Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

18 
gehenden Wagen abrollt. Bei starken Gefällen sind besonders 
kräftige Bremsvorrichtungen erforderlich. Der augenscheinliche 
Vortheil einer solchen Anordnung besteht darin, daß die Be 
triebskraft fast allein für das Heben der Nettolasten verwendet 
wird. Die schiefe Ebene bei Klein Rossel, welche wir als 
Beispiel angezogen und geprüft haben, ist 1570 m. lang und 
hat 130%, Steigung. Es werden auf ihr die aus den beiden 
Schächten St. Josef und St. Wendel kommenden Steinkohlen 
zunächst in Eisenbahnwagen von 180 Centner Tragkraft ver 
laden; sodann mit 1 Pferd zur schiefen Ebene geschleppt und 
hier an das 31 mm. dicke Drahtseil angehängt. Die Ver 
bringung auf die Höhe geschieht mittelst einer zweicylindri- 
gen oscillirenden Dampfmaschine von 95 effektiven Pferde- 
krästen und zwar bei einer Geschwindigkeit von 5 m. pro 
Sekunde in der Zeit von 5—6 Minuten. Die Steigungs 
verhältnisse wie die sonstigen Einrichtungen erscheinen überall 
zweckmäßig und vollkommen rationell. — 
2) Das System der extremen Steigungen auf 
glatten Schienen und Adhäsions-Lokomotive mit 
Anziehung der Bahnstrecke von Zürich auf den Uetliberg. 
Nachdem die in früherer Zeit behauptete Unmöglichkeit, Con 
vois auf selbst wenig geeigneten Glattschienenbahnen zu Berg 
zu bringen, von Stephenson und Andern gründlich beseitigt 
worden war, haben in früherer und neuerer Zeit gemachte Er 
fahrungen und hierauf gegründete Berechnungen dazu geführt, 
daß bei zu Grund gelegten Reibungscoefficienten von 0,147—0,2, 
Steigungen bis zu 72°/«-» als zulässig erkannt worden und ent 
sprechende Bahnprojekte zur Ausführung gekommen sind. — 
So die normalspurige Bahn von Lüttich nach Ars mit einer 
Steigung von 30°/oo. 
Die Montcenis-Bahn 32—35°/oo. 
Die provisorische Bahn über die blauen Berge 
in Virginien 56°/oo. 
Die Bahn von Zürich auf den Uetliberg . . 72°/oo. 
Die letztere Bahn mit Curven von 150 m. Radius erstellt, 
ist geeignet erschienen, für die vorliegende Ausgabe angemessene 
Anhaltspunkte zu bieten und sie ist deshalb von den schon 
genannten Herren v. Bilfinger, Erhardt, Heim und 
ihrem Referenten, unter der freundlichen Führung des Herrn 
Ober-Ingenieur Tobler einer genauen Besichtigung unter 
Vergleichung mit den vorgenommenen Berechnungen unter 
zogen worden. — Die Bahn auf dem Uetliberg hat eine Ge- 
sammtläuge von 9167 m., ist mit normaler Spurweite und 
gewöhnlichem Oberbau ausgeführt; es ist die größte Steigung 
mit 72°,vo angelegt; und der Minimalradius mit 150 in.; 
an einer Stelle ist dieser Radius, und zwar bei der Steigung 
von 67°/oo auf 133 ni. Radius zurückgeführt worden. 
Die in Betrieb gestellte Lokomotive hat folgende Haupt 
abmessungen : 
Rostfläche 1 □ m. 
12 Atmosph. 
320 mm. 
540 „ 
910 „ 
2000 
Größte Dampfspannung 
Cylinderdurchmesser. . 
Kolbenhub .... 
Triebraddurchmesser 
Größter Axenstand . . 
Ihr Gewicht beträgt leer 19 Tonnen und im Dienst mit 
Kohlen und Waffer belastet 25 Tonnen. Die Wagen sind in 
höchst einfacher Weise hergestellt mit einem Gewicht von 
5,75 Tonnen und eingerichtet für 40 Personen und 150 Cent 
ner Belastung. Bei vorgenommener Probefahrt hat sich eine 
mit den über Zugkraft, Fahrgeschwindigkeit rc. zuvor angestell 
ten Berechnungen übereinstimmmende Leistung ergeben. 
Es haben nemlich die Züge, welche aus 
1 Personenwagen von 5,75 Tonnen 
30 Personen incl. Zugspersonal ü 70 Klgr. — 2,10 „ 
1 Materialtransportwagen .... 4,30 „ 
28 Schienen ä 175 Kgr. — . . . . 4,90 „ 
1 Lokomotive 25,00 „ 
und daher mit einem Gesammtgewicht von 42,05 Tonnen 
zusammengesetzt waren, die Fahrt in 21 Minuten 28,6 
Sekunden oder mit einer mittleren Geschwindigkeit von 
22,38 Klm. pro Stunde zurückgelegt. — 
Bei dieser Fahrt war der Wasserverbrauch 1,750 Tonnen. 
