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von Gebäuden zur Anwendung kommenden Baumaterialien in
ihrer Form und Farbe ohne Verputz und den sonstigen Ver
kleidung smitteln, der heutigen Bauweise einen entschieden
andern, von dem früheren vortheilhaft abweichenden Charakter
verliehen hat.
Dir eben erwähnten Fortschritte äußern sich zunächst und
in der ausgeprägtesten Weise bei den durch die Staätsbe--
Hörden zur Ausführung gebrachten Bauten.
Nicht nur, daß Seitens der hiezu berufenen Techniker der
reine Konstructionsbau überall angestrebt und zur Wahrheit
wird, sondern auch seitens der maßgebenden Behörden wird
in der anerkennenswerthcsten Weise der Erreichung dieses
Zieles Vorschub geleistet.
Ebenso ist aber auch bei den Privatbauten während der
letzten Dezennien ein entschiedener Fortschritt in der Anwendung
und Ausbildung des reinen Konstruktionsbaues zu erkennen.
Wenn nun, wie schon von dem Eingangs erwähnten
Vereine angeführt, dieser Fortschritt seine wesentlichste Veran
lassung in einer lebendigen Erkenntniß des Werthes oder der
Wahrheit einer unversteckten richtigen Konstruktion findet, so
mögen außer den im 2. Theile der vorliegenden Frage ange
deuteten Umständen auf die Entwicklung des reinen Konstruktions-
banes noch andere Faktoren eingewirkt haben und zwar:
1) Es muß als eine Thatsache konstatirt werden, daß die
Bildungsanstalten für Bautechniker unserer Zeit be
deutende Fortschritte in ihrer Entwickelung, namentlich in
konstruktiver und künstlerischer Beziehung gemacht haben
und daß in Folge dessen der Einstuß derselben auf die
jetzige Bauart sich in ganz unverkennbarer Weise äußert.
2) Als weitere Thatsache muß angeführt werden, daß die
früher übliche Sparsamkeit und Schüchternheit, namentlich
in Herstellung öffentlicher Bauten einer weniger eng
herzigen Auffaffung gewichen, und das Verständniß und
die Würdigung des Rohbaues mehr und mehr erweitert
worden ist.
Während so früher beinahe alle, auch die massiv ausge-
fübrten Gebäude mit Verputz versehen wurden, sehen wir
heute den Massivbau ohne Verputz allgemein eingeführt.
Hat so das Hochbauwesen in Württemberg die erfreu
lichsten Fortschritte in der immer allgemeiner werdenden Aus
führung der Gebäude im reinen Konstruktionsbau gemacht,
so muß hier auch angeführt werden, daß es hauptsächlich
Stuttgart ist, von dem der Impuls für dieses Streben
ausgegangen, nnd daß die in Stuttgart ausgeführten Bauten
wesentlich als Vorbild für das ganze Land gelten.
Aber auch in der neuen Gesetzgebung ist ein wichtiges
Zeichen für die Weitererhaltung des Rohbaues zu erblicken,
soferne im Gegensatz zu dem bisher üblichen Fachwerk- oder
Verputzbau der Massivbau vorgeschrieben wurde.
Einen weiteren wesentlichen Einfluß auf die Vervoll
kommnung und Verallgemeinerung des reinen Konstruktions
baues haben auch die in den letzten Jahren gemachten Fort
schritte in der Ziegelfabrikation ausgeübt.
Durch bessere mechanische Einrichtungen in den Ziegel
fabriken, durch Beobachtung größerer Sorgfalt bei Herstellung
der Ziegel ist es gelungen, ein weitaus schöneres und halt
bareres Material zu produziren, das für den Rohbail ge
eigneter sich erweist, als das früher hergestellte.
Die Anwendung des Ziegelrohbaus ist übrigens schon
seit längerer Zeit versucht worden, und wurde auch in vielen
Fällen bei den Fayaden durch Anwendung ornamentaler
Gliederungen in gebranntem Thon und durch sonstige dekora
tive Ausbildung Vieles erreicht, was zwar den in Nord
deutschland, wo der Backsteinrohbau ein mehr naturwüchsiges
Baumaterial bildet, vorhandenen Schöpfungen nicht ganz
gleichkommt, jedoch in mancher Beziehung mit denselben eben
bürtig sein dürfte.
Es ist in dieser Beziehung namentlich auf kirchliche Bauten
in Oberschwaben hinzuweisen, bei welchen die Verwendung
des gebrannten Thones zum Theil in überraschender Weise
Verweildung erhalten hat, wie z. B. dem Maaswerk von
gothischen Fenstern und Thüren rc. und sind die betreffenden
Bauten immerhin als ein sehr beachtenswerthes Moment zu
betrachten; sie geben Zeugniß, in welchem Stadium des Fort
schritts unsere Thonwaarenfabriken sich befinden, und wie
vieles dieselben zu leisten vermögen; die Anfertigung von
Verblendsteineu in verschiedenen Farben, welche gerade in
Oberschwaben eine schöne Ausbildung erreicht hat, ist eben
falls ein Beweis hiefür, und es ist nur zu bedauern, daß die
Zahl der Fälle, in welchen hievon Gebrauch gemacht wird,
eine etwas geringe ist, und die Fabrikation nicht zu weiteren
Fortschritten veranlaßt und ermuthigt.
Dagegen ist die Fabrikation ornamentaler Bauglieder in
gebranntem Thon fast in allen Theilen des Landes mehr oder
weniger eingeführt, und steht der in andern Ländern kaum nach.
Hiebei dürfte auch noch der Fabrikation einer besondern
Sorte von Dachziegeln, sogenannten Dachpfannen — Falz
ziegeln — erwähnt werden, welche eine große Vollkommen
heit erreicht hat, wenn gleich sie nur in wenigen Orten bis
jetzt gefertigt werden.
Durch den erleichterten Transport der Baumaterialien
auf den Eisenbahnen wird der Rohbau auch für solche Gegenden
ermöglicht, welchen nicht genügendes und zweckentsprechendes
Baumaterial zu Gebote steht, lnid zeigt sich dies an einer
Menge von ausgeführten Beispielen, in welchen die Haupt-
Materialien aus größerer Entfernung bezogen werden^ was
ohne Eisenbahnen nicht möglich gewesen wäre.
Stuttgart, den 20. Mai 1876.
Die Commission:
Baurath Bok,
> Baurath Wolfs,
Professor D oll in g er.
Ergänzung des Witgtiederverzeichnistes.
Neu aufgenommen:
A. in Stuttgart wohnhaft:
C. Glocker, Baumeister, untere Neckarstraße 107.
Canz, Ingenieur, Jägerstraße 12.
B. als auswärtige Mitglieder:
Bertrand, Ingenieur-Assistent in Langenau.
B laich, Stadtbaumeister in Reutlingen.
Eberhard, Baumeister in Marbach.
Faiß, dto.
Förster, Straßenbauinspektor in Ehingen.
Hart mann, Ingenieur-Assistent, Vorstand des Betriebs
bauamts in Hechingen.
Veigele, Baumeister in Marbach.
Zw iß ler, Architekt in Reutlingen.
Von hier nach auswärts gezogen:
Keller, Sektions-Ingenieur in Nenenburg.
Gestorben:
v. Heimerdinger, Baurath in Stuttgart.