Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1878)

der Vorsitzende wird nun die nöthigen Einleitungen treffen und 
die Sache überdies noch mündlich beim Herrn Finanzminister ver 
treten. 
5) Ein Vortrag des Herrn Bauinspektors H o ch e i s e n in 
Balingen über die Rhein-Korrektion von Ragatz an abwärts gegen 
den Bodensee bis St. Margarethen, sowie über eine Karte der 
Schweiz, welche die Pegelstände und Wasserflußmengen der 
größeren Flüsse und Gewässer der Schweiz, sowie das Witterungs 
stationsnetz anschaulich darstellt, — gehalten im württ. natur 
wissenschaftlichen Verein, — wobei der Verfasser den Wunsch 
ausspricht: es möchten ähnliche Karten auch in Württemberg 
angefertigt und hiezu das zerstreut liegende Material gesammelt 
und Erhebungen hiezu fortgesetzt werden. Es wird die Wichtig 
keit dieses Antrags erkannt, zugleich bedauert, daß dem Vortrag 
keine Plane und Karten beiliegen und der Wunsch ausgesprochen, 
es möchte Herr Hocheisen über diesen wichtigen Gegenstand 
im Verein selbst weitere Mittheilungen machen und bezüglich des 
letzten Gegenstandes zu einer Diskussion und Weiterbehandlung 
Veranlassung geben. 
Herr Bauinspektor Rheinhard glaubt hiezu, daß die 
Straßenbauverwaltung in erster Linie sich mit Bearbeitung einer 
solchen Karte zu befassen haben werde. 
Herr Baurath Leib brand hält dagegen vorliegende Samm 
lungen, weitere Untersuchungen und Aufstellung der Resultate für 
eine Sache des statistisch-topographischen Bureaus; es wird dieser 
Ansicht beigepflichtet und die fernere Behandlung vorerst späterer 
Ueberlegung vorbehalten. 
6) Von Heckmann und Zehnter in Mainz werden Zeich 
nungen neuer Caloriferes mit Beschreibungen aufgelegt und ver 
theilt, wobei Herr Oberbanrath Bok zusagt, auch diese Oefen bei 
feinem in Aussicht genommenen Referate über die Kasseler Aus 
stellung zu behandeln. 
7) waren von Herrn Architekt Braunwald eine große 
Anzahl von Plänen über die von ihm erbaute Villa Moser auf 
der Prag bei Stuttgart ausgestellt. Die Pläne, mit schöner 
Darstellung von Perspektiven und Jnnenräumcn, zeigen sowohl 
die ursprünglichen Projekte als die Ausführung, wobei die cou- 
pirte Baustelle äußerst günstig verwerthet und die ganze Aufgabe 
in opulenter und gelungener Weise gelöst erscheint, die Zeichnungs 
beilage 1 und 2 zeigt die Grundrisse und eine perspektivische An 
sicht, wobei bezüglich der Treppe zur Entschuldigung beigefügt 
werden muß, daß sic aus dem ersten Projekte stammt, wonach 
der 2. Stock nur Pavillons mit untergeordneten Wohnräumen 
erhalten sollte. 
8) legt Herr Professor Bäumer ein Werkchen über die 
römischen Bäder, welches er als Festschrift zur Tübinger Univer 
sitätsjubelfeier und mit vielen photographischen Darstellungen 
versehen hat, mit einem äußerst geschmackvollen Einband vor, 
worauf 
9) Herr Baurath Professor v. Hänel das Wort ergreift, 
um Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand des Baues 
eiserner Fachwerksbrücken in Amerika zu machen, wozu die Zu 
sendung verschiedener Photographien re., betreffend den kürzlich 
vollendeten eisernen Viadukt über das Kentucky-Thal bei Nicholas- 
ville von Herrn C. L. Strobel, ehemaliger Schüler des Stutt 
garter Polytechnikums, derzeitigen Chef des Departements für 
Eisenkonstruktionen der Cincinnati-Südbahn in Cincinnati die nächste 
Veranlassung für den Herrn Vortragenden gegeben hat. 
Der Vortrag erhielt einen erhöhten Werth durch Vorzeigung 
der obenerwähnten Photographien, sowie durch Skizzen an der 
Tafel, mittelst welcher der Herr Redner die in Amerika üblichen 
Träger-Systeme, sowie ihre Konstruktionsdetails erläutert, es muß 
hier aber auf die Zeitschrift für Baukunde Heft 4 verwiesen 
werden, welche in ihren „Kleinen Mittheilungen" den wesentlichen 
Inhalt zum Abdruck bringen wird. 
