Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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Kuppelstangen zuerst auf die Triebräder übertragen wird. — 
Diese Stangen rc. nehmen die Außenseite der Maschine so in 
Anspruch, daß die Excenter und übrigen Organe der Gooch'- 
schen Steuerung innerhalb des Rahmen placirt werden muß 
ten. Der Durchmesser der Cylinder beträgt . 240 mm. 
Der Kolbenhub 450 „ 
Der Durchmesser der Triebräder im neuen 
Zustand 770 „ 
Die Heizfläche des Kessels 25 Dm. 
Das Gewicht der leeren Maschine . . 9,300 Klgr. 
„ im Dienst 10,900 „ 
Der hauptsächliche Zweck des erwähnten Zahnrades ist 
der, daß die Maschine in die Zahnstange eingreifend eine weit 
größere Schubkraft, als durch natürliche Adhäsion allein aus 
übt. So vermag diese Maschine auf 78°/ 00 Steigung einen 
aus 8 Wagen bestehenden Zug von 400 Centner Gewicht mit 
15 Kilom. Geschwindigkeit pro Stunde aufwärts zu schieben 
und zwar mit Vs Cylinder-Füllung bei 9 Atmosphären und 
mit Vj Füllung bei 7 Atmosphären Kesselspannung. Als eine 
wichtige Eigenthümlichkeit dieser Maschine ist noch hervorzu 
heben, daß ihr Kessel parallel zur Bahn gelegt ist, und daß 
die sonst hiemit verbundenen Nachtheile in dem Wasserstand 
durch die Anbringung eines zweiten Domes, wie die Zeich 
nung zeigt, ausgeglichen ist. — Nicht minder wichtig als die 
erhöhte Zugkraft bei der Bergfahrt ist das Bremsmittel beim 
Bergabfahren, welches mit größter Ruhe und Sicherheit jeder 
zeit eingesetzt werden kann und dann momentan in volle oder- 
beliebige Wirkung tritt. Wollte nur die Holzbremse, welche 
auf die erste Zwischeuwelle wirkt, zum Bremsen verwendet 
werden, so würde das Holz in wenigen Tagen verkohlt sein 
und müßte oft erneuert werden. Diese Bremse dient deshalb 
nur zum Anhalten auf den Lagerplätzen und zur weiteren 
Sicherheit. Die hier für die Thalfahrt in Anwendung gekom 
mene Vorrichtung — eine sogenannte Luftbremse — deren 
Wirkungsweise mit dem gewöhnlichen Contre-Dampfgeben viel 
Aehnlichkeit hat, sofern auch bei ihr atmosphärische Luft durch 
das Blasrohr angesaugt, in den Cylinder gepumpt und durch 
diese Ansaugung und Pressung der Luft eine Hemmung der 
Bewegung erzeugt wird, ist ein außerordentlich wirksames 
Bremsmittel. Bei dieser Lustbremse wird der Regulator ganz ! 
geschloffen, das Blasrohr durch den Tekel i zugedeckt und zu 
gleich im Ausströmungsrohr ein Hahnen c geöffnet, durch welchen ! 
reine Luft aufgesaugt wird. Diese kann bei geschloffenem Re 
gulator nicht in den Kessel gelangen, sondern wird durch ein 
nur 3 Centm. weites Rohr ausgeblasen. Dieses Rohr ist über 
den Führerstand geleitet und passirt dort einen Hahnen 6, 
mittelst dessen dem Führer ermöglicht ist, durch allmähliches 
Schließen des Hahnen die Geschwindigkeit der Maschine beliebig 
zu verzögern und durch dessen völliges Schließen die Maschine 
plötzlich zum Stillstand zu bringen. Die starke Compression in 
den Cylindern erzeugt eine Erhitzung derselben und würde schäd 
lich wirken, wenn nicht in dieselben ein feiner Wasserstrahl 
geleitet würde, welches dann in Dampfform durch das 3 Cen- 
timeter weite Rohr ausgeblasen wird. So aber bleibt dieser 
Maschinenteil in richtiger Temperatur. Die Elasticität der 
atmosphärischen Luft, welche hier in Wirkung kommt, bietet 
unter kräftigstem Widerstand dennoch eine zweckmäßigere Mil 
derung allzuheftigen Angriffs der Zugtheile auf die Maschine. 
Im Uebrigen ist diese Lokomotive anderen Tendermaschinen 
ähnlich und sehr solid gebaut. Was nun endlich 
VIII. die Zahnradbahn selbst und die ihr eigen 
thümliche Zahnstange 
anbelangt, so ist Construktion derselben aus beiliegender Zeich 
nung ersichtlich und erscheint nur nöthig, den Uebergang von 
der gewöhnlichen Bahn in die Zahnbahn näher zu beschreiben. 
