Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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Herr v. Schlierholz bemerkt weiter, daß Herr Professor 
Laißle stets und gerne die in Württemberg übliche Mauerungs 
weise angreife und möglichst hiezu Brockengemäuer anempfehle. 
Richtig sei, daß noch manchenorts bei uns bezüglich der Bearbei 
tung der Steine, wesentlich im Haupte, nicht selten auch aus 
Gewohnheit der Arbeiter selbst, zu viel und Unnöthiges geschehe, 
wo in vielen Fällen ein Beizen der Kante genüge und das 
übrige rauh bleiben und im Innern eine Ausmauerung mit un 
regelmäßigen Steinen genügen könnte. Dagegen bitte er doch vom 
praktischen Standpunkte aus nicht zu übersehen, daß wir in Würt 
temberg vielenorts eben so glücklich seien, Steinbrüche zur Dispo 
sition zu haben, in welchen geschichtete Steine in verschiedener 
Dicke und Längendimension brechen, und es werde doch keinem 
Baunieister zugemuthet werden wollen, daß er solche Steine 
nicht wie sie die Natur biete, verwende, sondern zu Brocken 
zusammenschlage oder in dünnere Schichten zerspalte. Da, wo 
sich aber mehr Polygone Steine vorfinden und insbesondere, wo 
sich für deren Verwendung geeignete Maurer und ein guter 
Sand zum Mörtel finden, sollte und wird auch meist Polygones 
Gemäuer besonders zu Fundament- und Hintergemäuer, nicht selten 
auch zu Vordergemäuer ausgeführt werden. 
Man müsse eben stets mit dem gebotenen Baumateriale 
und zusammengehalten mit den zu erstellenden Bauten rechnen, 
wobei z. B. nicht außer Acht kommen dürfe, daß nicht überall 
wetterdauernde Steine erhältlich seien, so z. B. biete sowohl die For 
mation des schwarzen, wie des braunen und des weißen Jura 
nur wenige Schichtungen wirklich dauerhafter Bausteine und ins 
besondere keinen guten Sand, ersteres gebiete große Vorsicht 
in der Steinverwendung, besonders zu größeren Bauobjekten, 
letzterer Umstand lasse keine gute Mörtelbereitung zu, und er 
schwere oder vertheure die Erstellung von dauerhauftem Polygon 
gemäuer, so daß dies nicht selten sich theurer beziffere als richtig 
behandeltes schichtenmäßiges Gemäuer. Redner möchte daher 
wünschen, dem Herrn Vorredner möchte es gefallen, sich bezüg 
lich der Gemäuerbehandlung zunächst wohl aus das dem Aus 
führenden Gebotene, aber auch für den Umfang, die Größe und 
den Zweck des Baues geeignetes und Dauer versprechendes Bau 
material und eine hiefür angezeigte Behandlung in der Bearbeit 
ung und Vermaurung zu stützen und derselbe nicht übersehen, wie 
auch wir in Württemberg, besonders in steinarmen, aber fand- und 
kiesreichen Gegenden in großen Massen an Stelle von sonst 
theuer kommenden Mauerwerks Beton verwenden und dadurch 
große Ersparnisse eintreten, wobei aber nie unbeachtet bleiben 
sollte, daß wir nicht mit Gründer- und Generalaccords-Bauten 
zu thun haben und nicht allein aus Billigkeit, sondern auch — 
und dies insbesondere bei Eisenbahnbauten -— auf große Dauer 
bei all den auf sie einwirkenden mechanischen und physikalischen 
Einflüssen Rücksicht zu nehmen haben. 
Möchte der Herr Vorredner aber auch weiter bei seinem 
wohlgemeinten Streben nach billigerer Mauerung nicht nur stets 
seine Direktiven den Eisenbahnbaumeistern zuwenden, sondern diese 
auch auf das Hochbauwesen ausdehnen, bei welchem manchenorts 
bei etwas weiter Mauerstärken und etwas mehr Gebäudeaus 
dehnung, wie dies z. B. in Zürich statthatte zu den Grund- 
und Umfassungsmauern Steinabfälle verwendet werden konnten 
und hiemit überdies wärmere und gesündere Wohnräume erzielt 
würden. 
