Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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und nordöstlichen Eckpavillons sind gewöhnliche Dampfheizungs 
röhren angewendet worden, welche allerdings die Wärmereser- 
virung der Oefen nicht besitzen. 
In adaptirten Gebäuden, wie im vorliegenden Falle, ist 
ein anderes Heizsystem auch gar nicht wohl anwendbar, denn 
jedes andere System würde mehr oder weniger kostspielige, 
umständliche, theilweise höchst lästige Einrichtungen erfordern, 
und zum Theil kaum ausführbar sein. Auch wäre dabei die 
Einrichtung einer der Größe des Gebäudes entsprechenden Zahl 
von Feuerstellen innerhalb des Gebäudes nöthig. 
In den Gebäuden für die aufgeregten, für die un 
reinlichen, blödsinnigen rc. Kranken können dagegen Oefen 
nicht aufgestellt werden, sondern es müssen hier sog. Heizungen 
mit erwärmter Luft ans dem weiteren Grunde Platz greifen, 
weil nur bei diesen eine Erneuerung der schlechten Luft in 
genügendein Maße inöglich ist. 
In welcher Weise diese Luft erwärmt wird, ist nicht ganz 
gleichgültig. Im vorliegendeil Falle erschien es als das Ein- 
fachste, Zweckmäßigste und Beste, die Luft mittelst Dampf zu 
erwärmen, zu welchem Behuf jeder Gebäudetheil mit der er 
forderlichen Zahl von Heizkammern versehen wurde, in welchen 
die Heizröhren liegen. Es war hiezu keine weitere Feuerstelle 
nöthig, denn es konnte der erforderliche Dainpf aus derselben 
Stelle bezogen werden, welche den Dampf für die Heizöfen 
des Hauptgebäudes liefert. 
Auf diese Weise werden nun die sechs Heizkammern der 
Gebäude der unreinlichen, blödsinnigen und aufgeregten Kranken 
der männlichen Abtheilung, wie die der weiblichen Abtheilung, 
ebenso auch das ganze Hauptgebäude von der einzigen Feuer 
stelle, nämlich von dem im vertieften Küchehof stehenden 
Kesselhause aus geheizt, und bedarf es hiezu nur des OeffnenS 
oder Schließens der betreffenden Ventile. 
Für die Luftzuführung hätte es genügt, wenn die Heiz 
kammern nlit der äußern Luft in passender Weise in Verbin 
dung gesetzt worden wären; allein da es sich nicht blos um 
Heizung, sondern um öftere Lufterneuerung handelte, wie es 
bei dieser Art von Kranken (unreinlichen, aufgeregten rc.) 
durchaus erforderlich ist, so wurde neben dem Kesselhause ein 
Ventilator ausgestellt, durch welchen die äußere, reine Luft in 
die sämmtlichen Heizkammeru getrieben, dort erwärmt und in 
die Zimmer gepreßt wird. * 
Da in Letzteren für Abzug der verdorbenen Luft gesorgt 
ist, so kann mittelst des Ventilators eine fast beliebig oftmalige 
Erneuerung der Luft während der schlechten Jahreszeit vor 
genommen werden. 
Der hier angewandte Ventilator hat einen Durchmesser 
von 3 m. und wird durch Dampf in Bewegung gesetzt. 
Verschiedene im Winter 1876 vorgenommene Messungen 
in den entferntest gelegenen Tobzellen haben ergeben, daß die 
erwärmte Luft durch den Ventilator in dieselben mit einer 
Geschwindigkeit von ca. 1 in. und einer Temperatur von ca. 
36 0 R. eingetrieben wird, was bei dem Querschnitt der Ein 
trittsöffnungen von 30 l 27 cm. eine stündliche Luftzuführung 
von ca. 290 kbm. und bei der durchschnittlichen Größe der 
Zellen von 5 m. lang, 3 in. breit, 3,5 in. hoch, eine mehr als 
fünfmalige Erneuerung der Luft einer Zelle pro Stunde ergibt. 
Die Temperatur der abströmenden Luft wurde hiebei zu 
ca. 17 0 gefunden. 
Man sieht hieraus, daß es genügt, wenn der Ventilator 
jeden Tag nur kurze Zeit in Bewegung gesetzt wird. 
Als von besonderein Werthe kann noch der Umstand an 
geführt werden, daß die Temperatur in den Zellen sich die 
Nacht über nahezu konstant gehalten hat; es erfolgte in der 
Regel niir eine Abkühlung von ca. 2 ", so das; also Kranke, 
welche sich in ihren Zellen der Bekleidung entledigen, keine 
Erkältung zu befürchten haben. 
Daß bei der beschriebenen Einrichtung sowohl die Heizung, 
als auch die Ventilation jederzeit auf die einfachste Weise, nur 
durch Drehung der entsprechenden Ventile in oder außer Wir 
kung gesetzt werden kann, soll nur nebenbei bemerkt werden. 
