Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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für das neue Heusinger von Waldegg'sche Handbuch nicht nur 
die einschlägige Literatur studirt, sondern auch ans einer nach 
Belgien und England unternommenen Reise diesem Gegenstand 
mein Hauptaugenmerk zngemendet. Die Sache dürfte auch 
für den Nichtingenieur von Interesse sein; es ist ja Nie 
mand gleichgiltig, wie die Straßen, ans denen er Jahr ans 
Jahr ein zu wandeln hat, beschaffen sind, und wer beispiels 
weise hier in Stuttgart die städtische Straßenunterhaltung ver 
folgt hat, wird sich der Anerkennung der Thatsache nicht ver 
schließen können, daß hier nicht nur Vieles besser geworden ist 
und Stuttgart nicht mehr das bekannte Renommee (Stadt des 
Schmutzes) verdient, sondern daß in mancher Beziehung Aus 
gezeichnetes geleistet ist, und daß, wenn im gleichen 
Sinne fortgearbeitet wird, in wenigen Jahren Stuttgart 
neben andern Großstädten in dieser Hinsicht nicht zurückzustehen 
braucht. 
Die äußere Form der Straßen variirt sehr wenig und be 
steht meist in einer leicht gewölbten Fahrbahn zwischen erhöhten 
Trottoirs; die letzteren haben geringe Neigung gegen die Straßen 
achse, sind um 10—20 cm überhöht, längs derselben hart am 
Randstein liegen die Straßenrinnen, deren Wasser durch Abfall 
schächte den Entwässernngskanälen zugeführt wird (s. Fig. 4 Taf. 1). 
Die Breite der Fußwege beträgt % —der Straßen 
breite , je nach der Art und Größe des Verkehrs; im Mittel 
kann sie zu */.-» angenommen werden. Ausnahmen von der er 
wähnten Form finden nur in sofern statt, als bei Boulevards, 
Promenaden (Zierstraßen) öfters mehrere Fahrstraßen und hie und 
da auch besondere Reitwege vorhanden sind. Beispiele solcher sind: 
Boulevards von Antwerpen, Brüssel, Paris; in englischen Städten 
sind Straßen dieser Art selten, Grund und Boden ist hier zu 
theuer. (Vergl. Zeichnungen zur Ringstraße beim Stadtpark in 
Wien, Vereinsprotokoll 1877 II. Pariser Boulevard. Fig. 16 
zeigt das Profil des neuen Themse Quais in London.) 
Hier mögen zugleich die Ruheplätze erwähnt werden, die 
namentlich in London an den Straßenkreuzungen sehr häufig 
sind. Plätze von ca. 2,5 m Länge, zugespitzt, mit Laternen und 
eisernen Prellsteinen versehen. An einzelnen Stellen find auch 
in der Straße selbst solche angebracht, 8—10 m lang, 1,25 m 
breit mit 2 Laternen (s. Fig. 5 u. 6). 
Um so größere Verschiedenheit herrscht bezüglich der Kon 
struktion der Fahrbahn und der Fußwege. Die Verschiedenheit liegt 
1) im angewandten Material, 
2) in der Form und Größe desselben, 
3) in der Fundation der Fahrbahn. 
Die Konstruktion der Straßen soll hier als bekannt vor 
ausgesetzt werden und nur diejenigen Anordnungen näher be 
sprochen werden, welche abweichende Konstruktionen zeigen. 
Maeadamisirte Straßen finden sich in allen Städten 
in großer Ausdehnung, auf den frequentesten Straßen, und so 
viel mir schien namentlich bei sehr breiten Straßen angewendet, 
wo die Anlagekosten in Betracht kommen und wo der Verkehr 
mit schweren Fuhrwerken zurücktritt. Die Nachtheile der Maca- 
damisirnng sind ja bekannt, Staub, Schmutz und viele den Ver 
kehr belästigende Reparaturen, daher überall das Bestreben, 
besseres Material zu verwenden, wie Granit oder ähnliche Ge 
steine. Die Stärke der Chanssirung kenne ich nur von wenigen 
Straßen; man hat in England und Frankreich wenig Gelegen 
heit, Abmessungen zu machen, was dem Stuttgarter ganz sonder 
bar vorkommt, indem hier von jeder Straßenecke aus aufgebro 
chene Straßenstellen entdeckt werden können, wo Abmessungen 
leicht zu machen sind. In Birmingham habe ich einmal beim 
Aufgraben einer Gasleitung 6" — 15 cm gemessen. Nach 
Zeichnungen wird in Paris (Uno de Rivoli) etwa 20 cm, in 
London (Regent Street) ca. 30 cm als Dicke im Mittel anzu 
nehmen sein, auch bei den frequentesten Straßen. Bei einer Bau 
straße in Liverpool sind als Unterlage Steinbrocken von Sandsteinen 
(Abfälle von Bausteinen), oben Granitschotter verwendet, Ge- 
sammtdicke ca. 20 cm. Bei der Unterhaltung, der Straßen sieht 
man mancherlei Vorsichtsmaßregeln beobachtet, welche Nachahmung 
verdienen. Die neu einzuwerfende Straßenstrecke wird der ganzen 
Ausdehnung nach mit scharfen Hanen wund gemacht, nach dem 
Auftragen erfolgt Einwalzung mit Dampfwalzen unter Sand- 
zusatz; aber auch kleine AnSbessernngen durch Arbeiter jur Zeit 
geringen Verkehrs fehlen nicht. Der Kleinschlag ist überall sehr 
grob, daher die Oberfläche rauh, aber auch sehr rein, und ist 
dieß wohl deßhalb besser, weil weniger leicht Koth sich bildet, 
als bei Verwendung zu feinen Materials. 
