13
Herr v. Schlierholz bemerkt weiter, daß Herr Professor
Laißle stets und gerne die in Württemberg übliche Mauerungs
weise angreife und möglichst hiezu Brockengemäuer anempfehle.
Richtig sei, daß noch manchenorts bei uns bezüglich der Bearbei
tung der Steine, wesentlich im Haupte, nicht selten auch aus
Gewohnheit der Arbeiter selbst, zu viel und Unnöthiges geschehe,
wo in vielen Fällen ein Beizen der Kante genüge und das
übrige rauh bleiben und im Innern eine Ausmauerung mit un
regelmäßigen Steinen genügen könnte. Dagegen bitte er doch vom
praktischen Standpunkte aus nicht zu übersehen, daß wir in Würt
temberg vielenorts eben so glücklich seien, Steinbrüche zur Dispo
sition zu haben, in welchen geschichtete Steine in verschiedener
Dicke und Längendimension brechen, und es werde doch keinem
Baunieister zugemuthet werden wollen, daß er solche Steine
nicht wie sie die Natur biete, verwende, sondern zu Brocken
zusammenschlage oder in dünnere Schichten zerspalte. Da, wo
sich aber mehr Polygone Steine vorfinden und insbesondere, wo
sich für deren Verwendung geeignete Maurer und ein guter
Sand zum Mörtel finden, sollte und wird auch meist Polygones
Gemäuer besonders zu Fundament- und Hintergemäuer, nicht selten
auch zu Vordergemäuer ausgeführt werden.
Man müsse eben stets mit dem gebotenen Baumateriale
und zusammengehalten mit den zu erstellenden Bauten rechnen,
wobei z. B. nicht außer Acht kommen dürfe, daß nicht überall
wetterdauernde Steine erhältlich seien, so z. B. biete sowohl die For
mation des schwarzen, wie des braunen und des weißen Jura
nur wenige Schichtungen wirklich dauerhafter Bausteine und ins
besondere keinen guten Sand, ersteres gebiete große Vorsicht
in der Steinverwendung, besonders zu größeren Bauobjekten,
letzterer Umstand lasse keine gute Mörtelbereitung zu, und er
schwere oder vertheure die Erstellung von dauerhauftem Polygon
gemäuer, so daß dies nicht selten sich theurer beziffere als richtig
behandeltes schichtenmäßiges Gemäuer. Redner möchte daher
wünschen, dem Herrn Vorredner möchte es gefallen, sich bezüg
lich der Gemäuerbehandlung zunächst wohl aus das dem Aus
führenden Gebotene, aber auch für den Umfang, die Größe und
den Zweck des Baues geeignetes und Dauer versprechendes Bau
material und eine hiefür angezeigte Behandlung in der Bearbeit
ung und Vermaurung zu stützen und derselbe nicht übersehen, wie
auch wir in Württemberg, besonders in steinarmen, aber fand- und
kiesreichen Gegenden in großen Massen an Stelle von sonst
theuer kommenden Mauerwerks Beton verwenden und dadurch
große Ersparnisse eintreten, wobei aber nie unbeachtet bleiben
sollte, daß wir nicht mit Gründer- und Generalaccords-Bauten
zu thun haben und nicht allein aus Billigkeit, sondern auch —
und dies insbesondere bei Eisenbahnbauten -— auf große Dauer
bei all den auf sie einwirkenden mechanischen und physikalischen
Einflüssen Rücksicht zu nehmen haben.
Möchte der Herr Vorredner aber auch weiter bei seinem
wohlgemeinten Streben nach billigerer Mauerung nicht nur stets
seine Direktiven den Eisenbahnbaumeistern zuwenden, sondern diese
auch auf das Hochbauwesen ausdehnen, bei welchem manchenorts
bei etwas weiter Mauerstärken und etwas mehr Gebäudeaus
dehnung, wie dies z. B. in Zürich statthatte zu den Grund-
und Umfassungsmauern Steinabfälle verwendet werden konnten
und hiemit überdies wärmere und gesündere Wohnräume erzielt
würden.
