Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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Polster in den Fugen der Rippen und der gewöhnliche Mörtel 
in den Fugen der Kappen, dem ganzen Gewölbe die während 
-der Ausführung und kurz nachher so erwünschte Biegsamkeit 
ohne Nachtheil gewähren. Die 15 m hohen Mauern der 
Seitenschiffe sind nur 63 cm dick. Sie sind wie im Aeußern 
so auch im Innern unverblendet. Ucberhaupt findet sich nir 
gends an und im Bau irgendwelche Verblendung. Die sparsame 
Malerei im Innern, theils Tempera-, theils Oelmalerei, ist 
direkt auf die Backstein- oder Sandsteinfläche aufgetragen und 
Dom Maler Loosen aus Cöln ausgeführt worden. Die 
Dächer sind mit Zinkrauten bedeckt, und auch das Meßglocken- 
thürmchen ist ganz mit Zink (Nr. 14 bis 16) verkleidet. Die 
Fußböden bestehen aus verzierten Mettlacher Plättchen. Tie 
Fenster sollen später durchaus figürliche Glasmalereien er 
halten, einstweilen aber sind die Schifffenster nur mit sog. 
Butzenscheiben zwischen gemalten Borten verglast worden. 
Die 11 Chorfenster, die zwei großen sechstheiligen Querhallen- 
senster und 4 Kapellenfenster werden aber schon jetzt figürliche 
Glasmalereien nach Entwürfen des Professor Klein in Wien 
größtentheils durch die Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Inns 
bruck, theilweise aber auch durch die Schneider'sche Glasmalerei 
in Regensburg und die Maper'sche Kunstanstalt in München 
erhalten. Der Hauptaltar besteht theils aus buntem Marmor, 
theils aus Bronze mit reichem Emailschmuck. Die Fundamen- 
tirung wurde im September 1871 begonnen, aber erst im 
Jahr 1872 vollendet. Erst im Herbst des letztgenannten Jahres 
begann der eigentliche Hochbau, im Sommer 1877 wurden die 
Kreuzblumen auf die steinernen Thurmhelme aufgesetzt und im 
Herbst des gleichen Jahres die Kirchendächer bedeckt und der 
größte Theil der Kirchenwölbung vollendet. Nahezu drei 
Viertel aller Maurer- und Steinhauerarbeiten wurden noch 
in der Zeit des Bauschwindels, bei sehr hohen Material- und 
Arbeitslöhnen, ausgeführt. Nach einer kurzen Stockung wegen 
Mangels an Mitteln wurde sodann 1878 die Fußbodenlegung 
bewerkstelligt und die innere Ausstattung begonnen, welche im 
Oktober 1879 vollendet werden wird. Im Laufe seines Vor 
trages hat Herr v. Eg le wiederholt der freundlichen Unterstützung 
gedacht, welcher er sich bei der Ausführung seines Werkes 
seitens der zwei anderen technischen Mitglieder des Kirchenbau- 
Vereins, der Herren Oberbauräthe v. Schlierholz und 
v. Morlok zu erfreuen hatte. 
Nach Beendigung des Vortrags ladet der Vorsitzende die 
Versammlung ein, durch Erheben von den Sitzen dem Redner 
ihren Dank zu bezeugen, was geschieht. 
Sonntag den 4. Mai Nachmittags 4 Uhr wird Herr 
Oberbaurath v. Egle die Güte haben, dem Verein bei Be 
sichtigung der Kirche als Führer zu dienen. 
Es trägt nunmehr Herr Baurath Kaiser Namens der 
hiefür gewählten Kommission das Referat über die Frage des 
Hufbeschlägs bei Asphaltstraßen vor, welches sich in ausführ 
licher und gründlicher Weise über den betreffenden Gegenstand 
verbreitet. Dasselbe ist in Beil. 4 enthalten. 
Der Vorsitzende betont, daß eine anscheinend ganz einfache 
Aufgabe, mit dem richtigen Interesse erfaßt, oftmals zu um 
fangreichen Erhebungen und vieler Arbeit und Mühe Veran 
lassung gebe; es beweise das auch das eben vorgetragene 
Referat. Er spricht daher im Namen der Versammlung der 
Kommission, insbesondere dem Herrn Referenten, den wärmsten 
Dank für ihre Arbeit aus. 
Hierauf Schluß der Sitzung gegen 11 Uhr. 
Der Schriftführer: 
Laistner. 
Besichtigung der Ueueu Katholischen Kirche in Stuttgart 
am Sonntag, den 4. Mai 1879. 
Außerordentlich zahlreich hatten sich die Mitglieder, der 
freundlichen Einladung des Herrn Oberbaurath v. Egle fol 
gend und durch dessen Vortrag am Abend des vorhergehenden 
Tages aufs Beste vorbereitet, zur festgesetzten Stunde (4 Uhr 
Nachmittags) vor der Nordfront der Kirche eingefunden, unter 
ihnen auch Herr Oberbürgermeister vr. v. Hack, sodann die 
Herren Kirchenrathspräsident v. Schmid, Oberfinanzrath 
v. Mauser und — trotz des regnerischen Wetters — eine 
Anzahl unserer Damen. 