Herr Oberbaurath v. Morlok theilt mit, daß van Seite 
der württembergischen Eisenbahnverwaltung schon häufig versucht 
worden sei, der manchmal vorkommenden übertriebenen Sauber 
keit und allzu sorgfältigen Bearbeitung der Mauersteine entgegen 
zu treten, es sei den leitenden Technikern aber bis jetzt nicht 
möglich gewesen gegen die alte Gewohnheit der einheimischen 
Arbeiter durchzudringen. Man habe deßhalb fremde Arbeiter 
aus Baden, Elsaß, Tyrol kommen lassen, aber auch diese seien 
nicht im Stande gewesen, aus unseren meist lagerhaften und leicht 
zu bearbeitenden Steinen ein brauchbares unregelmäßiges Gemäuer 
herzustellen, vielmehr haben sich dieselben ebenfalls in kurzer Zeit 
eine regelmäßige Bearbeitung der Steine angewöhnt. Das in 
Baden übliche Verfahren der Mauerung aus kleinen unregel 
mäßigen Steinen habe ebenfalls nicht durchgeführt werden können, 
weil unsere Steine im Allgemeinen in größeren Stücken brechen. 
Ein derartiges Mauerwerk lasse sich ohnedies nur mit geeigneter 
Tragfähigkeit herstellen, wenn guter Mörtel zur Verfügung stehe. 
In vielen Gegenden des Landes sei aber kein hiezu tauglicher 
Sand zu finden und werde man dadurch häufig zur Ausführung 
von Mauerwerk aus regelmäßig bearbeiteten Steinen genöthigt. 
Auch habe ein regelmäßiges Gemäuer eine wesentlich größere 
Festigkeit, so daß bei dessen Verwendung viel geringere Dimen 
sionen zulässig seien als bei rauhem Mauerwerk, der höhere 
Preis des ersteren gleiche sich daher mit der Materialersparniß 
wieder aus. 
Herr Professor Laißle gibt dies zu, ist jedoch der An 
sicht, daß bei uns die Mauern trotz des sorgfältig ausge 
führten Gemäuers häufig doch nicht schwächer gemacht werden, 
als anderswo bei rauhem Mauerwerk. 
Die Herren v. Schlierholz und v. Morlok halten 
dem entgegen, daß bei den unter ihrer Leitung ausgeführten 
Bahnbauten nirgends zu starke Dimensionen angewendet worden 
seien, insbesondere sei dies bei den neuerdings ausgeführten großen 
Viadukten keineswegs der Fall. 
Herr Oberbaurath v. Häuel macht sodann Mittheilung 
über einen von ihm ausgeführten Besuch des Gotthard 
tunnels und betont die schlechte Luft, den tiefen Schmutz und die 
große Nässe in demselben, ferner die große Hitze, welche wegen 
des bedeutenden Feuchtigkeitsgehalts der Luft noch unangenehmer 
wirkt. 
Herr Baumeister Lang ermähnt, daß nach den angestell 
ten Berechnungen die Hitze im Gotthardtunnel sich noch auf 
89° Gels, steigern werde und daß bei dem Simplonprojekt mit 
einem 18 Kilonieter langen Tunnel die Temperatur voraussicht 
lich sogar bis auf 48° steigen werde, so daß die Ausführung 
des letzteren wahrscheinlich unmöglich sei, wenn nicht besondere 
Vorkehrungen zur Erzielung einer niedereren Temperatur getroffen 
werden. 
Herr Professor Göller spricht von seinen bei dem Bau 
der Gotthardbahn gemachten Erfahrungen und bestätigt, daß mit 
dem dort verfügbaren Material nur rauhes Mauerwerk hergestellt 
werden könne, daß aber ein guter Mörtel verwendet und hiedurch 
ein wirklich solides Mauerwerk erzielt worden sei. 
Der Herr Vorsitzende bringt sodann noch Zeichnungen 
über den Baubetrieb des Gotthardtunnels und geognostische 
Profile zur Circulation und gibt die in folgender Tabelle ver 
zeichneten Fortschritte der Arbeiten am Gotthardtunnel nach dem 
Stand vom 30. Septeniber d. I. 
Die Entfernung zwischen dem Portale bei Göschenen und 
dem Portale des Richtungstunnels bei Airolo beträgt 14,920. m. 
In dieser Länge ist der 149 m lange Richtungstunnel mit 
inbegriffen. Der in der Eurve liegende 125 in lange Theil des 
Haupttunnels ist in der nachstehenden Tabelle nicht berücksichtigt 
worden.
	        
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