Bei einer lebhaften Diskussion, welche der interessante Gegen 
stand hervorrief, wurde von Herrn Oberbaurath v. Schlierholz 
geltend gemacht, daß, wie schon von dem Herrn Vortragenden 
erwähnt, bei dem amerikanischen Brückenkonstruktionssystcm mit 
wesentlich geringerem Gesammtgcwicht (20—25 °/„ weniger bei 
gleicher Spannweite und Belastungen), besonders für Weiten von 
50 rn und darüber, eine Hauptbedingung, sehr gutes Eisen 
(1. Qualität) und eine äußerst pünktliche Verarbeitung sei; hiezu 
gehöre aber eine sehr strenge Kontrole, sowohl bei der Fabrikation 
des Eisens, als bezüglich seiner Erprobung auf Zugfestigkeit, auf. 
Elasticität und Biegung in kaltem Zustande, welche von mancher 
Baugesellschaft so weit ausgedehnt werde, daß die Fabrikationsweise 
des Eisens genau vorgeschrieben und ebenso strenge überwacht 
werde. 
Auf diese Weise werden gute Resultate erzielt, die, bei uns 
angestrebt, das Eisen sehr vertheuern müßten. 
Während nämlich bei uns eine Zerreissungsfestigkeit von 
3500—3800 k pro qcm angenommen wird, steigert sich diese 
in Amerika bis 3800—4100 k. Die Belastung für die Elasti- 
citätsgrcnze beträgt bei uns nicht unter 1600 k pro qcm, wäh 
rend solche in Amerika bis auf 1800 k gesteigert wird, und nur 
so bei dieser großen Inanspruchnahme sei es möglich, so leicht 
und kühn wie die Amerikaner zu konstruiren. 
" Die Schriftführer: 
v. Seeger. 
Rheinhard. 
Siebente Wersammlung vom 6. April 1878. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlierholz. 
Schriftführer: Baumeister Koch. 
Anwesend 39 Mitglieder und 2 Gäste. 
Der Vorsitzende stellt die anwesenden Gäste, Herrn In 
genieur Klunzinger aus Wien, eingeführt durch Herrn 
Baumeister Gerok, und Ingenieur Fabrikant Reimher von 
hier der Versammlung vor. 
Das Protokoll des letzten Vereinsabends wird verlesen, 
Herr Baurath Professor v. Hänel bittet zu seinem Referat 
einige Ergänzungen nachtragen zu dürfen, veranlaßt durch eine 
ihm erst nachträglich zugegangene Zuschrift. 
Ohne Ballotage werden in den Verein aufgenommen: 
Herr Ingenieur Fritz Kuhn, Sohn des Fabrikanten 
Kuhn in Berg, vorgeschlagen durch Herrn Pro 
fessor vr. Weyrauch, als hiesiges Mitglied, und 
Herr Baumeister Lebret in Böblingen, vorgeschlagen 
durch Herrn Oberbaurath v. Morlok, als aus 
wärtiges Mitglied. 
Nun erhält Herr Oberbaurath v. Brockmann das Wort 
zu Mittheilungen über die Verhandlungen, betreffend eine 
staatlich anerkannte Klassifikation von Baumaterialien, beson 
ders Eisen und Stahl, und Errichtung von Prüfungsanstalten 
und Versuchsstationen. 
Die Initiative dazu gieng von dem Vereine Deutscher 
Eisenbahnen aus, der sich ursprünglich auf Eisen und Stahl 
beschränkte; später nahm die Frage der Verband deutscher 
Architekten- und Jngenieurvereine in die Hand und dehnte 
sie weiter auch auf die übrigen Baumaterialien aus. 
Die seither von den Eisenbahntechnikern angestellten Proben 
zur Prüfung der Qualität beschränkten sich meist auf Belastungs-, 
Bieg- und Schlagproben, häufig sogar auf bloße Besichtigung 
der Bruchflächen. Solche Proben sind nun nicht genügend, 
es herrscht keine Klarheit über die Ansprüche, welche über 
haupt gestellt werden sollen, wodurch die Fabrikanten un 
sicher werden. Hiezu tritt noch die Konkurrenz der Elsaß- 
Lothringenschen Eisenwerke und die Ueberproduktion durch die 
in der Schwindelzeit zu großartig angelegten Etablissements. 
Eine Kommission des Vereins deutscher Eisenbahnver- 
waltungcn legte deshalb im Jahr 1876 der Versammlung 
deutscher Eisenbahntechniker den Antrag vor: 
a. eine amtlich anerkannte Klassifikation von Eisen und 
Stahl, 
b. die Errichtung von Prüfungsanstalten, 
c. die Errichtung von Versuchsstationen 
anzubahnen.
	        

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