Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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fortgedeihen und immer weiter in Kraft und Ansehen wachsen. 
In diesem Sinne, meine Herrn, erhebe ich mein Glas und 
bringe dem Verein ein herzliches Lebehoch!" 
Das lebhaft einstimmende Hoch des ganzen Vereins be 
kundete deutlich die allgemeine Uebereinstimmung, welche der 
Redner bei den anwesenden Mitgliedern gefunden hatte. Nicht 
minder lebhaften Anklang fanden die beiden nachfolgenden 
Toaste, der des Professor Silber auf den hochverehrten Vor 
sitzenden, dessen eifrigem Streben und aufopfernder Hingabe 
an die Aufgaben des Vereins derselbe einen großen Theil 
seiner Lebensfrische verdanke, und derjenige des Professor 
Walter, auf die übrigen Mitglieder des Vereinsvorstandes, 
welche ihre schätzbaren Kräfte dem Verein gewidmet und zu 
seinem aufsteigenden Gedeihen beigetragen haben. 
Nunmehr eröffnete sich ein schon von Anfang an viel 
versprechender Vorhang, welcher den Bibliothekraum von dem 
Saale abschloß und zeigte den erstaunten Festtheilnehmern 
ein oberschwäbisches Bauernpaar in traulicher Unterhaltung, 
aus welcher hervorging, daß der Mann soeben aus der Resi 
denz zurückgekehrt, wo er seinen Abgeordneten, einen Ober 
baurath, besucht hatte und von demselben auf's Freundlichste 
aufgenommen worden war. Bei der folgenden Kritik der 
letzten Abgeordnetenwahlen verbreitete sich das Paar in komi 
scher Weise hauptsächlich über den Kampf der Kandidaten und 
es schien die Frau sich in ihren Ansichten mehr auf die demo 
kratische Seite zu schlagen, sie war anfänglich mit der Wahl 
der Bau- und Oberbauräthe nicht so ganz einverstanden und 
wollte namentlich den sanguinischen Eisenbahnhoffnungen ihres 
Mannes wenig Aussicht zugestehen. Als sie aber schließlich 
hörte, daß die 4 gewählten Herrn vom Baufache rechte Leute 
seien, und nur das Allseitsgute und Nützliche erstreben, gab 
sie sich zufrieden und stimmte mit ihren: Manne ein in die 
Bewunderung des Stuttgarter Bauvereins, der 4 Abgeordnete 
in die Kammer geschickt habe, mit dem Wunsche, es möchten 
dieselben für ihr Fach, für ihre Kollegen und für das allge 
meine Wohl wacker einstehen. 
Die darauf folgenden Schnaderhüpfeln des sangeslustigen 
Ehepaars behandelten mit liebenswürdigem Humor einen 
großen Theil der anwesenden Mitglieder und wurde unter 
großem Gaudium ebenso harmlos und gemüthlich aufgenommen. 
Für diese höchst gelungene und allseits ansprechende Auf 
führung sprach der Vorsitzende den betheiligten Herren Dobel, 
Glaser und v. Sieger den herzlichen Dank der Versamm 
lung aus und die sämmtlichen Anwesenden stimmten freudig 
ein in das auf die genannten 3 Herren ausgebrachte Hoch! 
Der Rest des Abends verlief in heiterster Weise unter 
abwechselnden Solo-Vorträgen und gemeinschaftlichen Gesängen. 
Bis 3 Uhr blieb der größere Theil der Versammlung bei 
sammen, aber es soll auch die vierte Stunde noch eine kleine 
Gesellschaft vereinigt gefunden haben, die sich bei einem Glase 
Wein von den Strapazen des Abends erholt habe. 
Schließlich ist noch nachzutragen, daß an dem Festessen 
46 Mitglieder und 2 Gäste theilgenommen haben. 
Stuttgart, den 24. Februar 1877. 
C. Walter, Prof. 
Dritte orderltkiche Werlammknng am 3. Februar 1877. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Egle. 
Schriftführer: Bauinspektor Rheinhard. 
Anwesend sind 21 Mitglieder. 
Das Protokoll der letzten Sitzung kam wegen Abwesen 
heit des betreffenden Schriftführers nicht zur Verlesung. 
Der Vorsitzende begrüßt den als Gast eingeführten In 
genieur Bälz von Stuttgart, und verkündet hierauf das Re 
sultat der Wahl der Ausschußmitglieder des Vereins. 
