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Herr Prof. Baumgärtner bemerkt, daß dieser Punkt
bei Berathung des §. 4 hätte zur Sprache gebracht werden
sollen. Die Kommission hatte sich in ihrer Mehrzahl im Sinne
der gedachten Bauabtheilung dafür ausgesprochen, daß das
Steigungsmaximum für Hauptstraßen zu 8 °/„, das bei Neben
straßen 10 7 0 betragen dürfe.
Seitens der Herren Baurath Güntter, Prof. Laißle,
Bauinspektor Rheinhard und Baumeister Dobel wurde
dagegen nach längerer Debatte der Antrag gestellt, daß in
einem diesbezüglichen Paragraphen die Bestimmung aufzu
nehmen sei, daß bei neu anzulegenden Bauquartieren für
Hauptstraßen mit durchgehendem Verkehr das Steigungs
maximum zu 6 0 „, für Nebenstraßen zu 8 7„ anzunehmen sei,
und daß von einer diesbezüglichen Vorschrift bei Straßen
korrektionen in schon bestehenden Stadttheilen ganz abzusehen
sei. Dieser Zusatzantrag zu §. 4 wurde angenommen, nach
dem zuvor über den Antrag der Kommission abgestimmt und
dieser abgelehnt worden war.
Die weitere Berathung wurde hier abgebrochen und eine
hierauf bezügliche Zuschrift des Herrn Direktor v. Schütz,
Vorstand der Bauabtheilung im Ministerium des Innern, ver
lesen, wonach der Uebergabe eines Gutachtens des Vereins in
obigem Betreff gerne entgegengesehen wird.
Nachdem der Vorsitzende bemerkt hat, daß für das
Freiligrath-Denkmal erst eine Skizze bei ihm eingelaufen sei
und hiebei den Wunsch ausdrückte, bald in den Besitz weiterer
ähnlicher Zusendungen zu gelangen, wird die Sitzung um
10 ’/2 Uhr geschlossen.
Der Schriftführer:
Rheinhard.
Vierte ordentliche Versammlung am 12. Februar 1877.
Vorsitzender: Prof. Silber.
Schriftführer: Baumeister Mayer.
Anwesend 16 Mitglieder.
1) Pros. Silber theilt mit, daß der Herr Vorsitzende,
Oberbaurath v. Schlierholz, und der Herr Vizevorsitzende,
Oberbaurath v. Egle, beide unwohl seien, und ersterer ihn
ersucht habe, den Vorsitz für heute zu übernehmen, was er zu
gesagt habe und daher die heutige Sitzung eröffne.
2) Es wird ein Brief des Herrn Bauinspektor Kn oll
vorgelesen, welcher im Namen seiner Schwester, der Wittwe
des Baurath Würich, für die bei dem Leichenbegängniß des
letzteren durch den Verein erwiesenen Ehren dankt.
3) Der Vorsitzende gedenkt mit warmer Empfindung des
jüngst verstorbenen Oberbauraths Binder, an welchem der
Verein eines seiner thätigsten Mitglieder verlor. Die Ver
sammlung erhebt sich zum ehrenden Andenken von den Sitzen.
4) Der Jngenieurverein von Stockholm übersendet mit
einem Schreiben 3 Hefte seiner Vereinszeitschrift und ladet
den Verein zu künftigem Austausche der Publikationen ein,
welcher Einladung die Versammlung einhellig zu folgen be
schließt.
5) Die Verlesung des Protokolls der Generalversamm
lung wird bis zum nächsten Male ausgesetzt.
6) Das Protokoll der letzten Versammlung wird vorge
lesen (von Mayer weil Rheinhard nicht zugegen) und mit
einer Berichtigung, statt Thesen „Anträge" zu setzen, genehmigt.
7) Fortsetzung der Berathung über die Revision der Voll
ziehungsverfügung zur neuen Bauordnung.
Zu §. 14 wird bezüglich der Weichsteine der Kommissions
antrag angenommen.
Zu den 88- 17 und 18 wird in Uebereinstimmung mit
dem Kommissionsantrag keine Aenderung vorgeschlagen.
