28
Beil. 3, zur 8. Versammlung.
Hl e f e r a t
über die vom verbände deutscher Architekten- und Ingenieur-vereine in der Äbgeordnetrnversammtung zu Dresden
gestellte Frage 6:
Was für Erfahrungen sind im Vereinsgebiete mit Betonbauten
im Hochbau- und Ingenieur-Wesen bisher gemacht?
Wie stellen sich die Kosten der Herstellung und Unterhaltung
von Betonbauten gegenüber sonstigen Bauausführungen?
Die hiefür bestellte Kommission, bestehend aus dem Ober
baurath v. Egle, Oberbaurath v. Schlierholz, Baurath
Leibbrand und Kaiser, Professor Tafel und Bauinspektor
Rheinhard, beantwortet nach eingehender Berathung durch
ihren Referenten, Oberbanrath v. Schlierholz, dieselbe wie
folgt:
In Württemberg wurde früher, bis in die Mitte des
18ten Jahrhunderts, wie anderwärts, dem Aetzkalk schnellbindende
Eigenschaft durch Zuschläge von natürlichen Cementen, wesentlich
vulkanischen Gebilden, als Puzolan, Traß, gemahlenem Basalte,
Santorinerde, gegeben, bis 1755—1810 in England aus natür
lichen Kalkniergeln von dem Londoner Becken und der Roman
küste hydraulischer Kalk (Ronrancement) gebrannt, gemahlen und
weithin versendet wurde.
Gleiches geschah alsbald auch in Frankreich und wurde in
den 30er Jahren unseres Jahrhunderts auch in Deutschland
wesentlich durch die Professoren Fuchs und Pettenkofer in
München, speziell in Württemberg durch Apotheker vr. Leube
in Ulm eingeführt, welch' letzterer die Jmpressathone des weißen
Jura zwischen Blaubeuren und Ehingen bei Allmendingen hiezu
verwendete und hiemit durchschnittlich einen guten Romancement
lieferte und wesentlich Anregung zu einer ausgebreiteten inlän
dischen Romancementfabrikation aus den Formationen des weißen
und schwarzen Jura (den Rumismalismergeln des letzteren),
sowie des Muschelkalks gab.
Wurden nun vorher schnellbindende Kalke in Württeniberg
vorzugsweise durch Zusatz von Andernacher Traß zum Aetz- oder
schwarzen Kalk (schwache hydraulische Kalke) gebildet und fast
ausnahmsweise nur zu Betonfundationen verwendet, bei welchen
das Mischungsverhältniß je nach der Beschaffenheit von Sand
und Schotter, ob im Trockenen oder Nassen verwendet, ver
schieden war, so z. B. an der Cannstatter Neckar-Brücke: 2 Theile
schwarzen Kalk, 1 Theil Traß, 1 Theil Sand, 1 Theil Kies,
3 Theile Kleingeschläg; so wurde von obiger Zeit an fast aus
schließlich zu Betonarbeiten Romancement verwendet, und steigerte
sich dessen Verbrauch mit den Festungsbauten zu Ulm und un
seren Eisenbahnbauten und die durch letztere sich ergebende Er
leichterung im Verkehr in außerordentlicher Weise nicht nur für
Württemberg, sondern auch über dessen Grenzen hinaus und
schaffte zugleich große wirthschaftliche Werthe.
Immerhin aber erstreckte sich lange Zeit die Verwendung
des Romancements vorzugsweise nur auf Fundationen, Ueber-
züge von Gewölben, Verputzarbeiten, ausnahmsweise zu Estrichen
und Wasserdichtmachung von Kellersohlen, Cisternen u. dgl. und
erst zu Ende der 50er und in den 60er Jahren gewann dieselbe
eine größere Ausdehnung durch erweiterte Verwendung zu Beton
auch für Souterrainmauerwerk, Hintermauerungen, Gewölben,
Dachplatten, zu Wasserleitungsröhren u. dgl.
