Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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Der Erstere schreibt in seinem Vorwort, der Asphalt als 
ein unveränderliches wasserdichtes Material sei schon im 
frühesten Alterthum angewendet worden. 
Im Buche der Genesis Kapitel 16 Vers 14, wo von der 
Arche die Rede sei, heiße es: „und verpiche du sie mit 
Erdpech"; und im 3. Verse des 11. Kapitels: „und sie 
nahmen den Asphalt zum Mörtel." 
Referent wollte sich von der Richtigkeit dieser Citate über 
zeugen, hat aber beim Nachschlagen gefunden, daß weder an 
der ersten noch an der andern Stelle von dem Bau der Arche 
die Rede ist, sondern daß das 16. Kapitel des ersten Buches 
Mosis von der Hagar, ihrer Flucht und Rückkehr, und das 
11. Kapitel vom Thurmbau zu Babel rc. handelt, dagegen ist 
schon im 6. Kapitel vom Bau der Arche die Rede, und im 
14. Vers zu lesen: „Mache Dir einen Kasten von 
tannen Holz, und mache Kammern drinnen, und 
verpiche sie mit Pech inwendig und auswendig." 
Woher dieser Mangel an Uebereinstimmung der ange 
zogenen Bibelstellen rührt, kann nicht angegeben werden. 
Der Verfasser schreibt dann weiter, daß jetzt noch vorge 
fundene Pyramidenbruchstücke Egyptens eine Menge von As 
phalt enthalten, und daß Mumien, mit Asphaltmörtel über 
zogen, nach 4000 Jahren noch gut erhalten seien. Mit dem 
Verschwinden der Civilisation Egyptens und dessen Völker, 
habe sich die Anwendung des Asphalts verloren rc. 
Da die eigentlichen Asphaltstraßen etwas kurz behandelt 
sind, so wurden die nachstehenden Notizen aus der zweiten 
Broschüre entnommen. 
In seinem Vorwort sagt Dr. Meyn (der, beiläufig be 
merkt, ein warmer Vertheidiger der Asphaltstraßen zu sein 
scheint), daß er sich nicht allein auf seine eigenen Ansichten 
und seine durch Beobachtungen begründeten Urtheile habe be 
rufen dürfen, sondern die Erfahrungen städtischer Ingenieure 
und sonstiger Funktionäre in den beiden großen Hauptstädten 
Paris und London zu Rathe habe ziehen müssen. 
Hinsichtlich des Alters der Asphaltarbeiten bemerkt er, 
wisse man aus den alten Schriftstellern, daß Babylon, dessen 
Bauten seit 4000 Jahren berühmt waren, theilweise mit As 
phalt gemauert gewesen, wahrscheinlich sei aber diese Notiz in 
gelehrten Kreisen geblieben, und da man in den alten Bauten 
der Griechen und Römer, welche man als Muster studirte, 
keinerlei Verwendung dieser Art gefunden hatte, so konnte der 
Asphaltgebrauch, wie ihn Herodot, Strabo und Plinius 
beschrieben, als gänzlich verschollen gelten. 
Gegenwärtig wisse man aus Berichten neuerer Reisendeu, 
daß auch in Niniveh mit Asphaltmörtel gebaut wurde, und 
daß der Asphaltmörtel zu den Mauern von Babylon aus 
einem Bergtheer gekocht wurde, welcher bei Js, an einem 
Nebenflüsse des Euphrat gegraben worden. 
Der erste Mann, welcher dem modernen Europa das Ge 
schenk dieses ausgezeichneten Materials machte, war um's Jahr 
1712 ein griechischer Arzt mit Namen Eirinis; er wurde in 
irgend einer Funktion als Sachverständiger von der Berner 
Regierung 1711 angestellt und besuchte in dieser Eigenschaft 
das Val de Travers, das wichtigste Querthal, welches aus 
dem Juragebirge in den Neufchateler See mündet. 
Er traf daselbst einen deutschen Abenteurer Namens Jost, 
welcher gemeinschaftlich mit einigen Landsleuten aus den Fels 
wänden dieses Thales einen Haufen Gestein losgesprengt hatte, 
das theilweise brennbar, weich und zähe zu bearbeiten war, 
und für das er, weil es als Brennmaterial nicht ganz tauglich 
war, vergebens nach einer andern zweckmäßigen Verwendung 
gesucht habe. 
Eirinis erkannte die Nützlichkeit des Gesteines für Bau 
zwecke und die Möglichkeit diesen Fund technisch zu verwerthen. 
Der König von Preußen, als Schutzherr von Neufchatel, 
ertheilte ihm auf seine Bitte eine Koncession für alle Asphalt 
lagerstätten, die er im Fürstenthum Neufchatel entdecken würde, 
und der Staatsrath genehmigte mit wenigen Beschränkungen 
diese Koncession, welche der Ursprung der ganzen 
Asphaltindustrie ist. 
