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fortgedeihen und immer weiter in Kraft und Ansehen wachsen.
In diesem Sinne, meine Herrn, erhebe ich mein Glas und
bringe dem Verein ein herzliches Lebehoch!"
Das lebhaft einstimmende Hoch des ganzen Vereins be
kundete deutlich die allgemeine Uebereinstimmung, welche der
Redner bei den anwesenden Mitgliedern gefunden hatte. Nicht
minder lebhaften Anklang fanden die beiden nachfolgenden
Toaste, der des Professor Silber auf den hochverehrten Vor
sitzenden, dessen eifrigem Streben und aufopfernder Hingabe
an die Aufgaben des Vereins derselbe einen großen Theil
seiner Lebensfrische verdanke, und derjenige des Professor
Walter, auf die übrigen Mitglieder des Vereinsvorstandes,
welche ihre schätzbaren Kräfte dem Verein gewidmet und zu
seinem aufsteigenden Gedeihen beigetragen haben.
Nunmehr eröffnete sich ein schon von Anfang an viel
versprechender Vorhang, welcher den Bibliothekraum von dem
Saale abschloß und zeigte den erstaunten Festtheilnehmern
ein oberschwäbisches Bauernpaar in traulicher Unterhaltung,
aus welcher hervorging, daß der Mann soeben aus der Resi
denz zurückgekehrt, wo er seinen Abgeordneten, einen Ober
baurath, besucht hatte und von demselben auf's Freundlichste
aufgenommen worden war. Bei der folgenden Kritik der
letzten Abgeordnetenwahlen verbreitete sich das Paar in komi
scher Weise hauptsächlich über den Kampf der Kandidaten und
es schien die Frau sich in ihren Ansichten mehr auf die demo
kratische Seite zu schlagen, sie war anfänglich mit der Wahl
der Bau- und Oberbauräthe nicht so ganz einverstanden und
wollte namentlich den sanguinischen Eisenbahnhoffnungen ihres
Mannes wenig Aussicht zugestehen. Als sie aber schließlich
hörte, daß die 4 gewählten Herrn vom Baufache rechte Leute
seien, und nur das Allseitsgute und Nützliche erstreben, gab
sie sich zufrieden und stimmte mit ihren: Manne ein in die
Bewunderung des Stuttgarter Bauvereins, der 4 Abgeordnete
in die Kammer geschickt habe, mit dem Wunsche, es möchten
dieselben für ihr Fach, für ihre Kollegen und für das allge
meine Wohl wacker einstehen.
Die darauf folgenden Schnaderhüpfeln des sangeslustigen
Ehepaars behandelten mit liebenswürdigem Humor einen
großen Theil der anwesenden Mitglieder und wurde unter
großem Gaudium ebenso harmlos und gemüthlich aufgenommen.
Für diese höchst gelungene und allseits ansprechende Auf
führung sprach der Vorsitzende den betheiligten Herren Dobel,
Glaser und v. Sieger den herzlichen Dank der Versamm
lung aus und die sämmtlichen Anwesenden stimmten freudig
ein in das auf die genannten 3 Herren ausgebrachte Hoch!
Der Rest des Abends verlief in heiterster Weise unter
abwechselnden Solo-Vorträgen und gemeinschaftlichen Gesängen.
Bis 3 Uhr blieb der größere Theil der Versammlung bei
sammen, aber es soll auch die vierte Stunde noch eine kleine
Gesellschaft vereinigt gefunden haben, die sich bei einem Glase
Wein von den Strapazen des Abends erholt habe.
Schließlich ist noch nachzutragen, daß an dem Festessen
46 Mitglieder und 2 Gäste theilgenommen haben.
Stuttgart, den 24. Februar 1877.
C. Walter, Prof.
Dritte orderltkiche Werlammknng am 3. Februar 1877.
Vorsitzender: Oberbaurath v. Egle.
Schriftführer: Bauinspektor Rheinhard.
Anwesend sind 21 Mitglieder.
Das Protokoll der letzten Sitzung kam wegen Abwesen
heit des betreffenden Schriftführers nicht zur Verlesung.
Der Vorsitzende begrüßt den als Gast eingeführten In
genieur Bälz von Stuttgart, und verkündet hierauf das Re
sultat der Wahl der Ausschußmitglieder des Vereins.
