Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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sich einstellen werden, würden allfallsige Trennungsfugen von 
nachtheiligem Einfluß nicht oder jedenfalls in geringerem Grade 
sein, als wenn sie eine gegen unten divergirende Richtung 
annehmen. 
Anlangend den Verputz auf Gemäuer, haftet derselbe nach 
den Erfahrungen v. Morlok's an der Mauerfläche und unter 
sich besser, wenn das Aufbringen der einzelnen Verputzschichten 
erfolgt, ehe die untenliegende Schichte ganz ausgetrocknet ist. 
Die Frage ob Portland- oder Romancement ein besseres 
Material sei, lasse sich allgemein nicht feststellen und richte sich 
nach lokalen Verhältnissen. Zn Gunsten des Letzteren sei 
anzuführen, daß überall da, wo die Natur selbst eine richtige 
Zusammensetzung vorgenommen hat, dieselbe eine viel innigere 
und gleichmäßigere sei, wie denn auch diejenigen Cemente, 
welche früher an der Romanküste in England aufgefunden 
wurden, bis jetzt von Kunst- oder Portlandcemcnten nicht 
übertroffen sind, was sich in vielen Fällen schon dadurch er 
klärt, daß die Arbeiter bei Auswahl des Materials in seiner 
Mischung nicht immer mit der nöthigen Kenntniß und nicht 
mit der nöthigen Pünktlichkeit vorgehen, wo dann statt sorg 
fältiger Vertheilung oft ganze Nester homogener Kalk- oder 
Kieselbcstandtheile vorhanden sind. 
v. Schlierholz glaubt, daß man bei den neuen Fabri 
kationsmethoden eine ziemliche Sicherheit in der Mischung des 
Portlandcements erreicht habe, widerspricht die Güte des engli 
schen Romancements nicht, derselbe sei aber für uns zu theuer 
und lasse sich deshalb mit dem unsrigen nicht vergleichen. Die 
Erstellung von Gewölben betreffend, so empfehle es sich, solche 
aus Beton möglichst als ein Ganzes mit den Betonmauern zu 
verbinden und sie nicht auf letztere, bei meist geringer Dimen 
sion, nach dem Fugenschnitt wirken zu lassen. 
Professor Kankelwitz zweifelt diese Sicherheit an und 
schildert seine Erfahrungen hierüber. Eine große Sendung 
englischen Cements band nicht, erhärtete nicht und blieb wie 
Seife. Seitdem lasse er jede einzelne Tonne vor der Ver 
wendung untersuchen derart, daß den Abend vor der Verwend 
ung im Bureau der reine Cement in Stäbe geformt und diese 
Stäbe nach drei Stunden, mit Unterstützung nur an den Enden, 
frei aufgelegt werden. Diejenigen Stäbe, welche hiebei durch 
brechen, haben eine den andern wenigstens nicht conforme 
Bindekraft und werden ausgeschossen. Die Fabrikanten haben 
sich dieser Probe ohne Einwand gefügt. 
v. Schlierholz sagt, daß zur richtigen Mischung eine 
langjährige Erfahrung gehöre und daß die großen Fabrikanten, 
wie Dyckerhoff ihm selbst mitgetheilt habe, — — viel Lehrgeld 
bezahlen mußten, bis sie zur gegenwärtigen Sicherheit in der 
Anfertigung ihrer Cemente gelangten, Proben dürfen aber 
überhaupt und zwar bei jeder Lieferung und einzelnen Säcken 
und Fässern nicht unterlassen werden. 
Professor Walter betont, daß die Zeit der Erhärtung 
kein absoluter Maßstab für die Festigkeit sei und daß ein 
älterer, langsam bindender Cement besser sein könne und meist 
sei, als ein frischer. 
Professor Kankelwitz will durch seine Probe vor allem 
ein gleichmäßiges Material erhalten und glaubt, daß durch 
lange Lagerung ein Cement schlechter werde. 
Professor Walter und Bauinspektor Rheinhard be 
streiten dies lebhaft und sind mit Schlierholz der Ansicht, 
daß ein Portlandcement um so besser sei, je langsamer er 
binde und bei längerer Lagerung es aber in erhöhtem Grade 
nöthig sei, ihn trocken und luftdicht aufzubewahren. 
Schluß der Debatte 10 Uhr 45 Minuten. Der vorge 
schrittenen Zeit wegen wird das Referat über Hufbeschlag auf 
Asphaltstraßen auf die nächste Sitzung verschoben. 
Der Schriftführer: 
Lang. 
Neunte ordentliche Ztersammknng vom 3. Mai 1879. 
Vorsitzender: Oberbaurath r>. Schlicrholz. 
Schriftführer: Baumeister Laistner. 
Anwesend: 52 Mitglieder und 3 Gäste. 