Dies fand vorzugsweise statt beim Eisenbahnbau, zunächst
in Oberschwaben von Mitte der 60er Jahre an, woselbst gute
Bausteine meist nur von weiterher, also theurer zu erhalten,
selbst Kalksteine in guter Qualität in großer Menge nicht immer
sicher zu beschaffen sind, die Cementfabriken, wesentlich des Blau
thales, aber Ronrancement billig liefern konnten, und guter Sand
und reiner Kies besonders im Allgäu meist nächst der Baustelle
billig zu gewinnen ist, selbst auch Steine zu Schotter tauglich,
vielen Orts nicht zu theuer zu erhalten sind.
Dies fand auch annähernd nächst den Cementfabriken zu
Kirchheiin und Reutlingen statt.
Diese Anwendung steigerte sich in erhöhtem Grade, als die
künstlichen Portlandcemente, die seither, besonders die englischen,
für uns zu theuer waren, durch deutsche renommirte Fabriken von
Dykerhof & Espenschied in Mannheim, Lothary in Mainz,
vom Bonner Bergwerks- und Hüttenverein, Bücking L Dietsch
in Malstett bei Saarbrücken und durch die sich immer enger
schließenden Eisenbahnmaschen auch in Württemberg mit unserem
Romancement in Konkurrenz treten konnten, und dies noch in er-
höhterem Grade als seit einigen Jahren auch in Württemberg
durch das Immobilien- und Baugeschäft Stuttgart in Blaubeuren
patentirter guter Portlandcement fabricirt wird.
Es ist zwar das Gewicht und der Preis des Portland
cements ein wesentlich höherer als beim Romancement, indem
Romancement per llbm wiegt ca. 19 Ctr., Portlandcement per
kbm ca. 29—31,5 Ctr. und ersterer per Ctr. in Württemberg
durchschnittlich kostet 1 M. 55 -J>, der letztere 2 Jtk 20 ^ bis
2 M. 50
Dagegen hat der Portlandcement andererseits vor dem
Ronrancement mancherlei Vorzüge, als:
a. größere Zuverlässigkeit für dessen Erhärtung, weil künstlich
und deshalb gleichförmiger gemischt, fabricirt, wogegen die
zur Romancementfabrikation verwendeten Steinschichten
nicht immer gleichförmig den erforderlichen Prozentsatz
zwischen Kalk und Thon enthalten;
d. daß er, weil weniger schnell erhärtend, bei der Bearbeitung
und Verwendung auch eine weniger skrupulöse Behandlung
verträgt als der schnell bindende Romancement;
e. den der größeren Zulässigkeit von Beimengung von Sand
und Kies zu Beton;
ck. die geeigneter auch außer Wasser verwendet werden zu
können als Romancement;
e. auch die rückwirkende, wie die Zugfestigkeit desselben und
des mit ihm bereiteten Betons eine durchaus größere ist,
als die des Roniancements und des aus letzteren: be
reiteten Betons.
ack a. ist nicht selten, daß Romancemente, wenn mit deren Er
probung und Auswahl vor ihrer Verwendung, wie mit
der Verarbeitung und Einbringung nicht außerordentlich
vorsichtig zu Werk gegangen wird, entweder nicht erhärten
oder auch, und dies besonders bei sehr schneller Erhärtung
nach einiger Zeit, sich wieder lösen und erweichen; dies ist
wesentlich bei Cementen, die zu viel Aetzkalk besitzen und
bei ihrer Verarbeitung sehr viel Wärme entwickeln der
Fall;
aä d. kann Romancement mit nur etwas zu viel Wasser sehr
leicht ersäuft werden, er muß sehr rasch verarbeitet,
ebenso rasch verwendet und an Stelle seiner Verwendung
gebracht, möglichst ungestört seinem Erhärtungsprozeß über
lassen werden, wogegen bei dem langsamer erhärtenden