Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1878)

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Von der Versammlung wurde die Kommission beauftragt, 
die Vorarbeiten dazu in Angriff zu nehmen. 
Es wurde nun eine größere Zahl Versuche in den La 
boratorien der technischen Hochschulen in München und Wien 
ausgeführt und noch heute fortgesetzt, wozu eine spätere Ver 
sammlung einen Kredit von 7000 Ji bewilligte, diese Ver 
sammlung beschloß zugleich die Ausarbeitung einer Denkschrift. 
Ueber die Art der Ausführung waren die Ansichten ge 
theilt, man glaubte, die Eisenbahnverwaltungen sollten die 
Sache selbst in die Hand nehmen, ohne den Staat in Mit 
leidenschaft zu ziehen, dem wurde entgegnet, daß der Staat 
keiner der interessirten Parteien angehöre und, daß die Ein 
richtungen erhebliche Kosten verursachen. Letzterer Ansicht ge 
mäß wurde beschlossen, den Staat um Errichtung der bezüg 
lichen Anstalten anzugehen. 
Schließlich theilt der Redner noch einiges aus der Denk 
schrift mit, hienach werden die gewöhnlichen Materialproben 
von den Prüfungsanstalten vorgenommen, deren Zahl 
demgemäß möglichst groß genommen werden soll; die Einrichtung 
einer Station kostet ca. 12,000 M., wovon auf die Maschine 
9600 Ji kommen. Die Betriebskosten sollen durch die Einnahmen 
gedeckt werden. Das Personal besteht aus einem Leiter (etwa 
dem Vorstand einer am Orte befindlichen technischen Schule), 
1 Mechaniker als Gehilfe und 1 Diener. 
Die Versuchsstationen sollen wissenschaftliche Unter 
suchungen anstellen und dürften hier zwei genügen, etwa in 
Berlin und München, da an diesen Orten schon jetzt solche 
Anstalten bestehen. 
Bezüglich der Klassifikation wird z. B. Stabeisen in zwei 
Qualitäten getheilt, wovon die erste eine Minimal-Zerreißungs 
Festigkeit von 3800 k pro qcm und eine Minimal-Zusammen- 
ziehung des Zerreißungsquerschnitts in Prozenten des ursprüng 
lichen Querschnitts von 40 °/ 0 hat, die zweite bezw. 3500 k 
und 25 7„. 
Der Vorsitzende dankt dem Redner und bemerkt, daß bei 
uns die K. Eisenbahnverwaltung zwar für Druckversuche schon 
längere Zeit eine Einrichtung besitze, dagegen es sehr wünschens- 
werth wäre, wenn die Versuche noch auf Zugfestigkeit und 
Zähigkeit ausgedehnt werden könnten. 
Das I. Heft der Zeitschrift für Baukunde ist angelangt 
und kommt zur Vertheilung; hiezu macht Prof. vr. Wey 
rauch als Redaktionsmitglied die Bemerkung, daß dasselbe stärker 
sei als die übrigen werden, weil jeder Verein eine Original 
mittheilung für dasselbe habe liefern wollen, diese seien meist 
aus dem Jngenieurfach; das II. Heft enthalte außer der Fort 
setzung der Neureuther'schen Akademie eine Villa von Prof. 
Rheinhardt; dann ersucht er um Beiträge für die „Kleinen 
Mittheilungen". Die Ausstattung, besonders der Druck und 
die Textfiguren sollen in den nächsten Heften besser werden, 
letzteres sind keine Holzschnitte, sondern Photozinkographien; 
schließlich bittet er, Ausstellungen direkt an ihn als Redaktions 
mitglied zu machen. 
Herr Oberbaurath v. Schlierholz betont den Werth 
der „Kleinen Mittheilungen". 
Run gibt Herr Prof. Bayer Erläuterungen zu den von 
ihm ausgestellten detailirten Planen für den Umbau des alten 
Schlosses der Frhr. v. Berlichingen in Jagsthausen, denen 
wir folgendes entnehmen. 
Die Frhrn. v. Berlichingen besitzen in Jagsthausen 
mehrere Schlösser, von welchen eines, das sogen, alte Schloß 
in den letzten Jahren theilweise umgebaut worden ist. Leider 
konnten die Arbeiten nicht in dem ganzen Umfange der vor 
liegenden Pläne ausgeführt werden, da der Besitzer während 
des Umbaus gestorben ist und die für den minderjährigen 
Erben eingesetzte Vormundschaft den angefangenen Umbau fort 
zusetzen sich nicht entschließen konnte. 
Dorf und Schloß Jagsthausen sind durch das Göthe'sche 
Schauspiel Götz von Berlichingen mit der eisernen 
Hand in den weitesten Kreisen bekannt geworden. Der alte 
Götz ist im Schloß zu Jagsthausen im Jahr 1480 geboren; 
seinen Wohnsitz aber hatte er als der jüngste seiner Brüder 
nicht in Jagsthausen, sondern auf Schloß Hornberg a. R., wo 
er im Jahr 1562 gestorben ist. Er liegt im Kloster Schön 
thal, eine Stunde von Jagsthausen im Jagstthal aufwärts 
gelegen, begraben. 