Die in London arbeitenden Dampfwalzen sind nach dem 
System Aveling und Porter konstruirt, verhältuißmäßig klein 
(sie bedecken nur einen Streifen von 1,75 m), von 1—2 Mann 
bedient, gehen im Laufschritt, die Straße ist während der Arbeit 
abgesperrt (no tkoroughfare), mehrere Maschinen arbeiten gleich- 
zeitig. Das Geräusch kam mir viel geringer vor als bei un 
serer hiesigen Dampfwalze, die Einmantelnng der bewegenden 
Theile fehlt. Das Gewicht der Walzen ist jedenfalls kleiner als bei 
der neuern hiesigen Walze. Die Steine werden weniger zerdrückt 
und erzeugt sich deßhalb weniger Schmutz. In Belgien sieht 
man wenig Macadamisirung (Boulevard du commerce, Ant 
werpen), der Transport der Steine ist zu theuer und deßhalb 
pflastert man lieber. 
Pflaster st raßen nehmen den ersten Rang bezüglich der 
Häufigkeit der Anwendung ein und treten in den mannigfaltig 
sten Formen ans. 
a) Pflaster aus Kopfsteinen sieht man namentlich in 
Antwerpen; unregelmäßig bearbeitete Porphyrsteine mit annähernd 
regelmäßiger Kopffläche sind in eine dünne Sandschichte gepfla 
stert. Die Nachtheile dieser Pflästerung treten auffallend hervor. 
Der schwarze Koth ans der Straße rührt vom Untergrund her, 
der sich durch die Fugen heraufarbeitet und zu ungleichmäßigen 
Setzungen Anlaß gibt. Ein mehrmaliges Umlegen des Pflasters 
soll nöthig sein, bis es ordentlich hält. 
In England sieht man solches Pflaster in den Bauquar 
tieren der größeren Städte, überall aber ist als Fundament ein 
Rauhgeschläg (Abfälle von Bausteinen) vorhanden, das jedoch 
nicht als Vorlage behandelt ist, wie hier in Stuttgart. 
b) Pflaster ans regelmäßig bearbeiteten Steinen 
(Würfelpflaster) findet man schon in Brüssel (s. Fig. 7), die Steine, 
15 cm lang, 10 cm breit, 15 cm stark, haben als Unterlage 
eine Sandschicht ans Backsteinbrocken. Breitere Steine sind an 
gewendet bei den Gurten der Fußwege, 15 cm lang und breit. 
Die Reihen liegen normal zur Straßenrichtung mit Ausnahme 
der Straßenkreuzungen (s. Fig. 8). Pflaster dieser Art sind 
ans den belebteren Straßen, ans dem Boulevard central re. 
angewendet. Diese auch in Stuttgart übliche Konstruktion wird 
aber noch weit übertroffen durch das Pflaster der englischen 
städtischen Verkehrsstraßen. Die Straßenfläche ist vollständig 
eben, ohne jede Mulde, der Anschluß der Pferdebahn so voll 
ständig, daß nicht der geringste Höheunterschied zwischen Schiene 
und Pflaster hervortritt; von der Seite angesehen, ist das Pferde 
bahngeleise kaum sichtbar. Diese Vollendung des Bans der 
Straßen hat ihren Grund einmal in dem soliden Fundament, 
dann in der Konstruktion des Pflasters; dasselbe besteht überall 
ans annähernd regelmäßig bearbeiteten Steinen 15—25 cm 
lang, ca. 9 cm breit und 15—20 cm dick. Die Steine sind 
genau gleich breit (3',/z" engl. = 8 3 /. ( cm), die Länge aber ist 
verschieden, die Dicke nur annähernd gleich groß. Als Ma 
terial dient Urgebirge, Granit, sandige feste Kalksteine re. 
Alle diese Steine werden leicht glatt, daher die geringe Breite. 
Als Unterlage des Pflasters dient: 
1) in Edinbnrg (Briuce Street), vergl. Fig. 9, eine Beton 
lage von 22,5 cm Stärke. Die Pflastersteine liegen ans einem 
Mörtelbett von 5 cm, die Fugen sind mit Mörtel ansgegossen. 
2) in London (Camden Road, vergl. Fig. 10) eine Beton 
lage von 22,5 cm Stärke, aus 9 Theil Schotter und 1 Theil 
Portlandcement hergestellt, darüber eine Lage von Kies 5 cm 
stark. Die Fugen der Pflastersteine (25 cm lang, 9 cm breit, 
15 cm dick) werden mit Mörtel ansgegossen. Die alten Steine 
werden wieder verwendet und hiebei etwas umgearbeitet, so daß 
die Oberfläche wieder scharfe Kanten zeigt. Sonst nicht sehr 
regelmäßige Bearbeitung. 
3) Liverpool (Brincc Dock, vergl. Fig. 11). Die Unter 
lage besteht aus Asphaltbeton 15—20 cm dick, der dadurch her 
gestellt wird, daß man ein Steingrobgeschläg mit ca. 6 Ctr. 
schweren Handwalzen nach der Straßenwölbung eben abwalzt, so-
	        

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