Der Vorsitzende stellt der Versammlung als Gäste vor 
die Herren Architekten I. Morlok und Stahl und Kaufmann 
I. Schlierholz aus Rom und bittet hierauf um rechtzeitige 
Einsendung der für die Ausstellung bestimmten Gegenstände 
mit dem Bemerken, daß Beiträge, namentlich auch Entwürfe 
verstorbener Architekten, jetzt schon in erfreulicher Zahl ein 
gelaufen seien. 
Rach Verlesung und Genehmigung des Protokolls der 
letzten Versammlung erhält zunächst Herr Oberbaurath v. Egte 
das Wort zu einem Vortrage über die von ihm in frühgothi 
schem Style erbaute katholische Marienkirche Stuttgarts. 
Hienach erscheint der Bau als dreischiffige Hallenkirche 
mit Querschiff und drei in den Längenachsen der Schiffe liegen 
den polygonalen Chören. Die Front der Kirche wird von 2 
je 60 in hohen Thürmen mit steinernen Helmen flanktrt. Ueber 
der Kreuzung ist ein das Dach um 20 m überragendes schlan 
kes Meßglockenthürmchen. Die Kirche ist, ohne die Vorhallen, 
außen gemessen, 54 in lang, am Schiffbau 25,3 in und in 
der Axe der Qucrhalle 35 in breit. Das Mittelschiff ist im 
Lichten 18,2 m hoch und von Axe zu Axe 10m weit. Der 
lichte innere Grundflächenraum beträgt 964 mm. Nur unter 
und zwischen den Thürmen und in den vorspringenden Theilen 
der Querhalle sind Emporen mit zusammen 174 mm. Das 
kubische Maß des ganzen Baues ohne Dächer und Meßglocken 
thürmchen beträgt mehr als 29,000 lldm. Die bereits voll 
ständig verrechneten Kosten des Rohbaues (d. h. des Baues 
ohne innere Ausstattung und Ausschmückung, aber einschließlich 
der vollständigen architektonischen Ausbildung und aller dazu 
gehörigen Bildhauerarbeiten re.) betrugen 722,000 JL, somit 
pro Kubikmeter der ganzeu Baumasse nicht ganz 25 M. Die 
innere Ausstattung, die Kosten der Bansührung und das 
Architektenhonorar ec. werden zusammen bis zur gänzlichen 
Vollendung noch weiter kosten ca. 176,000 M. — Der Bau 
grund war ungewöhnlich schlecht; zusammendrückbarer Lehm 
auf 8,6 m Tiefe und darunter grober Sand mit Wasser über 
sättigt. Es wurde deshalb eine Portlandcement-Betonirung 
angewendet von solcher Breite, daß der m Meter der Funda- 
mentsohle überall nur mit 15,000 Kilogramm belastet ist. Da 
indeß der Grund, wenn auch schlecht, so doch über die ganze 
Baufläche gleichartig war, der Beton hinlänglich dick und von 
vorzüglicher Beschaffenheit ist, so hat sich die Fundanientirung 
doch als ganz genügend erwiesen. Die bisherige Setzung be 
trägt überall nur 6 bis 7 cm. Risse sind deshalb nirgends 
entstanden. Die Kosten der Fundamentirung betrugen bis auf 
die Höhe des Kirchenfußbodens 68,000 J&, sie sind in den 
oben angegebenen Summen mit einbegriffen, welche sich somit 
bei einem guten Baugrund namhaft niedriger gestellt hätten. 
Das Mauermaterial besteht theils aus grobkörnigem, weißem 
Sandstein, theils aus mehr feinkörnigem Schilfsandstein. Zu 
den Mauerflächen wurde cs in Schichten von durchschnittlich 
18 cm Dicke in Form von Mauersteinen, zu Fenstereinfassungen, 
Gesimsen und Pfeilern aber in Form von Quadern, in der 
Dicke von 2 bis 3 Mauersteinschichten (37 bis 56 cm) ver 
wendet. Die Gewölbe, Kreuzgewölbe mit kräftigen Diagonal- 
und Querrippen, bestehen überall aus Backsteinen ohne Ver 
blendung, sie sind direkt auf den vorher aufgestellten Sand 
steinrippen ohne jegliche Stützschaalung und ohne Lehrbögen 
mit gewöhnlichem Mörtel von Maurern ausgeführt worden, 
welche vorher noch nie ähnliche Gewölbe gemacht haben. Die 
Kappendicke im Mittelschiff ist 17 cm, in den Seitenschiffen 
14 cm, über den Kapellen und Vorhallen 10 cm. Die Rippen 
binden nirgends in das Gewölbe ein. Die einzelnen Stücke 
derselben sind nicht mit eisernen Dollen verbunden, wohl aber 
auf der Mitte der Fugenfläche mit allweg 2 cm großen Ver 
tiefungen versehen worden, welche sich beim Ansgießen der 
Fugen mit Blei ebenfalls mit diesem Material gefüllt haben, 
so daß nun Bleidiebel vorhanden sind, welche wie das Blei-
	        

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