Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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möglichsten Abschluß und Jsolirung der Wände, und hat sich 
gut bewährt. 
Wohnungen fih' die Ledienketen der Anstalt. 
Wie schon früher angeführt, wurde die Wohnung des 
Oekonomieverwalters im Parterre, die des Direktors im 
1. Stock des westlichen Flügels untergebracht. 
Die Wohnung des unverheiratheten Assistenzarztes befindet 
sich darüber im 2. Stock und die des Oberwärters im 1. Stock 
des Mittelbaues zwischen Männer- und Weiberabtheilung, die 
der Oberwärterin im 4. Stock der Weiberabtheilung. 
Die Wärter und Wärterinnen haben im Allgemeinen 
besondere Zimmer neben oder zwischen den größeren Schlaf 
räumen. 
Die Weißzeugverwalterin und das sonstige weibliche Dienst 
personal, Köchin rc. wohnen im Erdgeschoß des östlichen Flügels. 
Jin Thorhaus sind Wohnungen für den Volontairarzt, 
für den Buchhalter und Gehülfen der Verwaltung, für die 
Portiers, für den verheiratheten Maschinisten und Gärtner. 
Das Zimmer des Heizers befindet sich neben dem Kesselhause. 
Mtkonomikgeliände. 
Da die wichtigeren Nahrungsmittel, insbesondere Milch, in 
genügender Menge und in guter. Qualität aus dem Orte 
Schusienried bezogen werden können, so wurde vorerst von der 
Einrichtung einer besonderen Oekonomie abgesehen. 
kandwirthschaftliche Kolonie. 
Bei dem in der unmittelbaren Nähe der Anstalt gelegenen 
sehr ausgedehnten und fruchtbaren Grundbesitz des Staats 
wurde schon früher von dem Medizinalreferenten die Frage 
angeregt, ob es nicht angezeigt wäre, wenigstens versuchsweise 
eine landwirthschaftliche Station zur Beschäftigung eines Theils 
der Kranken zu errichten. In neuerer Zeit wurde die gleiche 
Frage vom K. Ministerium des Innern auch für die Irren- 
anstalt Zwiefalten ventilirt, dort aber wegen der ungünstigen 
Terrain-Verhältnisse und Bodenbeschaffenheit wieder fallen 
gelassen. 
Es ist übrigens nicht zu zweifeln, daß diese sehr wichtige 
Frage früher oder später wieder aufgenommen werden wird, 
und dürfte es sich hiebei hauptsächlich um Unterbringung einer 
größeren Zahl von arbeitsfähigen Kranken zur Entlastung der 
bestehenden Anstalten handeln, da es eine bekannte Sache ist, 
daß die gegenwärtigeil Anstalten, Schusienried eingerechnet, 
dem Bedürfnisse weit nicht genügen. 
In Vorstehendem glaube ich die wesentlichen Einrich- 
tungen und Besonderheiten der adaptirten Irrenanstalt Schussen- 
ried im Allgemeinen dargestellt zu haben. Auf die einzelnen 
Details, deren es wohl bei keinem andern Bauwesen so viele 
und eigenthümliche gibt, hier einzugehen, würde zu weit führen, 
und behalte ich mir vor. Solche in einer demnächstigen Publi 
kation mit den Plänen der Anstalt und den erforderlichen De 
tailszeichnungerl einem weiteren Kreise von sich dafür Jnteres- 
sirenden näher zugänglich zu machen. 
Nur das Eine erlaube ich mir noch zu beinerken, daß ich 
glaube, daß die andern adaptirten Anstalten anhängenden und oft 
gerügten Mängel möglichst vermieden worden sind und daß diese 
Anstalt Vorzüge und vortheilhafte Eigenthümlichkeiten besitzt, die 
bei andern neuen Anstalten von gleicher Größe nicht zutreffen. 
Ich erlaube mir in dieser Hinsicht nur auf die Konzentririrng, die 
der Anstalt gegeben werden konnte, hinzuweisen im Gegensatz 
zu den häufig abschreckend weitläufigen, umfangrei 
chen andern neueren Anstalten, bei welchen nament 
lich die Oekonomie - Gelasse nur schwer und auf 
größeren Umwegen zu erreichen und schwer zu kon- 
troliren sind. Auch die äußere Erscheinung der Anstalt 
hat durchaus nichts Abstoßendes, nichts Kasernenartiges, sondern 
m Gegentheil macht dieselbe einen sehr günstigen, großartigen 
und vornehmen Eindruck, was der Bauart des Klosters zu 
verdanken ist. 
