Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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karten. Es verdient hier besonders hervorgehoben zu werden, 
mit welcher Unermüdlichkeit dieselben immer und immer wieder 
auf die Nothwendigkeit hingewiesen haben, es solle unser ganzes 
Land mit einem Netz von Höhenkurven überzogen werden, die 
sowohl in die Flurkarten wie in die neuen topographischen 
Karten im Maßstab 1: 25,000 resp. 1 : 10,000 eingetragen 
würden und so für alle technischen und landwirthschaftlichen 
Bauentwürfe eine sichere und billige Grundlage bieten könnten. 
In der Schweiz besitzt man dergleichen Karten schon längst 
und Baden dehnt sie neuerdings über das ganze Land aus. 
Ingenieur-Assistent Haas in Böblingen, der unter Ober 
baurath v. Morlok mehrere Jahre hindurch die Höhenauf 
nahmen für die Gäubahn und im Schwarzwalde leitete, hat 
über letztere eine umfangreiche und werthvolle Abhandlung 
ausgestellt, in der er gleichfalls eine allgemeine Landesauf 
nahme warm befürwortet und die Kosten derselben folgender 
maßen berechnet: 
Von den 15572 Flurkarten des Landes (worunter 1551 
Randkarten ä 3 / s der Vollkarten) ist '/ 5 —'/«, nemlich 2730 
Karten, schon aufgenommen, so daß noch 12260 Stück nach 
zuholen sind. Mit einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 
8—10 Tagen berechnen sich die Kosten pro Flurkarte incl. 
Herstellung der neuen topographischen Karten auf 132 J(\ 30 
im Ganzen also auf rund 1.600000 J(\. 
Bedenkt man, daß bei dem früheren System alle Höhen- 
aufnahmen mit Beendigung des Baues meist verloren giengen, 
daß also spätere Bauten in der betreffenden Gegend neue Auf 
nahmen und so einen mehrfachen Zeit-, und Geldaufwand 
nöthig machten, so wird man mit Bewilligung obiger Geld 
mittel immer noch billiger fahren; es möge daher der allge 
meine Wunsch aller einsichtsvollen Techniker auch hier Aus 
druck finden, daß endlich dieser Gedanke von den zuständigen 
Ministerien erfaßt werde und von unseren Ständekammern 
die zur allgemeinen Landesaufnahme nöthigen Geldmittel be 
willigt werden möchten*). 
Neben Haas ist auch die Arbeit des unter Oberbaurath 
v. Schlierholz arbeitenden Ingenieurs Tauxe über die 
Höhenaufnahmen bei der Tracirung der Bahnstrecken Reut 
lingen—Sigmaringen und Reutlingen—Schelklingen zu er 
wähnen. Die Anwendung der Aneroide, der Meßtisch- und 
Tacheometeraufnahmen, sowie der Schrägnivellements bei Quer 
profilen zeigt, daß wir auf der Höhe der geodätischen Wissen 
schaft stehen und an deren steter Verbesserung und Vollendung 
arbeiten. 
Als Grundlage für die Höhenaufnahmen dienen die Prä 
zisionsnivellements der Kommission für europäische Gradmessung, 
ausgeführt unter Leitung der Professoren vr. Schober und 
I>r. v. Baur. Eine Karte der von Oberbaurath v. Morlok 
ausgestellten Instruktion für Höhenaufnahmen zeigt die Aus 
dehnung dieser Präcisionsnivellements. 
Außer den ausgedehnten Aufnahmen der Kgl. Eisenbahn- 
bau-Kommissson, deren sehr schöne lithographirte Karten mit 
Höhenkurven im Maßstabe 1:25,000 in der Ausstellung zu 
sehen waren, ist noch zu erwähnen: die Thätigkeit der Kgl. 
Forstdirektion, deren Bauinspektor Rheinhard in den letzten 
Jahren die Höhenaufnahmen im Schwarzwald durch Polp- 
techniker einleitete und schöne Karten der dortigen Walddistrikte 
ausgestellt hat, sowie diejenige der Ackerbauschulen zu Kirchberg, 
Ellwangen und Ochsenhausen, deren Leiter den Werth der Hori 
zontalkurven für den Landbau und die Meliorationsarbeiten 
längst gewürdigt haben. 
*) Die gegenwärtige Zeit, in welcher eine große Zahl geübter tech 
nischer Kräfte ohne entsprechende Beschäftigung ist, scheint uns besonders 
geeignet, eine billige und gute Herstellung dieser neuen Aufnahmen zu 
erlangen. 
Auch drängt sich uns bei diesem Vorschlag der aus hundert andern 
Gründen erwünschte Gedanke auf, ob es nicht bei dem großen Umfang 
der staatlichen Bauthätigkeit gerathen und förderlich wäre, sämmtliche 
öffentliche Bauten unter einem Ministerium (für öffentliche Bauten und 
Verkehrsanstalten) zu vereinigen und die jetzt so zersplitterten technischen 
Kräfte des Landes unter demselben zu sammeln. 