Außerdem aber kann auch jeder einzelne Ofen, 
jede einzelne Heizkammer und jedes einzelne Zim 
mer ganz nach Belieben von der Heizung ausge 
schlossen werden. 
Betreffend den Kubikinhalt der geheizten Räume, so haben 
die sämmtlichen im Hauptgebäude mit Dampfheizung erwärm- 
ten Räunre der Anstalt (excl. Wohnungen) einen Raumgehalt 
von ca. 23,000 kbm., und die in den Neubauten mit Dampfluft- 
heizung versehenen Räume einen solchen von ca. 9000 kbm. 
In dein Voraugeschickten ist auseinander gesetzt worden, 
in welcher Weise die Lufterneuerung in den Zellen und Räumen, 
in welchen sich aufgeregte und unreinliche Kranke jeder 
Art aufhalten, stattfindet. 
Im Hauptgebäude, in welchem die ruhigen Kranken sich 
befinden, ist eine solche Erneuerung nicht für nöthig erachtet 
worden, und wäre solche auch nicht wohl ausführbar gewesen. 
Dagegen ist für nöthig erachtet worden, für die im Haupt 
gebäude befindlichen Abtritte, welche mit den Tagräuinen 
(Korridors) direkt in Verbindung stehen und aus welchen sich, 
wie leicht zu ermessen, sehr lästige Gerüche für das ganze Ge 
bäude entwickeln könnten, eine besondere Ventilation einzu 
richten. Es geschah dies aber nicht auf dem Wege der Pul 
sion (Lufteinpressung), welche abgesehen davon, daß sie hohe 
Kosten verursacht hätte, wohl keine günstigen Resultate zu 
liefern im Stande gewesen wäre, sondern auf dein Wege der 
Aspiration (Luftabsaugung). 
Diese Aspiration wurde hergestellt durch Benützung der 
Wärme der abgehenden Rauchgase der Dampfkesselfeuerungen, 
und wurden diese zu gedachtem Zwecke nicht wie gewöhnlich 
in einem freistehenden Dampfkamin abgeleitet, sondern in einem 
eisernen Rauchrohr von 1 in. Durchmesser, welches innerhalb des 
Hauptgebäudes an passender Stelle aufgestellt, und in welches 
der Rauch unter dem Küchehof hindurch geführt wurde. 
Um dieses Rauchrohr wurde in angemessenem Abstand ein ge 
mauerter Mantel aufgeführt, und wurde dieser Zwischenraum 
mit den untern Ausmündungsräumen der Abtrittröhren in 
Verbindung gebracht. 
Durch die Erwärmung des Rauchrohrs ergab sich nun 
eine Luftströmung nach oben, welche die Luft aus den genann 
ten Abtritträumen und damit zugleich aus allen Abtritten der 
verschiedenen Stockwerke nach unten absaugte, was zur 
Folge hat, daß die Luft von den Korridoren und Zim 
mern nach den Abtritträumen strömt und nicht um- 
gekehrt. 
Diese Ventilationseinrichtung hat sich als außerordentlich 
wirksam und günstig erwiesen, und es ist derselben hauptsäch 
lich zuzuschreiben, wenn in den Tagräumen fortwährend reine 
und gute Luft anzutreffen ist. 
Eine gleiche Einrichtung ist — nebenbei bemerkt — von mir 
auch in dem Ludwigsspital in Stuttgart zur Aspirations 
Ventilation der mit Dampfluftheizung erwärmten Krankenzim 
mer schon im Jahr 1863 getroffen worden, und es ist höchst 
erfreulich dort zu beobachten, welche kräftige Wirkungen diese 
Einrichtung ohne jedweden besonderen Betriebsauf- 
wand hervorbringt. 
Diese Aspirationseinrichtung wird wie dort, so auch in 
Schussenried gleichzeitig zur Ventilation der Küche und Wasch 
küche, sowie des Schnelltrockenapparats benützt, und insbeson- 
ders zur Entfernung der unvermeidlichen und lästigen Dämpfe, 
welche Dampfkoch- und Dampfwaschküchen haben, und welche 
auf andere Weise kaum zu beseitigen sind. 
Bei den im Winter 1876 in dem Mantelraum des Kamins 
vorgenominenen Messungen hat sich durchschnittlich eine Ge 
schwindigkeit der Luft von 1 m. gezeigt und ergibt sich hieraus 
bei dem Querschnitt des Zwischenraumes von ca. 1,54 Dm. eine 
durchschnittliche Luftaspiration von ca. 5500 kbm. pro Stunde, 
welche bei Tag und einem Theil der Nacht ziemlich gleichmäßig 
vorhanden ist, was einer nahezu Imaligen Erneuerung
	        

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