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geheure Bauwerke, er tastete, ohne irgend ein nivcllistisches Netz
aufzustellen und von keiner Seite einem guten Rathe Folge
gebend, im Trüben, suchte bald rechts bald links zu verbessern,
ohne irgend welche genügende Resultate zu erreichen, arbeitete
aber trotzdem die einzelnen Bauten vom Kleinsten bis zum
Größten bis ins Detail aufs Delikateste aus, wobei er weder
Mühe noch Zeit und Geldaufwand scheute. Die Ausstellung
wird Ihnen mehrere seiner meist sehr schön behandelten Pläne
zeigen.
Zudem war damals die Jngenieurwissenschaft noch in
der Kindheit, cs giengen ja überhaupt die Schöpfungen der
polytechnischen Schulen dem Eiscnbahnbau kaum voraus, sie sind
Zeitgenossen des Letzteren; auf unserer polytechnischen Schule
fand sie erst von 1840 an durch Prof. Breymann schwache
Vertretung und erst System vom Jahre 1847 an durch Ein
treten unseres Professors v. Hänel.
Daher kein Wunder, wenn sowohl der Oberingcnieur wie
die meisten seiner technischen Gehilfen unsicher arbeiteten und
dieß von der ständischen Kommission erkannt, auch ihrerseits
zu der Bitte führte, die Vorlagen einer sachverständigen Prü
fung unterwerfen zu lassen.
So legte v. Bühler unter Anderem für die Bahn zwischen
Stuttgart und Ulm den Bahnhof Berg auf die Nordseite dieses
Orts, den Stuttgarter Bahnhof unterhalb des Münzgebäudes,
beide durch einen Schienenstrang auf der Ostscite der Anlagen
verbindend; von Berg lief das Trace Neckar links meist in
langen geraden Linien über Eßlingen, Plochingen, den Neckar
überschneidend, Filzlinksseitig nicht ganz frei von Rutschparthien;
von Göppingen weiter bis Altenstadt, wo dasselbe die gerade
Richtung verließ, cs wendete sich rechts dem Filzthale nach, über
Uebcrkingen und Hausen, kehrte um den Weigoldsberg bei
Reichenberg und erreichte so den rechtsseitigen Abhang des Filz
thals; lief diesem entlang fort und kehrte 250' oberhalb Geis
lingen sehr hoch und kaum für einen Bahnhof zugänglich aber
mals, und zog der dortigen südlichen Thalwand entlang bis
zum Staighofe auf die Alb sich empor. Von hier aus sollte
die Bahn die gegenwärtige Richtung entlang dem Lonthale über
Urspring und Lonsee bis Wcsterstetten nehmen, dort sich in
einer Einsenkung günstig gegen Tomerdingcn hin über die
europäische Wasserscheide zwischen Donau und Rhein wenden,
diese überschreiten und zur Donau über Nellingen nach Möhringen
hinwenden, zunächst bei Ehrenstein das Blauthal erreichen und
sich Blau linkseitig nach Ulm hinziehen.
Die stärksten Steigungen waren bei Altenstadt jetzt schon
1:113, während der Albaufgang mit 1:200 und die Albab
fahrt nach Ulm mit 1:156 projektirt war.
Diese Trace hätte Einschnitte z. Th. einseitig bis 190' Tiefe,
Auffüllungen bis 156' Höhe, Tunnels von 4400' Länge am Wei-
goldsdcrge, 1800' lang bei der Thierhalde am Albaufgang, von
gleicher Länge auf der Alb am Aalbuchcr Stich und am Katha-
rinenholz, von 9200' bei Tonierdingcn, von 800 u. 900' Länge
im Kiesenthale, wobei der Kostenvoranschlag pr. lfd. Fuß 12
bis 15 fl. vorsieht, und Viadukte am Albaufgange bei Thier-
halde von 110' Höhe und am Geiselstein von 160' Höhe er
kalten.
Nicht mindere Riesenbauten weist das Trace auf der Ulm-
Friedrichshafener Strecke zwischen Essendorf und Friedrichshafcn
mit Einschnitten bis zu 212' Tiefe, Auffüllnngcn bis zu 74'
Höhe und 3 kolossale Viadukte bis zu 60' Höhe auf, wobei bei
einer Trace über Waldsee der dortige Schloßsee zu überbrücken
angenommen war.
Für den Oberbau waren Kantcnschienen, auf gußeisernen
Stühlen mit Keilen befestigt, in Einschnitten auf Steinunter
lagen, über Auffüllungen auf Querschwellen, vorgesehen.
v. Bühler nahm, nachdem er eingesehen hatte, daß seine
Arbeit nicht zur Ausführung empfohlen werden könne und re
visionsbedürftig sei, nun eine solche, besonders für den Albüber
gang zur Vermeidung von so großen Bauten in Aussicht.
Der Landtag wurde indeß vertagt, und so weitere Zeit
zu Besserungen gewonnen; bevor aber Bühler seine Revision
vollenden konnte, wurde der General-Inspektor der K. K. österr.