Gewählt wurden 
zum Vorstand: Oberbaurath v. Schlier holz, 
„ Stellvertreter des Vorstands: Oberbaurath v. Egle, 
„ Kassier: Baurath Bok I., 
„ Bibliothekar: Prof. Laißle, 
zu Schriftführern: Baumeister Map er, 
Bauinspektor Rheinhard und 
„ v. Seeger, 
zum Stellvertreter für Bibliothekar und Schriftführer: Bau- 
Inspektor Kn oll. 
Weiteres Mitglied: Prof. Silber. 
Der Vorsitzende übergibt die eingegangenen Drucksachen, 
worunter das Werk „Berlin und seine Bauten", dem 
Bibliothekar. 
Zur Aufnahme in den Verein hatten sich gemeldet Herr 
Architekt Borkhardt, vorgeschlagen von Herrn Oberbaurath 
v. Schlierholz, ferner die Herren Baumeister Rauscher 
und Raible, vorgeschlagen von Bauinspektor Rheinhard. 
Nach Verlesung der Notizen über Studien- und bisherige 
praktische Laufbahn der Genannten erfolgte deren einstimmige 
Aufnahme. 
Der Herr Vorsitzende eröffnete nun die Verhandlungen 
über den auf die heutige Tagesordnung gesetzten Gegenstand 
betreffend Abänderungen an den Vollzugsverfügungen zur 
neuen Bauordnung. 
Nachdem Herr Prof. Baumgärtner in einer kurzen 
Einleitung über die Vorgeschichte des Antrags auf Revision 
obiger Vollzugsverfügungen referirt hat, werden letztere, sowie 
die von der hierüber eingesetzten Kommission hiezu aufgestellten 
Anträge zur Diskussion gebracht. 
Zu den §§. 1—5 der Verfügungen wurde weder von 
der Kommission noch aus dem Schooß des Vereins eine Ab 
änderung beantragt. 
Zu §. 6 Abs. 4 stellt die Kommission in Anbetracht des 
ungünstigen Maßstabs der Pläne von 1:2500 für Korrek 
tionen in alten unregelmäßigen Quartieren den Antrag, hinter 
„Oertlichkeit" zu setzen: „wie bei Regulirung bestehender 
Stadttheile und dergl." Dieser Zusatz wird auf Antrag von 
Pros. Laißle abgelehnt. 
Zu Abs. 5 desselben Paragraphen wünscht die Kommission, 
daß hinter den Passus „sowie die Höhenlage der Straßen" 
eingeschaltet werde „in der Achse". Zu diesem Absatz liegt 
noch ein Antrag des Herrn Baumeisters Lang vor, daß die 
Höhenlage der Straßen in den Plänen an den Hausecken an 
gegeben werde. Nach längerer Debatte, wobei auch für die 
Angabe der Kandelhöhen gesprochen wurde, wurde zuerst 
darüber abgestimmt, ob eine Einschaltung an dieser Stelle 
überhaupt gemacht werden solle oder nicht. Der Antrag auf 
Nichteinschaltung, sowie der von Herrn Baumeister Lang ge 
stellte wurde abgelehnt und der Kommissionsantrag ange 
nommen. 
Zu §. 7 wird Seitens der Kommission beantragt, am 
Schluß des Abs. 1 beizusetzen: „insofern nicht neue Quartiere 
in Angriff genommen werden, für welche jenen Plänen die 
Bestimmung der Visire und Querprofile fehlen, oder wenn sie 
in dieser Richtung ergänzt werden". Der Antrag des Herrn 
Baurath Güntter eine Einschaltung hier als überflüssig 
wegzulassen, erhält nicht die genügende Unterstützung und wird 
der Kommissionsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen. 
Zu den 88- 8—10 wurde keinerlei Bemerkung gemacht. 
Zu §. 11 Abs. 6 hatte die Kommission die Ersetzung des 
Worts „Ausbesserung" durch „Erneuerung" gewünscht, ohne 
jedoch im Plenum genügende Unterstützung für diese Aenderung 
zu finden. 
Bei diesem Paragraphen brachte Herr Baurath Kaiser 
nachträglich noch ein Desiderium der Bauabtheilung des 
Stuttgarter Gemeinderaths zur Sprache, wonach das K. Mi 
nisterium des Innern gebeten werden möchte, daß hier noch 
ein weiterer Paragraph über das Steigungsmaximum der 
Straßen eingeschaltet werde.
	        

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