Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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Herr Prof. Baumgärtner bemerkt, daß dieser Punkt 
bei Berathung des §. 4 hätte zur Sprache gebracht werden 
sollen. Die Kommission hatte sich in ihrer Mehrzahl im Sinne 
der gedachten Bauabtheilung dafür ausgesprochen, daß das 
Steigungsmaximum für Hauptstraßen zu 8 °/„, das bei Neben 
straßen 10 7 0 betragen dürfe. 
Seitens der Herren Baurath Güntter, Prof. Laißle, 
Bauinspektor Rheinhard und Baumeister Dobel wurde 
dagegen nach längerer Debatte der Antrag gestellt, daß in 
einem diesbezüglichen Paragraphen die Bestimmung aufzu 
nehmen sei, daß bei neu anzulegenden Bauquartieren für 
Hauptstraßen mit durchgehendem Verkehr das Steigungs 
maximum zu 6 0 „, für Nebenstraßen zu 8 7„ anzunehmen sei, 
und daß von einer diesbezüglichen Vorschrift bei Straßen 
korrektionen in schon bestehenden Stadttheilen ganz abzusehen 
sei. Dieser Zusatzantrag zu §. 4 wurde angenommen, nach 
dem zuvor über den Antrag der Kommission abgestimmt und 
dieser abgelehnt worden war. 
Die weitere Berathung wurde hier abgebrochen und eine 
hierauf bezügliche Zuschrift des Herrn Direktor v. Schütz, 
Vorstand der Bauabtheilung im Ministerium des Innern, ver 
lesen, wonach der Uebergabe eines Gutachtens des Vereins in 
obigem Betreff gerne entgegengesehen wird. 
Nachdem der Vorsitzende bemerkt hat, daß für das 
Freiligrath-Denkmal erst eine Skizze bei ihm eingelaufen sei 
und hiebei den Wunsch ausdrückte, bald in den Besitz weiterer 
ähnlicher Zusendungen zu gelangen, wird die Sitzung um 
10 ’/2 Uhr geschlossen. 
Der Schriftführer: 
Rheinhard. 
Vierte ordentliche Versammlung am 12. Februar 1877. 
Vorsitzender: Prof. Silber. 
Schriftführer: Baumeister Mayer. 
Anwesend 16 Mitglieder. 
1) Pros. Silber theilt mit, daß der Herr Vorsitzende, 
Oberbaurath v. Schlierholz, und der Herr Vizevorsitzende, 
Oberbaurath v. Egle, beide unwohl seien, und ersterer ihn 
ersucht habe, den Vorsitz für heute zu übernehmen, was er zu 
gesagt habe und daher die heutige Sitzung eröffne. 
2) Es wird ein Brief des Herrn Bauinspektor Kn oll 
vorgelesen, welcher im Namen seiner Schwester, der Wittwe 
des Baurath Würich, für die bei dem Leichenbegängniß des 
letzteren durch den Verein erwiesenen Ehren dankt. 
3) Der Vorsitzende gedenkt mit warmer Empfindung des 
jüngst verstorbenen Oberbauraths Binder, an welchem der 
Verein eines seiner thätigsten Mitglieder verlor. Die Ver 
sammlung erhebt sich zum ehrenden Andenken von den Sitzen. 
4) Der Jngenieurverein von Stockholm übersendet mit 
einem Schreiben 3 Hefte seiner Vereinszeitschrift und ladet 
den Verein zu künftigem Austausche der Publikationen ein, 
welcher Einladung die Versammlung einhellig zu folgen be 
schließt. 
5) Die Verlesung des Protokolls der Generalversamm 
lung wird bis zum nächsten Male ausgesetzt. 
6) Das Protokoll der letzten Versammlung wird vorge 
lesen (von Mayer weil Rheinhard nicht zugegen) und mit 
einer Berichtigung, statt Thesen „Anträge" zu setzen, genehmigt. 
7) Fortsetzung der Berathung über die Revision der Voll 
ziehungsverfügung zur neuen Bauordnung. 
Zu §. 14 wird bezüglich der Weichsteine der Kommissions 
antrag angenommen. 
Zu den 88- 17 und 18 wird in Uebereinstimmung mit 
dem Kommissionsantrag keine Aenderung vorgeschlagen. 