Gewählt wurden
zum Vorstand: Oberbaurath v. Schlier holz,
„ Stellvertreter des Vorstands: Oberbaurath v. Egle,
„ Kassier: Baurath Bok I.,
„ Bibliothekar: Prof. Laißle,
zu Schriftführern: Baumeister Map er,
Bauinspektor Rheinhard und
„ v. Seeger,
zum Stellvertreter für Bibliothekar und Schriftführer: Bau-
Inspektor Kn oll.
Weiteres Mitglied: Prof. Silber.
Der Vorsitzende übergibt die eingegangenen Drucksachen,
worunter das Werk „Berlin und seine Bauten", dem
Bibliothekar.
Zur Aufnahme in den Verein hatten sich gemeldet Herr
Architekt Borkhardt, vorgeschlagen von Herrn Oberbaurath
v. Schlierholz, ferner die Herren Baumeister Rauscher
und Raible, vorgeschlagen von Bauinspektor Rheinhard.
Nach Verlesung der Notizen über Studien- und bisherige
praktische Laufbahn der Genannten erfolgte deren einstimmige
Aufnahme.
Der Herr Vorsitzende eröffnete nun die Verhandlungen
über den auf die heutige Tagesordnung gesetzten Gegenstand
betreffend Abänderungen an den Vollzugsverfügungen zur
neuen Bauordnung.
Nachdem Herr Prof. Baumgärtner in einer kurzen
Einleitung über die Vorgeschichte des Antrags auf Revision
obiger Vollzugsverfügungen referirt hat, werden letztere, sowie
die von der hierüber eingesetzten Kommission hiezu aufgestellten
Anträge zur Diskussion gebracht.
Zu den §§. 1—5 der Verfügungen wurde weder von
der Kommission noch aus dem Schooß des Vereins eine Ab
änderung beantragt.
Zu §. 6 Abs. 4 stellt die Kommission in Anbetracht des
ungünstigen Maßstabs der Pläne von 1:2500 für Korrek
tionen in alten unregelmäßigen Quartieren den Antrag, hinter
„Oertlichkeit" zu setzen: „wie bei Regulirung bestehender
Stadttheile und dergl." Dieser Zusatz wird auf Antrag von
Pros. Laißle abgelehnt.
Zu Abs. 5 desselben Paragraphen wünscht die Kommission,
daß hinter den Passus „sowie die Höhenlage der Straßen"
eingeschaltet werde „in der Achse". Zu diesem Absatz liegt
noch ein Antrag des Herrn Baumeisters Lang vor, daß die
Höhenlage der Straßen in den Plänen an den Hausecken an
gegeben werde. Nach längerer Debatte, wobei auch für die
Angabe der Kandelhöhen gesprochen wurde, wurde zuerst
darüber abgestimmt, ob eine Einschaltung an dieser Stelle
überhaupt gemacht werden solle oder nicht. Der Antrag auf
Nichteinschaltung, sowie der von Herrn Baumeister Lang ge
stellte wurde abgelehnt und der Kommissionsantrag ange
nommen.
Zu §. 7 wird Seitens der Kommission beantragt, am
Schluß des Abs. 1 beizusetzen: „insofern nicht neue Quartiere
in Angriff genommen werden, für welche jenen Plänen die
Bestimmung der Visire und Querprofile fehlen, oder wenn sie
in dieser Richtung ergänzt werden". Der Antrag des Herrn
Baurath Güntter eine Einschaltung hier als überflüssig
wegzulassen, erhält nicht die genügende Unterstützung und wird
der Kommissionsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen.
Zu den 88- 8—10 wurde keinerlei Bemerkung gemacht.
Zu §. 11 Abs. 6 hatte die Kommission die Ersetzung des
Worts „Ausbesserung" durch „Erneuerung" gewünscht, ohne
jedoch im Plenum genügende Unterstützung für diese Aenderung
zu finden.
Bei diesem Paragraphen brachte Herr Baurath Kaiser
nachträglich noch ein Desiderium der Bauabtheilung des
Stuttgarter Gemeinderaths zur Sprache, wonach das K. Mi
nisterium des Innern gebeten werden möchte, daß hier noch
ein weiterer Paragraph über das Steigungsmaximum der
Straßen eingeschaltet werde.