In Jagsthausen, welches in den alten Urkunden einfach 
Husen genannt ist, war eine nicht unbedeutende römische Nieder 
lassung. Der römische Grenzwall, Limes, führte über Jagst 
hausen und nach Stälin's württembergischer Geschichte stand 
hier eine Cohorte. In der Umgebung des Schlosses und an 
verschiedenen Stellen im Dorfe sind namhafte Funde von 
Steindenkmalen mit Inschriften, viele Münzen, Bronzen, 
Wasserleitungsröhren und dergl. Neberreste aus der Römerzeit 
gefunden worden, von welchen ein großer Theil im Besitze der 
Berlichingen'schen Familie ist. 
Die ältesten Urkunden, die Jagsthausen erwähnen, reichen 
nicht über das 13. Jahrhundert zurück. Später kam es in 
den Besitz von Kurmainz und im Jahr 1347 erwarben Götz 
und Beringer von Berlichingen (liegt zwischen Jagsthausen 
und Schönthal) einen Theil von Jagsthausen. Unter Kilian 
von Berlichingen (dem Vater des berühmten Götz) 1441 bis 
1498 kam Jagsthausen vollständig in den Besitz der Herrn 
v. Berlichingen. 
Ueber die Zeit der Erbauung des alten Schlosses ist 
nichts bekannt. Die älteren Theile werden, soweit sich dies 
aus den einfachen, daran auftretenden Architektursormen be 
urtheilen läßt, nicht über das 16. Jahrhundert zurückgehen. 
Im Bauernkrieg, in dem so viele Schlösser zerstört wurden, 
ist es unversehrt geblieben, ebenso im 30jährigen Krieg, ob 
wohl das Dorf Jagsthausen im Jahr 1646 von den Schweden 
in Brand gesteckt worden ist. Erheblich älter ist nur der 
wenige Fuß über den jetzigen Graben hervortretende, runde, 
untere Theil des großen nordöstlichen Thurmes, der interessante 
sten Parthie des Schlosses. Der Uebergang vom runden Theil 
dieses Thurmes zum darüber folgenden Achteck ist in ziemlich 
roher Weise mit Kalksteinen hergestellt. In diesem Thurm, 
der einen äußeren Durchmesser von 13,8 m hat, befindet sich 
das Burgverließ, das von zwei übereinander angelegten, ring 
förmig gewölbten Umgängen umgeben ist, von wo aus durch 
einige kleine Oeffnungen das Burgverließ etwas Licht erhält. 
Der obere dieser Umgänge ist von außen zugänglich, der untere 
vom großen Keller unter dem Hauptbau, dem Herrenhaus aus. 
Bemerkenswerth ist die eigenthümliche Ueberwölbung des Ver- 
ließes. Zu ebener Erde vom Hof des Schlosses gelaugt man 
in eine Halle, deren Gewölbe auf 4 Säulen ruht und darüber 
befindet sich, gleichfalls mit einem Kreuzgewölbe auf 4 Säulen 
ruhend, das Archiv, das durch eine Freitreppe von außen zu 
gänglich ist. In diesem Archiv ist die eiserne Hand des 
Ritters Götz aufbewahrt. 
Der nordwestlich gelegene kleinere Thurm von eigen 
thümlich unregelmäßiger Grundform enthält einen Keller mit 
einem Ringgewölbe in der Mitte, auf einem starken runden 
Pfeiler ruhend, darüber zu ebener Erde einen Saal, gegen 
wärtig als Magazin benützt. Das Gewölbe, das ohne Zweifel 
durch eine einfache Rundsäule, wie sie unten im Keller sich 
befindet, gestützt war, ist in späterer Zeit mit gegypsten Rippen 
verziert worden, ebenso hat die Säule durch eine Gyps- 
bekleidung eine eigenthümliche Gestalt erhalten. Der kurze 
dicke Stamm ist stark verjüngt. Die Basis ist sehr niedrig 
bei sehr starker Ausladung und das Kapitäl hat ebenfalls eine 
außerordentlich starke Ausladung. Die Maßverhältnisse dieser 
Säule sind ganz außergewöhnliche. Die Höhe sammt Basis 
und Kapitäl ist nur 1,56 m, die Höhe des Schaftes allein 
1,08 in, der untere Durchmesser desselben 0,82, der obere 0,66, 
die Ausladung des Kapitäls 0,50. 
Im klebrigen bietet dieser Thurm nichts bemerkenswertstes; 
der Raum im oberu Stock hat eine flache gegypste Decke, in 
der Mitte gestützt durch einen runden Holzpfosten. 
Zwischen diesen beiden Thürmen befindet sich ein 2 Stock 
hoher Flügel mit einem einzigen hochgewölbten Keller, darüber
	        

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