Zu §. 19. Die veränderte Fassung, wie solche von
der Kommission vorgeschlagen ist, wird nach längerer
Debatte angenommen, nachdem ein Antrag Laißle's auf
Streichung des ersten Theils des Kommissionsantrags ab
gelehnt war und letzterer sich mit den Punkten 5 und 6,
namentlich in Beziehung auf bestehende Gebäude, welche ab
geändert werden müßten, einverstanden erklärt hatte. Ober
baurath v. Morlok hatte gegen die größeren Sockelaus
ladungen bis zu 40 cm. gesprochen, weil in breiten Straßen
auf dem Lande sich öfters Wassergräben nahe den Häusern
befinden und der Raum zwischen diesen und jenen durch die
Ansladung beeinträchtigt werde. Ein Antrag wurde nicht ge
stellt. Es wurde noch von Prof. B aumgärtner darauf
hingewiesen, daß für einen solchen speziellen Fall das Orts
baustatut spezielle Vorschriften machen werde.
Zu §. 20 Abs. 1 hat die Kommission keinen Antrag ge
stellt; Baumeister Mayer schlägt vor, ebenso wie bei dem
vom Bauverein früher ausgearbeiteten Vorschlag eines Orts
baustatuts für Stuttgart, hier eine Bemerkung einfließen zu
lassen, in welcher der Verein sein Bedauern ausdrückt, daß
der Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes die Gestattung von Keller-,
lichtschächten in den Trottoirs ausschließe, welche nach der
Ansicht des Vereins unter bestimmten Normen, namentlich
geringer Breite und mit Verschluß unbedenklich und als einziges
Mittel erscheinen, um bei tief herabgehenden Schaufensteranlagen
oder bei Souterrain und Keller in 2 Geschossen Lust und Licht
für die Keller zu schaffen.
Der Antrag wird unterstützt von Oberbaurath v. Mor
lok, welcher einen Fall anführt, in welchem in einem Jahre
lang gesunden Haus nach Vermauerung der Lichtschächte der
Schwamm aufgekommen sei.
Prof. Walter erklärt, daß das Gesetz hierin geradezu
zu einer Kalamität führe, welche in keiner Stadt außerhalb
Württembergs existire.
Prof. Laißle dagegen, weil die Gitter der Lichtschächte
doch die Passanten gefährden.
Prof. Baumgärtner dagegen, weil mit der Bemerkung
nichts erreicht werde, indem die Gitter nach dem Gesetze ver
boten seien. Bei der Abstimmung wird der Antrag ange
nommen.
§. 20 Abs. 2. Der Kommissionsantrag zu setzen: „welche
nicht geöffnet werden können" fällt auf Antrag Professor
Walt er's mit sämmtlichen Stimmen.
Zu den §§. 21 und 22 wird keine Aenderung beantragt.
Zu 8- 23. Antrag der Kommission nach dem Wort
„Rückseiten" einzuschalten, „sofern diese nicht Brandmauern
ohne Oeffnungen sind.
Prof. Laißle stellt deu Gegenantrag, den ganzen Para
graphen zu streichen.
Baumeister Mayer erwähnt, daß auch in der Kommission
zur Sprache gekommen sei, es werde den Durchfahrten und
Feuergaffen ein Werth beigelegt, welchen dieselben gegenwärtig
nicht mehr haben, nachdem überall sich Spritzen mit Schläuchen
finden, welche durch jeden Hausgang und sogar durch Zimmer
hindurch gelegt werden können und gelegt werden, weil es zu
umständlich wäre, bei der Stellung der Spritze im Hofe oder
der Feuergasse mit dem Wasser zur Spritze zu gelangen. Die
Vorschrift beruhe offenbar auf der Voraussetzung des Vor
handenseins von Spritzen mit Standrohren.
Der Antrag Laißle wird angenommen.
Prof. Walter hält den Kommissionsantrag aufrecht für
den Fall, daß das Ministerium auf die Sireichung des Pa
ragraphen nicht eingehen sollte. In dieser Weise wird der
Antrag nun angenommen.
Zu 8- 24, Abstand der Gebäude von Waldungen
betreffend, theilt Oberbaurath v. Morlok auf Befragen
mit, daß für die Entfernung der Bahnlinie von Wal
dungen 20 m. das vorgeschriebene Maß sei, d. h. daß auf
diese Breite rechts und links der Bahn ausgehauen werden
müsse; es geschehe dies aber durchaus nicht mit Rücksicht
auf die Feuersgesährlichkeit, sondern mit Rücksicht darauf, daß
vom Winde umgeworfene Bäume nicht in die Bahn fallen