Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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können. Uebrigens lehre die Erfahrung, daß Unterholz und 
Gestrüpp weit eher in Brand gerathen als Strohdächer. 
Prof. Baumgärtner weist darauf hin, daß bei der 
bestehenden Vorschrift es in vielen Fällen nicht möglich sei, 
in einem engen Thal mit bewaldeten Hängen eine Sägmühle 
zu errichten. 
Der Kommissionsantrag wird hierauf angenommen. 
Zu §. 25. Entfernung der Gebäude von Eisenbahnen. 
Kommissionsantrag für Gebäude mit brennbarer Bedachung, 
statt 35 in. zu setzen 20 in. 
Prof. Laißle ist mit jeder Verringerung des Abstandes 
einverstanden, also auch mit der vorgeschlagenen. Er hält die 
Entfernung von 7 in., welche für Gebäude mit feuersicherer 
Bedachung gilt, für überflüssig groß. Namentlich kann sich 
Redner nicht mit der weiteren Bestimmung befreunden, daß 
im Falle die Bahn auf dem Damme liege, die Entfernung 
von 7 in. um das l'/z fache der Höhe des Dammes vergrößert 
werden müsse. Hiedurch seien die Rechte der Nachbarn der 
Eisenbahn in einer bedenklichen Weise beschränkt und es lasse 
sich mit Rücksichten der Feuersgefährlichkeit diese Bestimmung 
nicht begründen. 
Redner stellt den weiteren Antrag, den ganzen Abs. 2 
zu streichen, weil 
1) der Abs. 1 bei niederen Dämmen für die Entfernung 
ausreichende Vorschrift biete; 
2) bei hohen Dämmen die Entfernung von selbst sich da 
durch entsprechend regulire, daß auf das Bahneigenthum 
— den Dammfuß — nicht gebaut werden dürfe. 
Oberbaurath v. Morlok betont, daß nicht allein feuer 
polizeiliche Rücksichten maßgebend seien, sondern auch Rück 
sichten auf die Bahn selbst. Die größere Entfernung der Ge 
bäude gestatte einen Damm zu erbreitern für ein zweites Ge 
leise mit billigerer Grunderwerbung. Die Eisenbahnen ver 
dienen als öffentliche Verkehrswege dieselbe Rücksicht wie 
Landstraßen, bei diesen werden auch Abstände vorgeschrieben. 
Bauinspektor Köhler ist auch für Beibehaltung des 
Abs. 2 wegen der geringeren Kosten, mit welchen die Her 
stellung eines weiteren Geleises verknüpft ist. 
Prof. Laißle: Um diesen Vortheil zu sichern, soll die 
Bahnverwaltung sich den Grund und Boden kaufen oder ein 
Servitut in dieser Hinsicht erwerben. 
Bei der Abstimmung wird der Kommissionsantrag ein 
stimmig und der Antrag Laißle's mit 9 gegen 7 Stimmen 
angenommen. 
§§. 26, 27 und 28 dem Kommissionsantrag entsprechend 
unverändert. 
Um 10 Uhr 30 Min. wird die Versammlung geschlossen. 
Der Schriftführer: 
E. Mayer. 
Aürrfte ordentliche Wersammkung am 24. Februar 1877. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlier holz/ 
Schriftführer: E. Mayer. 
Anwesend 23 Mitglieder. 
1) Das Protokoll der letzten Sitzung wird vorgelesen und 
genehmigt. 
2) Der Vorsitzende theilt mit, daß das Mitglied 
vr. Pilgrim ein Exemplar seines Buches: Theorie des 
kreisförmigen Tonnengewölbes von konstanter Dicke mit nur 
eigenem Gewicht dem Verein zum Geschenk gemacht habe. 
Wird verdankt. 
3) Die Ingenieure Carl List und Ludwig Vetter, 
beide bei dem Eisenbahnbauamt in Wangen angestellt, vor 
geschlagen von Oberbaurath v. Schlierholz, werden in den 
Verein als ortsabwesende Mitglieder aufgenommen. 
4) Von den Mitgliedern Baurath Wolf und Fabrikant 
Stotz sind Musterfelder eines Treppengeländers ausgestellt, 
welches von ersterem für die Villa Falk in Nürnberg 
(Duzendteich) entworfen und von letzterem ausgeführt wurde. 