Im Jahre 1712 begann Eirinis seine Versuche und 
legte seine Erfindungen und Entdeckungen in mehreren Bro 
schüren nieder, von welchen eine im Jahre 1721 erstmals, und 
eine neue Auflage derselben im Jahre 1784 erschien. 
Die von ihm ausgeführten Arbeiten waren zahlreiche 
Cisternen und Brunnenbecken aus Holz und verschiedenen Ge 
steinen, welche er vollkommen gut und dauerhaft mit Hilfe 
seines Asphalts verbunden und gedichtet, auch eine Plattform 
und ein Speicher seien zur völligen Befriedigung der Eigen 
thümer gefertigt worden. Aus Basel wurde ihm bezeugt, er 
habe mit seinem Asphaltkitt zwei Stücke eines festen Gesteins 
verbunden, welche nachher aus dem Fenster eines hohen Stock 
werks auf das Straßenpflaster geworfen, sich nicht wieder ge 
trennt hätten. 
Eirinis sollte jedoch, wie noch viele andere Erfinder, 
nicht selber den Nutzen aus seiner fruchtbaren Idee ziehen; 
ein Herr de la Sablonniere, Schatzmeister der Eidgenossen 
schaft, ging nach Frankreich, um daselbst im Einverständniß 
mit dem Erfinder die Sache zu verwerthen; und als ihm dieses 
geglückt, vernachläßigte er den Urheber, gab sich selbst für den 
Erfinder aus, wurde als solcher anerkannt und geehrt und 
erreichte auch seine Nächstliegenden Zwecke. 
Eirinis hatte im Jahre 1735 die Schweiz verlassen 
und sich in Elsaß angesiedelt, wo er die Asphaltgruben in Lob- 
san (Schlesing schreibt Lobsanne) entdeckte, die bis heute 
noch ausgebeutet werden. 
Die Gruben des Val de Travers scheinen aber in andere 
Hände gekommen zu sein, verschiedene Privatleute wurden 
nach einander Inhaber der Koncession unter wechselnden Be 
dingungen, die Geschäfte gingen immer schlechter, der Massen 
verbrauch hörte gänzlich auf, man begnügte sich endlich damit, 
aus dem Asphalt Oele zu destilliren, deren Fabrikation und 
medizinischen Gebrauch Eirinus schon gelehrt hatte. 
So kam cs, daß nur noch die Ueberlieferungen in ge 
lehrten Werken das Andenken an den Asphalt des Val de 
Travers als Baumaterial erhielt, und daß die Erfindung 
sammt ihrem Urheber gegen den Anfang unseres Jahrhunderts 
hin in den industriellen Kreisen vollständig vergessen war. 
Da wurde im Jahre 1802 zu Seyssel, südlich von Genf, 
an der Grenze Frankreichs und Savoyens, ein Asphaltstein 
entdeckt und derselbe bald zu Arbeiten verwendet, die denen 
des Eirinis ähnlich waren, ohne daß man Kunde von 
diesen hatte. 
Es wurde daselbst schon längere Zeit auf eine sehr müh 
same Weise Bergtheer gewonnen, der in den Bänken des 
Molassesandsteins im Rhonethal enthalten war; später wurde 
ein unter der Molasse hervortauchender Kalkstein entdeckt, 
welcher 10 7 0 Bitumen enthielt. Hier in Seyssel ging nun 
die Anwendung des Produktes, welches als etwas unbedingt 
Neues und Unübertreffliches verkündigt wurde, nicht den ein 
fachen Gang, sondern, nachdem man Anfangs mit verschiedenen 
Arbeiten sehr gute Erfolge hatte, sollte der Asphalt plötzlich 
zu allen möglichen Dingen gut sein, und wurde einerseits auf 
das unverständigste angepriesen und andererseits mit einer 
seltenen Bereitwilligkeit aufgenommen. Der Rückschlag blieb 
nicht lange aus, und ebenso schnell, als der Seyssel-Asphalt 
Modesache geworden war, wurde er Gegenstand des allgemeinen 
Spottes und der Verachtung. 
Ein Unternehmer nach dem andern ging an der Sache 
zu Grunde, und am Ende der 20er Jahre war das Asphalt 
geschäft so gründlich ruinirt, daß Gruben und Fabriken in 
Seyssel vollständig zum Erliegen kamen und um's Jahr 1832 
ein Graf Sassenay die Anlagen aus dem Ruin der früheren 
Gesellschaft kaufte. 
Dieser, von der Ueberzeugung getragen, daß die Asphalt- 
Industrie eine große Zukunft habe, beschloß, nachdem die 
Thätigkeit einige Jahre geruht hatte, weitere Kapitalien zu 
verwenden, und wurde hiedurch der zweite Begründer 
der neuen Asphaltindustrie. 
Er errichtete ein eigenes Geschäftshaus für das Studium 
und die richtige Anwendung des Asphalts und ließ seine
	        
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