Schon seit einiger Zeit im Aeußeren vollendet, bildet die 
Kirche mit ihrer doppelthürmigen Fa^ade ein weiteres glück 
lichstes Glied im Architekturbilde unserer Stadt und hat ihrem 
Erbauer bereits aus allen Schichten der Bevölkerung das 
vollste Lob in seltener Einmüthigkeit eingetragen. Heute, nach 
dem auch das Innere mit Ausnahme des Chores, an dessen 
Bemalung noch gearbeitet wird, gerüstfrei ist, sollten sich uns 
zum ersten Mal die Thüren öffnen. 
Die Schönheit des Jnnenraumes fesselt sofort den Ein 
tretenden und wir mußten uns sagen, daß die Wahl der in 
Deutschland ja von jeher beliebten Form der Hallenkirche 
eine äußerst glückliche genannt werden muß. Wesentlich ge 
steigert wird der Eindruck der Weiträumigkeit durch glückliche 
Vermeidung der übertriebenen Höhendimensionen, zu denen 
das Vorbild der späteren Kathedralen Frankreichs und des 
Kölner Doms den Gothiker so leicht verführen, sowie dadurch, 
daß die Pfeiler des Langhauses als nur 1 m starke Rund 
säulen ohne Dienste gebildet find, so daß der Einblick vom 
Mittelschiff in die Seitenschiffe, sowie von diesen in die Chöre 
möglichst frei bleibt. Sodann konnten ja, — ein großer Vor 
zug der katholischen vor den evangelischen Kirchen — die Ein 
bauten auf die Orgelempore zwischen den Thürmen und die 
beiden Emporen in den Flügeln des Querschiffes, unter denen 
sich dann einerseits Sakristei und Paramentenkammer, anderer 
seits die den ganzen Tag offenbleibende Marienkapelle befinden, 
beschränkt bleiben. Wie im Aeußeren ist auch innen das Ma 
terial überall gezeigt, auch die Gewölbkappen zeigen unver 
hohlen ihren sauber ausgeführten Backsteinverband; am ganzen 
Bau hat der Verputz kein noch so kleines Fleckchen gefunden. 
Die Malerei, in den Chören reich, dagegen im Langhaus sich 
nur auf die Schlußringe und Kreuzungen der Rippen, und auf 
eine bescheidene braunrothe Konturirung der Gewölbkappen, der 
Kapitäle und Fensterfassungen beschränkend, ist direkt auf den 
Stein aufgetragen. Das Gestühl, welches sich in Ländern mit 
confessionell gemischter Bevölkerung kaum vermeiden läßt, ist 
so geordnet, daß nicht nur Chöre und Kreuzung, sondern auch 
im Langhaus sehr breite Gänge in der Mittelaxe und an 
beiden Längsmauern frei bleiben. Noch fehlen Orgel, Kanzel, 
Beichtstühle und Altar, welche im Verein mit den reich sigu- 
rirten Gemälden der Chorfenster einen prachtvollen Schmuck 
der Kirche bilden werden. Die mächtigen Fenster des Quer- 
und Langschiffes, jetzt mit Butzenscheiben verglast, lassen eine 
allzureiche Lichtfülle ins Innere strömen, und wir schlossen uns 
von Herzen dem Wunsche des Baumeisters an, daß es recht 
bald gelingen möge, die Mittel zur vollständigen farbigen 
Verglasung sämmtlicher Fenster aufzubringen. 
Von unserem lebhaften Interesse zeugten die Debatten, 
welche sich bald in einzelnen Gruppen der Besuchenden erhoben, 
und diese gaben Herrn Oberbaurath v. Egle Veranlassung, 
uns in der liebenswürdigsten Weise Auskunft zu geben über 
die bei der Ausführung gemachten Erfahrungen und über so 
manche technische Details, insbesondere über die Wölbung der 
Kappen, welche ohne Einrüstung so ausgeführt wurde, daß 
die Backstemschichten stets normal über die Diagonal 
rippen hinweggeführt sind und in den Mittellinien der 
Kappen schwalbenschwanzförmig ineinander greifen, und wobei 
die Stärke der Backsteine so bemessen ist, daß selbst ein Brand 
des Dachstuhles die Kirche nicht gefährden würde, sodann über 
die Eindeckung der Dächer mit Zinkrauten, die Zinkverkleidung 
des aus Eichenholz konstruirten Dachreiters und die sorgfäl 
tigsten Vorkehrungen gegen Eindringen von Wasser in die 
Mauern. 
Derselbe führte einzelne Gruppen auf die Emporen, die 
Gallerten der durchbrochenen Giebel, in den Dachstuhl, unter 
die steinernen Dachhelme, sogar auf das Dach hinaus, überall 
bereitwilligst Auskunft gebend, und wir mußten freudig aner 
kennen, daß wir heute ein Gebäude bewundern durften nicht
	        
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