Von Instrumenten hat Baumeister Raible bei der Kgl. 
Forstdirektion eine aus Ungarn eingeführte sogen. Gradscheibe 
mit Bussole ausgestellt, welche beim Stationiren von Waldkarten 
den Theodolit entbehrlich macht, und bei Gebr. Zimmer in 
Stuttgart um den Preis von nur 50 Jl incl. Kästchen und 
Stativ zu haben ist. 
Ueber die eigentlichen Tracirungsarbeiten sind mehrere 
interessante Pläne vorhanden, so besonders die verschiedenen 
Tracen der Allgäubahn Kißlegg—Wangen von Oberingenieur 
v. Schlierholz und Bauinspektor Schmid, der Reutlinger 
Albaufgang von Oberingeuieur v. Schlierholz und Ingenieur 
Tauxe, die Bahn Balingen—Sigmaringen von Oberingenieur 
v. Schlierholz und den Bauinspektoren Hocheisen und 
Bügler, die Gäubahn Strecke Stuttgart—Vaihingen von 
Oberingenieur v. Morlok und Bauinspektor Knoll mit einem 
Relief im Maßstab 1: 5000 für die Längen, 1 :2500 für die 
Höhen, die Bahnstrecke Althengstett—Calw von Oberingenieur 
v. Abel und Bauinspektor Sapper. 
Sodann zwei leider bis jetzt nicht gehörig gewürdigte, 
verdienstvolle und mit großen Geldopfern verknüpfte Privat 
arbeiten von Bauinspektor Schmid in Wangen, nemlich sein 
Grimselbahnprojekt als Konkurrenz der Gotthardbahn aus 
den Jahren 1862 und 1864 und besonders sein Fernbahn 
projekt mit der Begleitschrift „Triest oder Genua" und aus 
führlichen Kostenanschlägen vom Jahr 1873, zwei Arbeiten, 
die mit großem Fleiß und letztere in uneigennütziger Begeiste 
rung für die rationelle Ausbildung des deutschen Bahnnetzes 
ausgeführt sind und in den zahlreich beigegebenen Planen und 
Erläuterungsberichten die Bedeutung dieser Bahnen in techni 
scher, kommerzieller, nationalökonomischer und politischer Be 
ziehung beleuchten. 
6. Erdbau. 
Die für die Wahl der Trace oft maßgebenden Boden- 
untersuchungen der einzelnen Bahnstrecken sind durch zahl 
reiche geognostische Längen- und Querprofile vertreten und zwar 
von der Gäubahn (Bauinspektor Knoll), 
„ „ Brenzbahn ( „ Lambert), 
„ Hohenzollerbahn ( „ Hocheisen), 
„ „ Allgäubahn ( „ Schmid). 
Ein Gebirgsschnitt vom Kniebis über den Zollern und 
Bussen zum schwarzen Grat zeigt das Fallen der Schichten 
vom Schwarzwald gegen Osten und macht die Möglichkeit 
artesischer Brunnen im Stuttgarter Meridian einleuchtend. 
Unaufgeklärt läßt dieses von Sektions-Ingenieur Keller 
gefertigte und von der Kgl. Baugewerkeschule ausgestellte 
Längenprofil nur die Frage über die Tiefe des alpinen Schutts 
in Oberschwaben. Dagegen gibt uns das geognostische Profil 
des Bohrlochs nach Braunkohlen in Ochsenhausen, von Berg 
rath Baur mitgetheilt, über letzteren Punkt wenigstens so 
viel Aufschluß, daß bei 134 m. Tiefe bis jetzt nur die oberen 
Tertiärschichten erbohrt wurden. Diese Tiefe wurde in der 
Zeit vom 9. Mai 1876 bis 17. März 1877 erreicht. 
Ueber Entwässerungsanlagen sind besonders zu 
erwähnen: die Instruktion für die Behandlung der Ent 
wässerungsarbeiten an der Linie Aalen—Nördlingen von Ober 
baurath v. Morlok und Bauinspektor Knoll, die Sickerungs 
anlagen im Vogelsangthal von denselben und die umfang 
reichen Entwässerungsarbeiten an der Brenzbahn von Ober 
ingenieur v. Morlok, Bauinspektor Lambert mit beträcht 
licher Senkung des Grund wasserstand es. 
Den englischen Einschnittsbetrieb zeigen aus 
führliche Plane der Calwer Linie, Oberingenieur v. Abel, 
Bauinspektor Daser und Bock. 
Für schiefe Ebenen sind von Interesse die Seilbahn 
anlagen von Prof. Teichmann, bei denen kräftige Wind 
flügel als Bremsvorrichtung benützt sind. Wir entnehmen den 
ausgestellten Zeichnungen folgende Daten: Gefäll52 7„. Fahr 
geschwindigkeit 2 in. pro Sekunde. Tägliche Leistung bis zu 
600 lrbm. bei 33 m. Höhendifferenz.
	        

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