Der Kohlenverbrauch 0,327 „ 
2,077 Tonnen, 
Es hatte dabei die Lokomotive auf der Steigung (vor der 
Station Uetliberg) von 70% und in der Curve von 150 m. 
Radius nur noch ein Adhäsionsgewicht von 23 Tonnen. — 
Der erforderliche Reibungscoefficient zu Ueberwindung 
dieser Steigung berechnet sich bei dem sehr ungünstigen Um 
stand, daß an der obersten Strecke der Bahn gleichzeitig die 
geringste Belastung der Lokomotive und die stärkste Steigung 
der Bahn zusammentreffen, folgendermaßen: Der Zugswider 
stand stellt sich nach v. Weber auf horizontaler Bahn bei 
150rn. Radius auf 15 Kgr. pro Tonne. Hiezu kommt der Wider 
stand der zu überwindenden Steigung pro Tonne; weil jede Ver 
mehrung der Steigung um l°/oo zugleich eine Vermehrung 
des Gewichts von 1 Klgr. pro Tonne beträgt — 70 Klgr. 
pro Tonne; daher Gesammtwiderstand pro Tonne 70 -1- 15 
— 85 Klgr. und für 40 Tonnen 40 x 85 Klgr. 
= 3,4 Tonnen, woraus der Reibungscoefficient ^ ==0,148. 
Da nun bei den Fahrten auf nassen, halbnassen und 
trockenen Schienen dieses Adhäsionsgewicht überall ausgereicht 
hat, und ein Schleudern der Räder nicht eingetreten ist, so 
war diese Bahneinrichtung als mustergültig für unsern Fall 
anzusehen und zur Concurrenz für die Wahl des Wasser- 
alfinger Systems zu stellen. — 
3) Das System der extremen Steigungen 
mit Anwendung von Za hu getrieben und Zahn 
rad st an gen mit Bezugnahme auf die Bahn und Einrich 
tungen bei Osternlundingen. 
Die steilen Gehänge der Schweiz haben, vielleicht unter 
Verwerthung solcher Einrichtungen und Bahnen in Amerika, 
z. B. der von March gebauten Zahnradbahn über die weißen 
Berge (White Mountains), die Schweizer Ingenieure zu Stu 
dien über die Frage geführt, wie ein sicherer Betrieb noch ein 
gerichtet werden kann auf Steigungen, welche mittelst Adhäsions 
maschinen nicht mehr erstiegen werden können. Es ist besonders 
der Vorstand der Maschinenwerkstätte in Aarau, Herr Riggen 
bach, welcher sich vielfach bemüht hat, diese Aufgabe zur Lösung 
zu führen und es sind von ihm die mechanischen Mittel geschaffen 
worden, wodurch wir z. B. bei 25°/ 0 Ansteigung den Rigi 
berg von Arth aus erklimmen. Außer diesem sind aber noch 
weitere Bahnstrecken mit Zahngetrieben und Zahnstangen aus 
gerüstet worden, so 
1) Die Vitznau-Rigibahn. 
2) Diejenige auf den Kahlenberg bei Wien. 
3) Diejenige auf den Schwabenberg bei Prag. 
4) Die Arth-Rigibahn. 
5) Die Roschach-Heidenerbahn. 
6) Die Bahn von Ostermundingen zu den Steinbrüchen 
daselbst. — 
Wie in vorstehendem Kapitel die Uetlibergbahn als die 
Repräsentantin der extremen Steigung auf glatten Schienen, 
so soll hienach die Zahnradbahn bei Ostermunding als ein 
für unsere Aufgabe und Darstellung besonders geeignetes Bei 
spiel besprochen werden. Wie aus den Nummern 14 u. 15 
der Züricher technischen Zeitschrift „Die Eisenbahn" vom 
Jahr 1876 zu entnehmen und wie uns von Herrn Riggen 
bach selbst mitgetheilt ist, wurde diese Bahn ausschließlich 
als Industrie-Bahn, nämlich für den Transport von Bau 
steinen und Baumstämmen mit theilweiser Anwendung einer 
Zahnstange nach dem System Riggenbach und Zschokke 
erbaut und eingerichtet. Die Entferung der Station von den 
Steinbrüchen beträgt 1500 m., die Höhendifferenz 33V2 m., 
die Spurweite — 1435 mm., die Maximalsteigung in der 
Zahnstange bei einer Länge von 559 m. in gerader Richtung 
— I00°/oo. Es ist bestimmt worden, daß die Maschine, deren 
Hauptdimensionen in Folgendem beschrieben ist, bergauf einen
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.