Zu §. 19. Die veränderte Fassung, wie solche von 
der Kommission vorgeschlagen ist, wird nach längerer 
Debatte angenommen, nachdem ein Antrag Laißle's auf 
Streichung des ersten Theils des Kommissionsantrags ab 
gelehnt war und letzterer sich mit den Punkten 5 und 6, 
namentlich in Beziehung auf bestehende Gebäude, welche ab 
geändert werden müßten, einverstanden erklärt hatte. Ober 
baurath v. Morlok hatte gegen die größeren Sockelaus 
ladungen bis zu 40 cm. gesprochen, weil in breiten Straßen 
auf dem Lande sich öfters Wassergräben nahe den Häusern 
befinden und der Raum zwischen diesen und jenen durch die 
Ansladung beeinträchtigt werde. Ein Antrag wurde nicht ge 
stellt. Es wurde noch von Prof. B aumgärtner darauf 
hingewiesen, daß für einen solchen speziellen Fall das Orts 
baustatut spezielle Vorschriften machen werde. 
Zu §. 20 Abs. 1 hat die Kommission keinen Antrag ge 
stellt; Baumeister Mayer schlägt vor, ebenso wie bei dem 
vom Bauverein früher ausgearbeiteten Vorschlag eines Orts 
baustatuts für Stuttgart, hier eine Bemerkung einfließen zu 
lassen, in welcher der Verein sein Bedauern ausdrückt, daß 
der Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes die Gestattung von Keller-, 
lichtschächten in den Trottoirs ausschließe, welche nach der 
Ansicht des Vereins unter bestimmten Normen, namentlich 
geringer Breite und mit Verschluß unbedenklich und als einziges 
Mittel erscheinen, um bei tief herabgehenden Schaufensteranlagen 
oder bei Souterrain und Keller in 2 Geschossen Lust und Licht 
für die Keller zu schaffen. 
Der Antrag wird unterstützt von Oberbaurath v. Mor 
lok, welcher einen Fall anführt, in welchem in einem Jahre 
lang gesunden Haus nach Vermauerung der Lichtschächte der 
Schwamm aufgekommen sei. 
Prof. Walter erklärt, daß das Gesetz hierin geradezu 
zu einer Kalamität führe, welche in keiner Stadt außerhalb 
Württembergs existire. 
Prof. Laißle dagegen, weil die Gitter der Lichtschächte 
doch die Passanten gefährden. 
Prof. Baumgärtner dagegen, weil mit der Bemerkung 
nichts erreicht werde, indem die Gitter nach dem Gesetze ver 
boten seien. Bei der Abstimmung wird der Antrag ange 
nommen. 
§. 20 Abs. 2. Der Kommissionsantrag zu setzen: „welche 
nicht geöffnet werden können" fällt auf Antrag Professor 
Walt er's mit sämmtlichen Stimmen. 
Zu den §§. 21 und 22 wird keine Aenderung beantragt. 
Zu 8- 23. Antrag der Kommission nach dem Wort 
„Rückseiten" einzuschalten, „sofern diese nicht Brandmauern 
ohne Oeffnungen sind. 
Prof. Laißle stellt deu Gegenantrag, den ganzen Para 
graphen zu streichen. 
Baumeister Mayer erwähnt, daß auch in der Kommission 
zur Sprache gekommen sei, es werde den Durchfahrten und 
Feuergaffen ein Werth beigelegt, welchen dieselben gegenwärtig 
nicht mehr haben, nachdem überall sich Spritzen mit Schläuchen 
finden, welche durch jeden Hausgang und sogar durch Zimmer 
hindurch gelegt werden können und gelegt werden, weil es zu 
umständlich wäre, bei der Stellung der Spritze im Hofe oder 
der Feuergasse mit dem Wasser zur Spritze zu gelangen. Die 
Vorschrift beruhe offenbar auf der Voraussetzung des Vor 
handenseins von Spritzen mit Standrohren. 
Der Antrag Laißle wird angenommen. 
Prof. Walter hält den Kommissionsantrag aufrecht für 
den Fall, daß das Ministerium auf die Sireichung des Pa 
ragraphen nicht eingehen sollte. In dieser Weise wird der 
Antrag nun angenommen. 
Zu 8- 24, Abstand der Gebäude von Waldungen 
betreffend, theilt Oberbaurath v. Morlok auf Befragen 
mit, daß für die Entfernung der Bahnlinie von Wal 
dungen 20 m. das vorgeschriebene Maß sei, d. h. daß auf 
diese Breite rechts und links der Bahn ausgehauen werden 
müsse; es geschehe dies aber durchaus nicht mit Rücksicht 
auf die Feuersgesährlichkeit, sondern mit Rücksicht darauf, daß 
vom Winde umgeworfene Bäume nicht in die Bahn fallen
	        

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