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Das neue Kloster, gewöhnlich Schloß genannt, wurde, wie
Eingangs erwähnt, -zu verschiedenen Zwecken verwendet, was
.demselben gerade nicht zum Vortheil diente.
Bei dessen Verwendung zu dem nunmehrigen Zwecke als
Irrenanstalt mußte zuerst allen Ansaßen andere Wohnungen
angewiesen werden. Für das Kameralamt ivurde ein Neubau
in Saulgan hergestellt, für das Revieramt und die 3 katholischen
nebst 4 evangelischen Geistlichen wurden die Wohnungen in
dem an die Kirche anstoßenden Flügel des alten Klosters ein
gerichtet, nachdem für die in Letzterem untergebrachten Arbeiter
familien des Hüttenwerks zuvor neue Wohnungen erbaut wor
den waren.
Das neue Klostergebäude ist sehr opulent und zweckmäßig
gebaut worden; es enthält einen durchgehenden hohen und ge
wölbten Souterrainstock, über demselben aus hohem Sockel
einen Parterrestock, 4,5 na. hoch, und zwei weitere Stockwerke
von je 4 in. Höhe. An beiden Ecken ist noch ein weiteres
Stockwerk aufgesetzt.
Im Mittelflügel befindet sich iin 2. Stock der berühmte
Bibliotheksaal, welcher nun als Betsaal für die Anstalt
dient. Dieser Bibliotheksaal, einer der schönsten seiner Art
und sicher der schönste von allen, welche sich in in
ländischen Klöstern befinden, bildet für sich eine beson
dere Sehenswürdigkeit und zeichnet sich durch seine Größe und
Höhe, sowie durch seine überaus reiche und geschmackvolle Be
handlung, insbesondere durch das große Deckengemälde al fresco,
dessen Inhalt die Weltgeschichte darstellt, und durch eine auf
schönen schlanken stuckmarmornen Doppelsäulen ruhende, rings
herum führende Gallerte aus. An der Decke dieser Gallerie,
sowie in den tiefen Fensterleibungen sind sehr mannigfaltige
sinnbildliche Darstellungen der in den zugehörigen, mit sinn
reichen Einrichtungen versehenen großen Bücherschränken aufbe
wahrten Schriften über Wissenschaften und Künste, und gewährt
deren Betrachtung einen hohen Genuß.
Das Gebäude ist durchaus massiv und tbündig erbaut,
die Korridore sind 4 na. breit, die sehr schönen Treppen (von
Eichenholz) liegen in den inneren Ecken.
Das Material, aus welchem dasselbe erbaut wurde, ist
Backstein, die Sockel sind zum Theil von Schweizer (Molasse)
Sandstein, ebenso sämmtliche Fenstereinfassungen.
Die Dächer sind mit gewöhnlichen Dachziegeln eingedeckt
und wurden in neuerer Zeit mit Schiefern eingefaßt.
Zu den Souterrain-Mauern, welche eine beträchtliche Dicke
(bis ca 4,5 m.) haben, wurden vorzugsweise sog. Findlinge,
eigentlich Gletschergeschiebe, erratische Blöcke k. aus Granit, Alpen
kalk 2c. bestehend, verwendet, welche sich früher in großer Zahl
in der Nähe von Schussenried fanden. Bei den in Folge der
Einrichtung des Souterrains nothwendig gewordenen vielen
Durchbrüchen zu Fenster- und Thürenöffnungen hat die Be
seitigung dieser Findlinge große Schwierigkeiten verursacht
und mußte hiebei größtentheils die Sprengung derselben durch
Pulver stattfinden.
Nach diesen Vorausschickungen will ich nun die weiteren
Momente und Anforderungen, welche bei der Adaptirung des
Gebäudes für eine Irrenanstalt zu erfüllen waren, und die
wichtigeren Einrichtungen, sowie die Ausführung einzelner
Theile in Nachfolgendem etwas eingehender auseinanderzusetzen
suchen.
Unterbringung der Kranke« im Allgemeinen.
Bei Unterbringung der Kranken ist die möglichst vollstän
dige Trennung der Geschlechter ein Haupterforderniß und zwar
nicht blos in Beziehung auf räumliche Trennung, sondern auch
in der Hinsicht-, daß ein Zusammensetzen derselben nicht mög
lich ist.