Wenn die Ausführung und Einrichtung der neuen Irren- 
Anstalt, wie sie in Schusienried erzielt wurde, als günstig 
und gelungen bezeichnet werden darf, so daß sie mit andern, 
ganz neu erbauten Anstalten konkurriren kann, so ist dieß in 
erster Linie der im höchsten Grade anzuerkennenden Unterstütz 
ung, welche dem Bau unb der Einrichtung dieser Anstalt von 
Seiten Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers der Finanzen, 
Dr. v. Renner, und des Herrn Staatsministers des Innern, 
v. Sick zu Theil wurde, zu verdanken. 
Sodann ist hervorzuheben, daß es dem Techniker allein 
nicht möglich ist, eine derartige Anstalt in allen ihren Details 
ohne die fortwährende Berathung mit einem erfahrenen Irren 
arzte zur Ausführung zu bringen, und in dieser Beziehung 
habe ich dem nunmehrigen Direktor der Anstalt Schusienried, 
Herrn Dr. Ast, welchen: auf mein Ansuchen durch die Genehmi 
gung der hohen Ministerien die Theilnahme an diesen Berath 
ungen während der ganzen Bauzeit ermöglicht wurde, meine 
besondere Anerkennung für seine unerinüdliche Thätigkeit und 
seine Fachkenntniß auszudrücken. 
Bis zum Jahr 1873 habe ich nicht allein sämmtliche Vor 
arbeiten, sondern auch die Vorbereitungsbauten allein besorgt, 
und wurde ich bei Ausführung der Letzteren von dem Bezirks 
baubeamten unterstützt. 
Vom Mai 1873 an wurde für die spezielle Leitung der 
Bauausführung Bauinspektor Berner aufgestellt. 
Ueber die Zeit der Ausführung des Bauwesens, über die 
Vorbereitungsarbeiten und über die Kosten desselben habe ich 
noch Folgendes anzufügen, was nicht ohne Interesse sein dürfte. 
Im Jahre 1867 erfolgte von mir die erstmalige An 
regung zu Reservirung und Verwendung des Klosters Schussen- 
ried zu einer Irrenanstalt, aus Anlaß der Verlegung des 
Waisenhauses von Weingarten nach Ochsenhausen. 
Im Jahr 1868 suchte der in Schusienried damals an- 
säßige Arzt und Psychiater Dr. Landenberger (nun Me 
dizinalrath in Stuttgart) um die Erlaubniß nach zu Ein 
richtung einer Privat-Irrenanstalt in dem Kloster und gab 
damit den Anlaß zu näherer Untersuchung desselben durch das 
K. Ministerium des Innern, worauf im Jahr 1869 die Pläne 
der Gebäude aufgenommen und die Verwendung derselben, so 
wie die Verlegung der in dem Hauptgebäude untergebrachten 
Kanzleien, der Wohnungen der Beamten und Geistlichen rc. 
näher erörtert werden konnte. 
Im Jahre 1870 erfolgte die Vorlage des ersten Projekts 
unter Mitwirkung des damaligen Referenten des Medizinal- 
kollegiums, Hbermedizinalraths Dr. v. Krell, für welches die 
Kosten bei Mereinsachster und beschränktester Einrichtung auf 
250,000 fl. berechnet waren, worunter ca. 85,000 fl. auf 
Freimachung des Hauptgebäudes oder für Vorbereitungsarbeiten. 
Diese Vorlage wurde nach dem Tode des Dr. v. Krell 
und dein eingetretenen Wechsel in: Ministerium des Innern 
unter Mitwirkung des Medizinal-Referenten Dr. Landen 
berger bedeutend erweitert und hiebei auf die Einrichtung 
von Dampfheizungen Rücksicht genommen. Es wurde hierauf 
im Jahre 1872 ein zweites Projekt zur Vorlage gebracht, nach 
welchem sich die Kosten excl. Vorbereitungsarbeiten auf ca. 
350,000 fl. berechneten. 
Nachdem auch diese Einrichtungen genehmigt waren, wurde 
auf mein Ansuchen der künftige Direktor der Anstalt ernannt, 
und zu den Berathungen über die Disposition des Ganzen und 
der Einzelheiten beigezogen. 
In Folge der von demselben geltend gemachten Anfor 
derungen ergaben sich nochmalige Unrarbeitungen und Er 
weiterungen der säinmtlichen Pläne, insbesondere für die Neu 
bauten, und »rußte alsdann entsprechend auch das Kesselhaus 
erweitert und die sonstigen damit zusammenhängenden Ein 
richtungen vergrößert werden. Gleiches war auch bei den 
Gärten der Fall.
	        

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