft gibt, wie sie schon
kurz von Herrn Schleebach berührt ist, und woraus im
übrigen hervorgeht, daß nach der angenommenen Trace die
neuen Uferlinien nicht über die alten Einbauten hinaus fallen,
obgleich die Profilaufnahmen die Seeufer sehr flach angaben;
die oberen Schichten waren allerdings etwas schlammig, aber
nur am obern Ende der Station wurden größere Auffüllungen
nöthig. Diese wurden mit zusammen circa 12000 Kbm. an
fangs 1875 vollendet, ebenso die auf breitem Steinwurf er
baute Ufermauer.
Am 9. Februar 1875 Mittags stürzte ein Theil der
Mauer 135 Meter lang ein und nahm den größeren Theil
der Anschüttung mit; der See hatte in der Bahnachse, wo
er früher nur 1 Meter tief war, 7 Meter Tiefe erreicht.
Sofort eingerammte Probepfähle ergaben bei 15—20 Meter
Tiefe „eine absolut feste, gegen den See etwas geneigte
Schichte." Dies führte zur Vermuthung, daß „nicht eine
Abrutschung des Gesammtkörpers, sondern mehr ein Ver
drängen von weichen Schichten stattgefunden habe." Bei
weiteren Nachschüttungen stellte sich jedoch immer wieder die
gleiche Uferlinie her, diese wurden um so mehr ausgesetzt, als
sich auch ergab, die Pfähle haben den festen Grund nicht
erreicht. Die Station wurde nach einem abgeänderten Plane
ausgeführt und es zeigte sich in den übrigen Theilen nichts
Bedenkliches, insbesondere hatte sich die Ufermauer von
Nr. 17,1 — Nr. 17,39 ganz gut, fast ohne Setzung erhalten; bei der
ersten Fahrt an: 11. September 1875 blieb Alles in Ordnung.
Den 21. und 22. September 1875 war starkes Regen
wetter, am 22. früh zeigten sich im Planum bei dem Stations-
Gebäude Risse, Geleise und Seemauer hatten sich circa
9 cm gesetzt. Um 10 Uhr 30 Minuten verschwanden
85 Meter Mauer und das Planum mit 3 Geleisen bis zu
23 Meter Breite im See. Nachmittags 2 Uhr waren bis zu
48 Meter Breite und die Mauer Abend's bis zu 103 Meter
Länge versunken; im Aufnah ms gebäude zeigten sich Risse und
den 23. Morgens stürzte die ganze Fläche vor diesem und
dem Güterschuppen in die Tiefe, am 24. folgte der Theil
zwischen beiden Gebäuden und das Nebengebäude sammt
einem Theil der Kopframpe; die größte Länge des Abbruches
erreichte 204 Meter, blieb aber bei 48 Meter Breite und
damit hatten überhaupt die eigentlichen Abstürze ihr Ende.
Im Oktober zeigten sich wohl noch Riffe und Setzungen
hinter den Gebäuden, und diese fingen an sich selbst zu be
wegen, zuerst senkrecht bis zu 170 mm. und vom 1. November
an auch seewärts, wobei auch Risse entstanden. Diese Be
wegungen dauerten langsam fort und wurden die Gebäude
abgebrochen. — Vorhandene Tabellen zeigen den Gang der
Bewegungen.
Die Beobachtung der nach dem 9. Februar eingerammten
Probepfähle ergibt, daß sich dieselben zuerst hoben, dann
wieder senkten; die Pfähle der Gebäude zeigten stärkere
Senkungen, ebenso die später geschlagenen Probepfähle.
Zugleich wurden umfassende Profilaufnahmen vorgenommen
und die eingehendsten Beobachtungen über Senkungen, Wasser
stände in Brunnen rc. und seit September 1875 unausgesetzt
Bohrungen geniacht, um den Experten alle möglichen Daten
an die Hand zu geben.
Die von der Direktion der Nordostbahn berufenen Ex
perten, die Herren Professor C ulmann, Oberingenieur
Granicher und W. Hellwag, Professor Alb. Heim und
Rector Lang (.letztere beide Geologen) sollten Gutachten ab
geben
1) über die muthmaßlichen Ursachen der erwähnten Rutsch
ungen und Senkungen, unter Einbeziehung der Beant
wortung der weiteren Frage, ob diese Ursachen, be
ziehungsweise deren in den stattgefundenen Rutschungen
und Senkungen zu Tage getretenen Wirkungen bei dem
Bau der Bahn hätten vorausgesehen, beziehungsweise
hätten vermieden werden können.
2) Darüber ob die jetzt von Klm. 16,7—19,3 ausgeführte
Linie verändert von 16,95—17,7 wie der der Experten-
Commission vom 12. Februar überreichte Plan angibt,
in Bezug auf Bahnbetriebssicherheit vollständige Be
ruhigung gewähre, eventuell welche weitere Verlegung
hiefür als nothwendig betrachtet werde.
Zu 1) Die am 9. Februar 1875 versunkene Strecke
war per Ol Meter mit 5 Tonnen mehr belastet worden, es
hatte hier senkrechte Bewegung stattgefunden, nur die unteren
Schuttschichten waren seitlich gegen den See abgerutscht.
Nach den Profilvergleichungen hatte auf 60 Meter Breite
von der Bahnachse ein Abtrag, von 60—260 Meter Ent
fernung eine Erhöhung stattgefunden. Bis 240 Meter Ent
fernung hatte der Böschungswinkel von 31 0 sich auf 27 0 ver
mindert, daher die Ursache der Bewegung oben zu suchen ist.
Da sich die aufgeschüttete Masse nur senkte, so mußte die
untenliegende Masse verdrängt worden sein, die Senkung war
Folge der größeren Belastung.
Bis zu einer gewissen Uferlinie hielten spätere Auf
schüttungen, darüber hinaus nicht. Am 12. Juni 1875 fand
wieder eine solche größere Rutschung statt, es wurden nun
Profile bis in den Seegrund vermessen, und mit älteren
(Kantonskarten Maßstab 1:25000) verglichen. Nahe am
Ufer waren die Veränderungen unbedeutend, erschreckend groß
in den tieferen Theilen. Die Anlagerungen vom 9. Februar
waren mit sammt den früheren weiter gerutscht, die Böschungen
wieder auf 30—31° steiler geworden, weit draußen am'flachen
Seeboden erschien eine Erhöhung von 1—3 Meter.
Es war jetzt die Ursache zur Rutschung unten in der
über maximal steilen Böschung zu suchen. Der ans derselben
liegende Schlamm rutschte ab und „die oben sichtbare Ver
senkung war diesmal eine sekundäre Folge der überstellen
Böschung unten." Die alte Ablagerung war schon vorher hart
an der Gleichgewichtsgrenze und eine geringe Mehrbelastung
brachte sie in Bewegung.
Referent bemerkt hiezu, daß nach einer ihm zugegangenen
Mittheilung des Herrn Professor Moesch in Zürich die Nieder
schläge im Zürichsee hauptsächlich aus einem Kalksand bestehen
und sich wohl fortwährend, wenn auch sehr langsam absetzen.
Es ist somit sehr leicht denkbar, daß an den steilen Abfällen
der Molassefelsen unter Wasser öfters solche Abrutschungen
nur durch die Niederschläge selbst erfolgen können, wenn sie
auch nicht immer bis zum Ufer gehen und sich dort bemerklich