In ersterer Beziehung ergaben sich keine besonderen
Schwierigkeiten, in letzterer Hinsicht dagegen waltet der durch
das Gebäude gegebene und nicht zu ändernde Mißstand
vor, daß die sämmtlichen Korridore gegen den inneren Hof
gehen. Da nun diese Korridore wegen ihrer schönen Dimen
sionen durchweg zu Aufenthaltsräumen den Tag über, oder zu
sogen. Tagräumen sich vorzüglich eignen und daher auch als
solche verwendet wurden, so war zu befürchten, daß die im
Mittelbau untergebrachten Männer und die im östlichen Flügel
untergebrachten Weiber mit einander korrespondiren werden.
Diesem Mißstand wurde nun dadurch abgeholfen, daß der
zunächst an den östlichen Flügel anstoßende Theil des Mittel
baus ebenfalls für weibliche Kranke verwendet und daß die
Wohnung des Oberwärters zwischen die männliche und weib
liche Abtheilung eingeschoben wurde. Im oberen Stock befindet
sich im Mittelbau der große Bibliotheksaal, durch welchen sich
eine genügende räumliche Trennung dieser Abtheilungen von
selbst ergab. Hierdurch, sowie durch die im inneren Hofe be
findlichen hohen Baumgruppen wurde dieser Mißstand beseitigt.
Zahl der Kranken »nd ihre Nerttzeilung.
Aus Grund der durch das Gebäude gegebenen Räumlich
keiten wurde die Zahl der in der neuen Anstalt aufzunehmen
den Kranken auf durchschnittlich 320—350 berechnet, und ist
das vorhandene Hauptgebäude nur für die ruhigen oder
wenig aufgeregten Kranken I., II. und III. Klasse beiderlei
Geschlechts bestimmt worden.
Für die unreinlichen (blödsinnigen) und aufgeregten
(tobsüchtigen) Kranken ergab sich die Nothwendigkeit, sie außerhalb
des Hauses in besonderen Gebäuden unterzubringen, von selbst.
Die Art und Weise, wie dies zu geschehen hatte und wie
diese Gebäude unter sich und mit dem Hauptgebäude zusam
menhängen sollen, erforderte dagegen vielfache Verhandlungen
und wurde schließlich aus meinen Vorschlag die in dem bei
liegenden Situationsplane ersichtliche Stellung der Gebäude
angenommen, welche unter sich und mit dem Hauptgebäude
durch einen Korridor verbunden sind. Durch diese Verbindungs-
günge wurde der weiter oben erwähnte Zugang zu dem Küche
hof nicht beeinträchtigt, weil der letztere vertieft hergestellt
worden ist und dieser Zugang hierdurch unter den Verbindungs
gängen möglich war.
An dein Verbindungsgang zwischen dem Gebäude für die
Unreinlichen und dem für die Unruhigen wurden für beide
Abtheilungen die Baderäume, Trockenräume') außerdem eine
besondere Abtheilung, die sog. Wach- und Krankenabtheilung
untergebracht.
Selbstverständlich sind diese Gebäude für beide Geschlechter
ganz gleich, und hängt das eine direkt mit der Männerab
theilung, das andere init der Weiberabtheilung des Haupt
gebäudes zusam'men.
Durch diese Anordnung der Gebäude hat sich die aus dem
Situationsplane ersichtliche Grundform der ganzen Anstalt
ergeben. Die sämmtlichen Gebäude' für die unreinlichen und
unruhigen Kranken sind einstöckig ausgeführt.
Für die Unruhigen sind auf jeder Seite 42 Einzelzellen
vorhanden.
Die Zahl der niederen Bediensteten beträgt 27 männliche
und 31 weibliche, worunter 20 Wärter und 20 Wärterinnen,
so daß die Anstalt bei 320 Kranken im Ganzen 378 Personen
beherbergt.
Zn diesen kommen noch die Angestellten, nämlich:
4 Direktor, 4 Assistenzarzt,
4 Verwalter, 4 Verwaltungsgehilfe,
4 Oberwärter, 4 Oberwärterin,
4 Protest, und 4 kath. Geistlicher,
4 Hauslehrer.
Minne der einzelne» Abtheilungen.
Jede Abtheilung hat ihre besonderen Tag- und Schlaf-
räume; außerdem enthält die Abtheilung der ruhigen Kranken
noch besondere Speise- und Gesellschaftsräume.
Die Kranken I. Klasse haben besondere Zimmer, welche
sehr hübsch und wohnlich möblirt sind, die übrigen Klassen
haben gemeinschaftliche Wohn- und Schlafränme, wobei auf