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für das neue Heusinger von Waldegg'sche Handbuch nicht nur
die einschlägige Literatur studirt, sondern auch ans einer nach
Belgien und England unternommenen Reise diesem Gegenstand
mein Hauptaugenmerk zngemendet. Die Sache dürfte auch
für den Nichtingenieur von Interesse sein; es ist ja Nie
mand gleichgiltig, wie die Straßen, ans denen er Jahr ans
Jahr ein zu wandeln hat, beschaffen sind, und wer beispiels
weise hier in Stuttgart die städtische Straßenunterhaltung ver
folgt hat, wird sich der Anerkennung der Thatsache nicht ver
schließen können, daß hier nicht nur Vieles besser geworden ist
und Stuttgart nicht mehr das bekannte Renommee (Stadt des
Schmutzes) verdient, sondern daß in mancher Beziehung Aus
gezeichnetes geleistet ist, und daß, wenn im gleichen
Sinne fortgearbeitet wird, in wenigen Jahren Stuttgart
neben andern Großstädten in dieser Hinsicht nicht zurückzustehen
braucht.
Die äußere Form der Straßen variirt sehr wenig und be
steht meist in einer leicht gewölbten Fahrbahn zwischen erhöhten
Trottoirs; die letzteren haben geringe Neigung gegen die Straßen
achse, sind um 10—20 cm überhöht, längs derselben hart am
Randstein liegen die Straßenrinnen, deren Wasser durch Abfall
schächte den Entwässernngskanälen zugeführt wird (s. Fig. 4 Taf. 1).
Die Breite der Fußwege beträgt % —der Straßen
breite , je nach der Art und Größe des Verkehrs; im Mittel
kann sie zu */.-» angenommen werden. Ausnahmen von der er
wähnten Form finden nur in sofern statt, als bei Boulevards,
Promenaden (Zierstraßen) öfters mehrere Fahrstraßen und hie und
da auch besondere Reitwege vorhanden sind. Beispiele solcher sind:
Boulevards von Antwerpen, Brüssel, Paris; in englischen Städten
sind Straßen dieser Art selten, Grund und Boden ist hier zu
theuer. (Vergl. Zeichnungen zur Ringstraße beim Stadtpark in
Wien, Vereinsprotokoll 1877 II. Pariser Boulevard. Fig. 16
zeigt das Profil des neuen Themse Quais in London.)
Hier mögen zugleich die Ruheplätze erwähnt werden, die
namentlich in London an den Straßenkreuzungen sehr häufig
sind. Plätze von ca. 2,5 m Länge, zugespitzt, mit Laternen und
eisernen Prellsteinen versehen. An einzelnen Stellen find auch
in der Straße selbst solche angebracht, 8—10 m lang, 1,25 m
breit mit 2 Laternen (s. Fig. 5 u. 6).
Um so größere Verschiedenheit herrscht bezüglich der Kon
struktion der Fahrbahn und der Fußwege. Die Verschiedenheit liegt
1) im angewandten Material,
2) in der Form und Größe desselben,
3) in der Fundation der Fahrbahn.
Die Konstruktion der Straßen soll hier als bekannt vor
ausgesetzt werden und nur diejenigen Anordnungen näher be
sprochen werden, welche abweichende Konstruktionen zeigen.
Maeadamisirte Straßen finden sich in allen Städten
in großer Ausdehnung, auf den frequentesten Straßen, und so
viel mir schien namentlich bei sehr breiten Straßen angewendet,
wo die Anlagekosten in Betracht kommen und wo der Verkehr
mit schweren Fuhrwerken zurücktritt. Die Nachtheile der Maca-
damisirnng sind ja bekannt, Staub, Schmutz und viele den Ver
kehr belästigende Reparaturen, daher überall das Bestreben,
besseres Material zu verwenden, wie Granit oder ähnliche Ge
steine. Die Stärke der Chanssirung kenne ich nur von wenigen
Straßen; man hat in England und Frankreich wenig Gelegen
heit, Abmessungen zu machen, was dem Stuttgarter ganz sonder
bar vorkommt, indem hier von jeder Straßenecke aus aufgebro
chene Straßenstellen entdeckt werden können, wo Abmessungen
leicht zu machen sind. In Birmingham habe ich einmal beim
Aufgraben einer Gasleitung 6" — 15 cm gemessen. Nach
Zeichnungen wird in Paris (Uno de Rivoli) etwa 20 cm, in
London (Regent Street) ca. 30 cm als Dicke im Mittel anzu
nehmen sein, auch bei den frequentesten Straßen. Bei einer Bau
straße in Liverpool sind als Unterlage Steinbrocken von Sandsteinen
(Abfälle von Bausteinen), oben Granitschotter verwendet, Ge-
sammtdicke ca. 20 cm. Bei der Unterhaltung, der Straßen sieht
man mancherlei Vorsichtsmaßregeln beobachtet, welche Nachahmung
verdienen. Die neu einzuwerfende Straßenstrecke wird der ganzen
Ausdehnung nach mit scharfen Hanen wund gemacht, nach dem
Auftragen erfolgt Einwalzung mit Dampfwalzen unter Sand-
zusatz; aber auch kleine AnSbessernngen durch Arbeiter jur Zeit
geringen Verkehrs fehlen nicht. Der Kleinschlag ist überall sehr
grob, daher die Oberfläche rauh, aber auch sehr rein, und ist
dieß wohl deßhalb besser, weil weniger leicht Koth sich bildet,
als bei Verwendung zu feinen Materials.