Staatsbahn C. Negrelli hiezu berufen und diesem die Fragen
vorgelegt:
1) über die Wahl der Linie zwischen mehreren miteinander
konkurrirendcn Zugrichtungen, 2) „die Konstruktion des Ober
baues", 3) über die Krümmungshalbmesser und Steigungen,
4) über die Mittel zu Ueberwindung einzelner größerer
Schwierigkeiten, als a) die zum Uebergang ins und über
das Enzthal in der Richtung gegen West und Ost, b) vom
Neckar- ins Nhcingcbiet gegen Westen, c) den Albübcrgang auf
der Linie Stuttgart—Ulm, und zur Uebersetzung der Wasser
scheide zwischen der Donau und dem Bodensee, ä) über die
Anlegung der Bahnhöfe, insbesondere des zu Stuttgart, e) über
die Bauwürdigkeit der betreffenden Linien und k) über die
Kostenvoranschläge und die Grundsätze, auf denen sic beruhen.
Dieser Ingenieur bereiste, nachdem er sich mit den vor
gelegten Planen vertraut gemacht hatte, die verschiedenen Eisen
bahnlinien und erstattete im Monat August 1842 einen Bericht,
in welchem er — zugleich der Schöpfer der Namen unserer
älteren Bahnen — sich, die Ost- und Südbahn betreffend, folgen
dermaßen äußert:
er habe die Plane in aller erwünschten, theoretischen
und praktischen Gründlichkeit entworfen, und bei den Kosten-
voranschlägen eine große Detail-Vorsicht vertreten gefunden
und bezüglich des Albüberganges begrüße er den Techniker,
welcher schon vor Jahren den Muth hatte, den Versuch zur
Ausmittlung einer Eisenbahn über die Alb zu entwerfen k.
Er erklärte sich mit den von Bühler vorgeschlagenen Linien
im Allgemeinen einverstanden und schlug nur Abänderungen auf
einzelnen Strecken, dagegen für die Bahn nach Hcilbronn eine
vollständige Umarbeitung vor, wobei er Anwendung von
stärkeren Steigungen bis zu 1:130 und Radien bis zu 1800'
lim Nothfall Steigungen bis 1:90 wie z. B. bei der Liverpool-
Manchester-Bahn, und Radien in der Nähe von Stationen bis
herunter auf 500') empfahl; dieses wesentlich, um die Bahnlinie
mehr der Konsiguration des Terrains nach dcm sogenannten nord
amerikanischen System anzupassen, und so nicht durch übertriebene
Anlagckosten die Bahn ihrer Ertragsfähigkeit zu berauben.
Für die Strecke durch das Filsthal nach Ulm, die er der
jenigen durch das Rems- und Brenzthal vorzog und zwischen
Berg und Altenstadt wurden die Erdarbeiter: hienach wesentlich
vermindert, die Umgehung des Wcigoldsberges mittelst Tunnels
durch Fortsetzung der Steigung 1:113 aufwärts gegen das
Albplateau vermieden; auf der Alb selbst suchte er durch Auf
hebung einer Gegenstcigung bei Urspring und einer Horizontale
im Lonthale den 9200' langen Tunnel bei Tomerdingcn eben
falls zu verrneiden, wie er auch bezüglich der Ulm—Friedrichs
hafener Bahn einzelne abweichende und billigere Richtungen, so
z. B. nicht über Waldsee, sondern nach dcm Bühler'schen Kanal-
projekte, etwa der jetzigen Richtung entsprechend, vorschlug und für
den Oberbau Vignoles' Schienen mit Hackennägeln auf Quer-
schwellcn befestigt, empfahl. Immerhin verblieb aber noch eine Reihe
von tiefen Einschnitten, hohen Auffüllungen, großen Viadukten
und Tunnels, und trotzdem glaubte Negrelli, daß alle die
vorgenannten Bahnen mit einem Aufwande von — ’ • 26.761277fl.
erbaut werden könnten, während später diese Linien wescntlicki
rationeller und einfacher ausgeführt 32.618033 fl. kosteten.
v. Bühler arbeitete nun seine Projekte nach den von
Negrelli gegebenen Andeutungen um und übergab sie für die
Ausführung empfehlend der K. Regierung.
Bei dem Wicderzusammentritt der Stände im Januar 1843
wurde nach einer 4tägigen äußerst interessanten Diskussion, bei
welcher auch der Vorschlag: die Alb mittelst einer Pferdebahn
zu überfahren, nach allen Seiten ventilirt wurde, trotz mehreren
Einwendungen den 19. Jannar mit bedeutender Mehrheit, 38
gegen 26 Stimmen, der Beschluß gefaßt:
Es sollen Eisenbahnen im Königreiche auf Staatskosten
erbaut werden, ohne dabei die Bedingung zu machen, daß
vorher Staatsverträge mit Baiern und Baden über Anschluß
und Fortsetzung der Bahnen abgeschlossen werden.