Es ist einleuchtend, daß bei diesem Einfahren nicht immer die 
Zähne des Hauptzahnrads genau auf die Zahnlücken der 
Zahnstange treffen; es würden vielmehr in 3 Fällen einmal 
die Zähne des Rades auf jene der Bahn aufsteigen und es 
würde erst nach Passirung eines Weges von 1—2 m. Länge 
das Rad und mit ihm die Maschine unter heftigem Stoß ein 
fallen. Nm dies zu vermeiden, ist am untern und obern Ende 
der Zahnstange je ein 2 h.- rn. langes bewegliches Zahn 
stangenstück, auf zwei starken Federn ruhend,'angebracht. Will 
nun der obige schlimme Fall eintreten, so geben die Federn 
unter der Last der Maschine nach. Damit nicht die Zahn 
spitzen des Rades auf jenen des beweglichen Stückes von An 
fang bis Ende fortrollen, so stehen letztere in Entfernungen 
von 82 mm., während die Zahntheilung des Rades 80 mm. 
beträgt. In Folge dieser Differenz wird im ungünstigsten 
Fall das Zahnrad noch 1 j 2 Meter von der unbeweglichen 
Zahnstange entfernt in deren Zahntheilung eingerückt und es 
geht sonach der Eintritt des Rades in die Zahnstange richtig 
von Statten. Im Falle aber, daß das Rad ganz richtig am 
beweglichen Stücke ankommen würde, so müssen die Treibräder 
pro Zahntheilnng um 2 mm. gleiten, was erfahrungsgemäß 
ohne Nachtheile von Statten geht; folglich muß auch unter 
diesen Umständen das Rad richtig in die feste Zahnstange ein 
treten, ehe noch die Steigung erreicht ist. Eine erhöhte 
Sicherheit dürfte geboten sein, wenn die bewegliche und 
ungleich getheilte Zahnstange nicht an den Visirbruch, son 
dern noch um ca. 30 Meter von demselben ab und auf 
die flache Bahn gerückt würde. Uebrigens ist das Ein 
fahren in die Zahnstange bisher ganz ohne allen Zwischen 
fall von Statten gegangen. Ueberhaupt sind bei den un 
term 28. Oktober 1876 vorgenommenen Probefahrten, wie auch 
bei den seitherigen nach dem Programm regelmäßig geleisteten 
Dienst-Fahrten keinerlei Unfälle eingetreten und es sind 
nur überall günstige und den obigen Berechnungen ent 
sprechende Ergebnisse erzielt worden, welche zu dem Schluffe 
berechtigen dürften, daß es den Herrn Vorständen des Kön. 
Bergraths und des Hüttenwerks Wasseralfingen durch sorg 
fältiges Studium gelungen ist, die vorgelegene Ausgabe in 
möglichst rationeller Weise zur Durchführung zu bringen. 
Zum Schluffe möchte ich mir noch gestatten, den Wunsch 
beizufügen, daß bei Bearbeitung und Auswahl all weiterer 
Bahnprojekte in gleich gründlicher Weise vorgegangen, und 
auf entsprechende Entwicklung unseres Eisenbahnwesens hin 
gewirkt werden möge. Hiedurch allein wird die sonst drohende 
Einstellung oder Einschränkung des Eisenbahnbaues abgewendet 
werden, während die damaligen Bestimmungen für den Eisen 
bahnbau der weiteren Ausbreitung und Vervollständigung des 
Eisenbahnnetzes im Wege, weil damit unerschwingliche und 
stets wachsende Ausgaben verbunden sind. In Württeniberg 
z. B. sind nach dem den Ständen vorgelegten Finanz-Etat 
die Baukosten der Bahnen fortwährend im Steigen begriffen. 
Es haben die früher erstellten Bahnen, z. B. die Hauptbahn 
Heilbronn—Friedrichshafen, von Stuttgart bis Ülm zwei 
spurig, pro Kilom. 230,000 Mark. 
Die Bahn Plochingen —Reut 
lingen „ 246,900 „ 
Die Bahn Reutlingen—Rotten 
burg „ „ 205,000 „ 
Die Remsbahn „ „ 189,000 „ 
Die vom Jahre 1866 bis 1873 
ausgeführte Donaubahn . „ „ 241,400 „ 
Die Allgäubahn „ „ 200,700 „ 
gekostet. Die in den letzten Jahren zur Verabschiedung ge 
langten Bahnen sind niit einem kilometrischen Bauaufwand 
von 527,000 bis 480,000 Mark in Rechnung gestellt und die 
kilometrischen Einnahmen und die Rente befinden sich meist 
in fühlbarem Rückgänge; mehr und mehr werden sich diese 
Mißverhältnisse vergrößern und geltend machen, bis sie dahin 
führen, daß dem Bedürfniß nach Eisenbahnen durch Verein 
fachung der baulichen Anlagen, vielleicht auch theilweise mit 
Anwendung von schärferen Curven und steileren Gradienten 
Rechnung getragen wird. Als eine der wichtigsten Aufgaben 
der Ingenieure dürfte daher die Ausmittlung der zweck 
mäßigsten Steigungen, Krümmungen und der denselben angc-
	        

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