Die in London arbeitenden Dampfwalzen sind nach dem
System Aveling und Porter konstruirt, verhältuißmäßig klein
(sie bedecken nur einen Streifen von 1,75 m), von 1—2 Mann
bedient, gehen im Laufschritt, die Straße ist während der Arbeit
abgesperrt (no tkoroughfare), mehrere Maschinen arbeiten gleich-
zeitig. Das Geräusch kam mir viel geringer vor als bei un
serer hiesigen Dampfwalze, die Einmantelnng der bewegenden
Theile fehlt. Das Gewicht der Walzen ist jedenfalls kleiner als bei
der neuern hiesigen Walze. Die Steine werden weniger zerdrückt
und erzeugt sich deßhalb weniger Schmutz. In Belgien sieht
man wenig Macadamisirung (Boulevard du commerce, Ant
werpen), der Transport der Steine ist zu theuer und deßhalb
pflastert man lieber.
Pflaster st raßen nehmen den ersten Rang bezüglich der
Häufigkeit der Anwendung ein und treten in den mannigfaltig
sten Formen ans.
a) Pflaster aus Kopfsteinen sieht man namentlich in
Antwerpen; unregelmäßig bearbeitete Porphyrsteine mit annähernd
regelmäßiger Kopffläche sind in eine dünne Sandschichte gepfla
stert. Die Nachtheile dieser Pflästerung treten auffallend hervor.
Der schwarze Koth ans der Straße rührt vom Untergrund her,
der sich durch die Fugen heraufarbeitet und zu ungleichmäßigen
Setzungen Anlaß gibt. Ein mehrmaliges Umlegen des Pflasters
soll nöthig sein, bis es ordentlich hält.
In England sieht man solches Pflaster in den Bauquar
tieren der größeren Städte, überall aber ist als Fundament ein
Rauhgeschläg (Abfälle von Bausteinen) vorhanden, das jedoch
nicht als Vorlage behandelt ist, wie hier in Stuttgart.
b) Pflaster ans regelmäßig bearbeiteten Steinen
(Würfelpflaster) findet man schon in Brüssel (s. Fig. 7), die Steine,
15 cm lang, 10 cm breit, 15 cm stark, haben als Unterlage
eine Sandschicht ans Backsteinbrocken. Breitere Steine sind an
gewendet bei den Gurten der Fußwege, 15 cm lang und breit.
Die Reihen liegen normal zur Straßenrichtung mit Ausnahme
der Straßenkreuzungen (s. Fig. 8). Pflaster dieser Art sind
ans den belebteren Straßen, ans dem Boulevard central re.
angewendet. Diese auch in Stuttgart übliche Konstruktion wird
aber noch weit übertroffen durch das Pflaster der englischen
städtischen Verkehrsstraßen. Die Straßenfläche ist vollständig
eben, ohne jede Mulde, der Anschluß der Pferdebahn so voll
ständig, daß nicht der geringste Höheunterschied zwischen Schiene
und Pflaster hervortritt; von der Seite angesehen, ist das Pferde
bahngeleise kaum sichtbar. Diese Vollendung des Bans der
Straßen hat ihren Grund einmal in dem soliden Fundament,
dann in der Konstruktion des Pflasters; dasselbe besteht überall
ans annähernd regelmäßig bearbeiteten Steinen 15—25 cm
lang, ca. 9 cm breit und 15—20 cm dick. Die Steine sind
genau gleich breit (3',/z" engl. = 8 3 /. ( cm), die Länge aber ist
verschieden, die Dicke nur annähernd gleich groß. Als Ma
terial dient Urgebirge, Granit, sandige feste Kalksteine re.
Alle diese Steine werden leicht glatt, daher die geringe Breite.
Als Unterlage des Pflasters dient:
1) in Edinbnrg (Briuce Street), vergl. Fig. 9, eine Beton
lage von 22,5 cm Stärke. Die Pflastersteine liegen ans einem
Mörtelbett von 5 cm, die Fugen sind mit Mörtel ansgegossen.
2) in London (Camden Road, vergl. Fig. 10) eine Beton
lage von 22,5 cm Stärke, aus 9 Theil Schotter und 1 Theil
Portlandcement hergestellt, darüber eine Lage von Kies 5 cm
stark. Die Fugen der Pflastersteine (25 cm lang, 9 cm breit,
15 cm dick) werden mit Mörtel ansgegossen. Die alten Steine
werden wieder verwendet und hiebei etwas umgearbeitet, so daß
die Oberfläche wieder scharfe Kanten zeigt. Sonst nicht sehr
regelmäßige Bearbeitung.
3) Liverpool (Brincc Dock, vergl. Fig. 11). Die Unter
lage besteht aus Asphaltbeton 15—20 cm dick, der dadurch her
gestellt wird, daß man ein Steingrobgeschläg mit ca. 6 Ctr.
schweren Handwalzen nach der Straßenwölbung eben abwalzt, so-