Herr Oberbaurath v. Morlok theilt mit, daß van Seite
der württembergischen Eisenbahnverwaltung schon häufig versucht
worden sei, der manchmal vorkommenden übertriebenen Sauber
keit und allzu sorgfältigen Bearbeitung der Mauersteine entgegen
zu treten, es sei den leitenden Technikern aber bis jetzt nicht
möglich gewesen gegen die alte Gewohnheit der einheimischen
Arbeiter durchzudringen. Man habe deßhalb fremde Arbeiter
aus Baden, Elsaß, Tyrol kommen lassen, aber auch diese seien
nicht im Stande gewesen, aus unseren meist lagerhaften und leicht
zu bearbeitenden Steinen ein brauchbares unregelmäßiges Gemäuer
herzustellen, vielmehr haben sich dieselben ebenfalls in kurzer Zeit
eine regelmäßige Bearbeitung der Steine angewöhnt. Das in
Baden übliche Verfahren der Mauerung aus kleinen unregel
mäßigen Steinen habe ebenfalls nicht durchgeführt werden können,
weil unsere Steine im Allgemeinen in größeren Stücken brechen.
Ein derartiges Mauerwerk lasse sich ohnedies nur mit geeigneter
Tragfähigkeit herstellen, wenn guter Mörtel zur Verfügung stehe.
In vielen Gegenden des Landes sei aber kein hiezu tauglicher
Sand zu finden und werde man dadurch häufig zur Ausführung
von Mauerwerk aus regelmäßig bearbeiteten Steinen genöthigt.
Auch habe ein regelmäßiges Gemäuer eine wesentlich größere
Festigkeit, so daß bei dessen Verwendung viel geringere Dimen
sionen zulässig seien als bei rauhem Mauerwerk, der höhere
Preis des ersteren gleiche sich daher mit der Materialersparniß
wieder aus.
Herr Professor Laißle gibt dies zu, ist jedoch der An
sicht, daß bei uns die Mauern trotz des sorgfältig ausge
führten Gemäuers häufig doch nicht schwächer gemacht werden,
als anderswo bei rauhem Mauerwerk.
Die Herren v. Schlierholz und v. Morlok halten
dem entgegen, daß bei den unter ihrer Leitung ausgeführten
Bahnbauten nirgends zu starke Dimensionen angewendet worden
seien, insbesondere sei dies bei den neuerdings ausgeführten großen
Viadukten keineswegs der Fall.
Herr Oberbaurath v. Häuel macht sodann Mittheilung
über einen von ihm ausgeführten Besuch des Gotthard
tunnels und betont die schlechte Luft, den tiefen Schmutz und die
große Nässe in demselben, ferner die große Hitze, welche wegen
des bedeutenden Feuchtigkeitsgehalts der Luft noch unangenehmer
wirkt.
Herr Baumeister Lang ermähnt, daß nach den angestell
ten Berechnungen die Hitze im Gotthardtunnel sich noch auf
89° Gels, steigern werde und daß bei dem Simplonprojekt mit
einem 18 Kilonieter langen Tunnel die Temperatur voraussicht
lich sogar bis auf 48° steigen werde, so daß die Ausführung
des letzteren wahrscheinlich unmöglich sei, wenn nicht besondere
Vorkehrungen zur Erzielung einer niedereren Temperatur getroffen
werden.
Herr Professor Göller spricht von seinen bei dem Bau
der Gotthardbahn gemachten Erfahrungen und bestätigt, daß mit
dem dort verfügbaren Material nur rauhes Mauerwerk hergestellt
werden könne, daß aber ein guter Mörtel verwendet und hiedurch
ein wirklich solides Mauerwerk erzielt worden sei.
Der Herr Vorsitzende bringt sodann noch Zeichnungen
über den Baubetrieb des Gotthardtunnels und geognostische
Profile zur Circulation und gibt die in folgender Tabelle ver
zeichneten Fortschritte der Arbeiten am Gotthardtunnel nach dem
Stand vom 30. Septeniber d. I.
Die Entfernung zwischen dem Portale bei Göschenen und
dem Portale des Richtungstunnels bei Airolo beträgt 14,920. m.
In dieser Länge ist der 149 m lange Richtungstunnel mit
inbegriffen. Der in der Eurve liegende 125 in lange Theil des
Haupttunnels ist in der nachstehenden Tabelle nicht berücksichtigt
worden.