Die Hauptstäbe sind aus gedrehtem blankem Schmiedeisen, 
die Ausfüllung, Ranken mit Blattwerk und erhabenen Rosetten 
von Messingguß ciselirt. Der Verein erblickt in dem Ganzen 
eine sehr erfreuliche kunstgewerbliche, Leistung. Es wird von 
Herrn Stotz mitgetheilt, daß zuerst beabsichtigt gewesen sei, 
die Felderausfüllungen aus Schmiedeisen herzustellen, daß aber 
bei dem geringen Preisunterschied der Bauherr sich für 
Messingguß entschieden habe. Die Preise waren für Schmied 
eisen 27 Mark für ein schräges und 24 Mark für ein gerades 
Feld, in Messing 35 Mark für ein schräges und 32 Mark 
für ein gerades Feld ohne die gedrehten Stäbe. — Herr- 
Stotz stellt die Ausstellung einer in Messing getriebenen Ar 
beit, welche er für die genannte Villa anfertigt, in Aussicht. 
5) Fortsetzung der Berathung über die Vollziehungs 
verfügung. 
Zu den §§. 29—31 wird auch im Plenum kein Aen 
derungsantrag gestellt. 
Der Antrag der Kommission zu §. 32 wird fallen ge 
lassen. 
Ebenso der Vorschlag von Freund und Preu, der 
Verein möge für die Gestattung von halbschühigen Giebel 
wänden mit Verstärkungspfeilern (anstatt 25 cm. Minimal 
stärke) eintreten, indem an dem neuen Ziegelmaße festzuhalten 
und allem aufzubieten sei, dasselbe überall zur Anwendung 
zu bringen. 
Zu den §§. 33—36 wird kein Antrag gestellt. 
8- 37. Die Kommission beantragt, den Minimalabstand 
für die Gestattung von Schindelschirmen von der Eigenthums 
grenze resp. Nachbargebäude auf 7 resp. 14 m. zu ermäßigen. 
Von Herrn Freund ist ein Antrag eingesendet, 4 und 7 m. 
zu bestimmen. 
Oberbaurath v. Schlierholz motivirt die Verminderung 
der Entfernung wie in der Kommission. 
Baurath Günther bedauert nur, daß die Strenge des 
Gesetzes auch bei isolirten Gebäuden, z. B. Sägmühlen, gegen 
deren eigene Zubehörden in Anwendung komme. 
Man vereinigt sich auf folgende Abstände: zu 1) 4 in. 
und zu 2) 10 m. 
Der weitere Antrag der Kommission bezüglich der jalousie 
artigen Verschalung fällt. 
Zu 38 wird kein Antrag gestellt. 
§. 39. Der Kommissionsantrag, für hölzerne Balköne rc. 
auch die Entfernung von 2,3 m. gelten zu lassen, wird mit 
dem Amendement von Baurath Bok: „wenn sie steinernen 
Gebäuden gegenüber stehen" angenommen. 
§. 40. Entgegen der Kommission ist Baurath Bok der 
Ansicht, daß nicht massive Dachausbauten in der Nähe anderer 
Gebäude verwerflich seien. Oberbanrath v. Egle: Im Aus 
druck „wegen der Nähe anderer Gebäude" möchte genauer an 
gegeben werden, was hier unter Nähe verstanden wird. Auf 
den Antrag Prof. Laißle's wird beschlossen, die Bitte aus 
zusprechen, es möchte der fragliche Absatz näher präzisirt 
werden. 
tz. 41 Abs. 1. Anstatt des Kommissionsantrags bezüglich 
jalousieartiger Verschalung wird beschlossen, es sei das Wort 
Leisten auszulassen, dann heißt der Satz „daß die Fugen be 
deckt werden". 
Abs. 2. Die Entfernung von Gartenhäuschen rc. mit 
Stroh- oder Schindeldächern von Häusern und Waldungen 
will die Kommission von 30 resp. 100 m. auf 10 m. redu- 
ziren. Baurath Bok spricht für eine Ermäßigung auf 5 in. 
von Gebäuden und führt ein Beispiel an, wie in Zwiefalten 
strohgedeckte Spaziergänge an ein anderes Gebäude seit 
40 Jahren anstoßen, ohne daß je dies sich irgendwie gefährlich 
gezeigt hätte. Ein derartiger Anbau neuerdings sei nicht ge 
stattet worden. 
Baurath Günther erwähnt, die Forstämter zeigen sich 
bei einzelnen vorgelegten Gesuchen für Gestattung von Garten-
	        

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